Es schreibt: Marie Krappmann

(22. 2. 2024)

 Zwischen 2020 und 2022 wurden in rascher Folge zwei bzw. drei umfassende Monografien über visuelle Manifestationen des Antisemitismus veröffentlicht, die deren Entwicklung in Mitteleuropa, insbesondere in den böhmischen Ländern, verfolgen. Die Rezension der ersten dieser Monographien, Obrazy nenávisti. Vizuální projevy antisemitismu ve střední Evropě [Bilder des Hasses. Visuelle Manifestationen des Antisemitismus in Mitteleuropa], herausgegeben von Jakub Hauser und Eva Janáčová, wurde hier in der Juni-Ausgabe des vergangenen Jahres veröffentlicht. Ein Jahr später erschien die englische Version dieser Publikation bei Walter de Gruyter unter dem Titel Visual Antisemitism in Central Europe, Imagery of Hatred. Im Jahr 2022 erschien unter der Redaktion von Eva Janáčová die umfangreichste und bildreichste Publikation Obrazy zášti. Vizuální projevy antijudaismu a antisemitismu v českých zemích [Bilder des Hasses. Visuelle Auswirkungen des Antijudaismus und Antisemitismus in den böhmischen Ländern] als kritischer Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, die vom 1. Oktober 2021 bis 2. Januar 2022 in Liberec stattfand. Der Hauptunterschied zu den beiden erstgenannten Publikationen ergibt sich bereits aus dem Titel – das zweite Buch konzentriert sich mehr auf den geografischen Raum der böhmischen Länder und erfasst somit konsequenter die Kontinuität der antijüdischen Stimmung auf diesem Gebiet; aus diesem Grund beschäftigt sie sich auch mit dem langen Zeitraum (12.–21. Jahrhundert) und ist in zwei historische Blöcke unterteilt, die durch die Begriffe „Antijudaismus“ und „Antisemitismus“ definiert werden. Da Obrazy zášti ein sehr ähnliches Thema wie Obrazy nenávisti behandelt, kommt es zwangsläufig zu Wiederholungen des begleitenden Bildmaterials und teilweise auch der Analysen in einigen Kapiteln. Gleichzeitig ist jedoch hervorzuheben, dass die Autoren, die bereits an Obrazy nenávisti mitgewirkt haben, tatsächlich versuchen, „das Thema ausführlicher und umfassender darzustellen“, wie die Herausgeberin in der Einleitung ankündigt, und somit neue Perspektiven anstreben.

 

Jan Dienstbier und Daniel Soukup, die sich im ersten Kapitel mit den Ursprüngen antijüdischer Visualität in der Zeit vom 12. bis zum 15. Jahrhundert beschäftigen, analysieren den visuellen Code der christlichen bildenden Kunst, der die widersprüchliche Wahrnehmung der Juden als Zeugen alttestamentlicher Prophezeiungen einerseits und als Mörder Christi andererseits unmittelbar widerspiegelt. Sie gehen davon aus, dass sich aus dieser Ambivalenz allmählich eine antijüdische Ikonographie entwickelte, die oft nur noch lose mit realen Juden und dem zeitgenössischen Judaismus verbunden war und vor allem dazu diente, die christliche Gesellschaft ex negativo zu definieren. Dieser These folgend beschreiben die Autoren verschiedene Arten von symbolischen Visualisierungen, etwa die Personifizierung des abgelehnten jüdischen Glaubens in Form der Synagoge, stereotypische physiognomische Merkmale und Kleidung, das wiederkehrende Leitmotiv der Juden als Folterknechte usw. Sie gelangen auf diesem Weg zu Visualisierungen, die für die Konstruktion christlicher Identität ex negativo prototypisch sind, d. h. zu Bildern von Juden als Antichrist oder als unreines Tier, meist eine Sau (Judensau). Die Metamorphosen der Judensau wurden von Jan Dienstbier bereits in Obrazy nenávisti ausführlicher behandelt, in der Monografie von 2022 wurde dieses Motiv in einen breiteren theoretischen Rahmen gestellt und geografisch auf die böhmischen Länder beschränkt. Im folgenden Kapitel widmen Dienstbier und Soukup sich der Entwicklung dieser Stereotype im 15. und 16. Jahrhundert, als neue grafische Techniken und der Buchdruck zu deren Verbreitung beitrugen. Die Juden gerieten in dieser Zeit gleichzeitig in die Kämpfe zwischen Protestanten und Katholiken; beide erwähnten Faktoren trugen nach Ansicht der Autoren wesentlich dazu bei, dass sich das Bild des Juden „als ein Geschöpf, das nicht zu den Menschen gehört“, rasch verfestigte. Am Beispiel einzelner Buchmalereien, Drucke, Gemälde etc. werden verschiedene Strategien der visuellen Stigmatisierung analysiert, wie z. B. das Tragen und Vorzeigen des gelben Rings, dessen Gebrauch nachträglich anachronistisch in die Vergangenheit projiziert wurde, das Auftauchen des Ahasverus-Typus oder die Darstellung von Juden in Verbindung mit unreinen Tieren. Sehr überzeugend ist die Analyse des Gemäldes, das die rituelle Ermordung eines christlichen Jungen durch Troppauer Juden darstellt – die Autoren demonstrieren hiermit die Übertragung eines visuellen Narrativs, indem sie zeigen, wie stark sich der Autor von der Darstellung des Ritualmords an Simon von Trient inspirieren ließ.

 

Das Übertragen visueller Narrative wird auch von Daniel Baránek im Kapitel über das 17. und 18. Jahrhundert angesprochen, wenn er die antijüdische Ikonographie von der Gegenreformation bis zu den Anfängen der Aufklärung unter die Lupe nimmt. Er macht dabei auf die Spezifik antijüdischer visueller Stereotype in der frühen Neuzeit aufmerksam – diese wurden oft mit Hilfe von Symbolen realisiert, die für die heutigen Betrachter nur noch schwer zu erkennen und zu entziffern sind, da sie nicht so explizit sind wie stereotype Darstellungen im Mittelalter oder in antisemitischen Werken des 19. und 20. Jahrhunderts. Er zeigt dies eindrucksvoll am Beispiel eines stigmatisierenden Zeichens (die weiße Kräusel) oder der unauffälligen Knabenfiguren auf dem Bild eines Kreuzweges. Selbst Kunsthistoriker haben diese Figuren oft trotz der typischen stigmatisierenden Attribute (Kräusel, Mantel) als Gattungsmotive des Rokoko gedeutet, obwohl es sich in Wirklichkeit um komplexe Symbolfiguren handelt, die durch den Hinweis auf das Matthäus-Evangelium die „ewige Schuld“ der Juden suggerieren sollen. Am Ende des Kapitels gelingt es dem Autor, die untersuchte frühe Neuzeit mit der Gegenwart zu verbinden, wenn er über die Rückkehr der verlorenen und wiederentdeckten Statuen von spöttelnden Juden in die Nischen der heiligen Stufen des Kreuzwegs in Rumburk nachdenkt, „ohne dass sich jemand auch nur im Geringsten von der stark antijüdischen Ausrichtung des gesamten Werks distanzierte“.

 

Das Kapitel von Daniel Baránek schließt den historischen Block „Antijudaismus“ ab, an den sich der umfangreichere Teil der Publikation – „Antisemitismus“ – anschließt. Eingeleitet wird dieser Teil durch ein kurzes theoretisches Kapitel von Michal Frankl. Während er sich in Obrazy nenávisti auf verschiedene Strategien der Visualisierung jüdischer Figuren im Raum konzentrierte, widmet er sich in Obrazy zášti in seinem einleitenden Kapitel der allgemein formulierten Frage, wie der Begriff des modernen Antisemitismus zu definieren sei. Dabei stützt er sich auf die These von David Engel, der den Antisemitismus als eine konstruierte analytische Kategorie versteht, deren Grenzen weitgehend willkürlich sind. Aus diesen Charakteristika des modernen Antisemitismus resultieren auch die Probleme, die mit dem Versuch verbunden sind, die Kontinuität antisemitischer Erscheinungsformen in Mitteleuropa und speziell im geografischen Raum der böhmischen Länder zu erfassen. Darüber hinaus wird laut Frankl die Erforschung der Kontinuität visueller Manifestationen des Antisemitismus durch deren enge Verflechtung mit dem Text erschwert, was er im zweiten Teil seines Kapitels anhand konkreter Beispiele veranschaulicht, die die Dynamik und Komplexität der Beziehung zwischen Text, Bild und der Gesamtaussage widerspiegeln.

 

Frankls Überlegungen bilden eine Art theoretischen Auftakt zum umfangreichsten Kapitel der gesamten Publikation, das den treffenden Titel Dlouhé 19. století: Vznik moderního antisemitismu [Das lange 19. Jahrhundert: Ursprung des modernen Antisemitismus] trägt. Jakub Hauser und Eva Janáčová beschreiben hier den relativ direkten Weg von der jüdischen Emanzipation zum Ausschluss der Juden aus der Nation und erörtern in der Einleitung die vielfältigen Faktoren, die diese Entwicklung beschleunigten (z. B. das Konzept der nationalen Identität, die Rezeption der jüdischen Emanzipation sowie die Wirtschaftskrise und das damit verbundene Misstrauen gegenüber liberalen politischen und wirtschaftlichen Ideologien). Dabei betonen sie die dynamische Entwicklung der Reproduktionstechnologien, die eine rasche Verbreitung neuer und alter Stereotype ermöglichten. Ähnlich wie Frankl gehen sie davon aus, dass die Analyse von textlich realisierten Stereotypen nicht von visuellen Stereotypen zu trennen sei, insbesondere im böhmischen Raum, wo die Karikatur als „Selbstbild“ im Wesentlichen nicht existierte und stereotype Darstellungen oft eher als Illustration zum Text fungierten. Anhand einer Fülle von Bildmaterial demonstrieren sie die stereotype Wahrnehmung von Juden im Kontext des modernen nationalen Diskurses (das Stereotyp der Juden als Handlanger der Deutschen), im politischen Bereich (das Stereotyp des Sozialismus als Produkt einer jüdischen Verschwörung) und im Bereich der Wirtschaft und des Finanzwesens (z. B. das Motiv des Juden als erfolgreicher Großkapitalist). Sie weisen auf die enge Verbindung dieser Stereotype mit der Karikatur der jüdischen Physiognomie hin und zeigen am Beispiel der sog. Hilsneriade, wie diese neu aufkommenden Stereotype zur Wiederbelebung archaischen Aberglaubens – z. B. über den Ritualmord – beitrugen. Um zu belegen, wie weit verbreitet die stark stereotype Wahrnehmung der Juden im 19. Jahrhundert war, analysieren die Autoren nicht nur Illustrationen in überwiegend humoristischen Zeitschriften, sondern auch Werke bekannter, etablierter Autoren wie Mikoláš Aleš, František Kupka und Maxmilián Pirner. Viele Leser werden überrascht sein, mit welcher Selbstverständlichkeit antijüdische visuelle Elemente in die Werke aufgenommen wurden, selbst von Autoren, die wir heute als kanonisch betrachten.

 

Milan Pech, der sich in seinem Kapitel mit der Zeit zwischen 1914 und 1945 befasst, sieht den Grund dafür in der tiefen Verwurzelung von Vorurteilen und Stereotypen in kollektiven Vorstellungen, die die sogenannte soziale Imago bilden. Am Beispiel von Masaryks Selbstreflexion über sein Verhältnis zu seinen jüdischen Mitbürgern verdeutlicht er, wie stark die soziale Imago – also die kristallisierten Einstellungen, die öffentliche Meinung und die Vorurteile, die die gesellschaftliche Mentalität einer bestimmten Region und Zeit widerspiegeln – emotional konditioniert ist. Das starke emotionale Element erleichtert dann den Prozess der Stereotypisierung, d. h. die Zuweisung gleicher Eigenschaften an Objekte der gleichen Kategorie ohne persönliche Erfahrung. In seiner Analyse der antisemitischen Graphik České exlibris [Tschechisches Exlibris] von Josef Váchal beschreibt Pech überzeugend, wie antijüdische Verschwörungstheorien als Katalysator für persönliche Frustrationen dienten und immer noch dienen (das psychologische Prinzip der Verlagerung emotionaler Energie von einem Zielobjekt auf ein anderes). Dieser Haltung wird dann implizit der gezielte, offensiv direkte Einsatz antisemitischer Stereotype in den Karikaturen von Künstlern wie Karel Rélink, Dobroslav Haut und Bruno Hanisch gegenübergestellt, deren künstlerischen Manifestationen sich Petr Karlíček in Obrazy nenávisti widmete. Komplexer als die Beschreibung explizit antisemitischer visueller Angriffe, zu denen in extremer Form auch entmenschlichte Darstellungen von Tieren und Monstern gehören, ist jedoch die Analyse von grenzwertigen visuellen Stereotypisierungen, die Pech im Unterkapitel Ambivalentnost vizuálního antisemitismu [Die Ambivalenz des visuellen Antisemitismus] beschreibt. Anhand von Beispielen ausgewählter Zeichnungen aus humoristischen Zeitschriften unterscheidet er eine große Skala diverser Visualisierungstypen: Darstellungen eines Ethnostereotyps, das nicht unbedingt antisemitisch ist; Stereotypisierungen, in denen die Darstellung eines Juden nicht vorkommt und dennoch z. B. andere Figuren in der Zeichnung antisemitische Inhalte an die Leser vermitteln; und scheinbar stereotype Darstellungen, die jedoch eine Kritik an der antijüdischen Rassenideologie zum Ziel haben (z. B. in den Zeichnungen von Ondřej Sekora). Als spezifische Formen von Visualisierungen werden Darstellungen erwähnt, die ein anderes Objekt als Juden kritisch fokussieren, aber unterschwellig antisemitische Inhalte vermitteln (in diesem Zusammenhang wird eine Zeichnung von Josef Lada analysiert), oder Darstellungen, bei denen die visuelle Komponente keine antisemitischen Stereotype enthält, die textliche Komponente diese allerdings vermittelt. Milan Pech zeigt in seinem Kapitel die volle Bandbreite visueller antisemitischer Erscheinungsformen, von offenen, psychologisch nicht transparenten Angriffen (K. Rélink) bis hin zu latenten Formen der Stereotypisierung, die oft nur schwer zu entziffern sind.

 

In ihrem Kapitel unternimmt Blanka Soukupová die schwierige Aufgabe, die Grenzen zwischen visuellem Antisemitismus und visuellem Antizionismus im Zeitraum 1945–1989 zu definieren. Das Kapitel ist teilweise als Polemik gegen die These von Petr Karlíček konzipiert, die er in seiner Publikation Napínavá doba, politické karikatury (a satira) Čechů, Slováků a českých Němců (1933–1953) [Spannende Zeiten, politische Karikaturen (und Satire) von Tschechen, Slowaken und tschechischen Deutschen (1933–1953)] formulierte, nämlich dass „es nach dem Zweiten Weltkrieg keinen Antisemitismus in der tschechischen, slowakischen ... oder deutschen Karikatursatire gab. Nicht einmal im Zusammenhang mit der hysterischen Kampagne beim Prozess gegen das ‚trotzkistisch-zionistische Verschwörungszentrum um Slánský‘“. Anhand ausgewählter Beispiele versucht die Autorin das Gegenteil zu beweisen, indem sie auf die Unterschiede in der Entwicklung der Judenstereotypisierung nach dem Zweiten Weltkrieg in Böhmen und Mähren einerseits und der Slowakei andererseits hinweist: „Während die tschechischen Karikaturen unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Juden als KZ-Häftlinge darstellten [...], konzentrierten sich die Karikaturen in der Slowakei vor allem auf die angespannte Situation in Palästina vor der Ausrufung des Staates Israel im Mai 1948.“ Für den tschechischen (bzw. teilweise tschechoslowakischen) Kontext skizziert die Autorin die chronologische Entwicklung antijüdischer Darstellungen, deren Meilensteine sich wie folgt umreißen lassen: die Zeit unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs / die 1950er Jahre / die 1960er Jahre / 1970–1989. Laut der Analyse stereotyper Darstellungen aus den 1950er Jahren werden einzelnen Figuren in den analysierten Zeichnungen nach nicht ganz transparenten Kriterien antisemitische physiognomische Merkmale zugeschrieben (oder auch nicht). Im Zusammenhang mit Antonín Plecs Zeichnung in der Zeitschrift Dikobraz VIII/1952 (ein Arbeiter, der eine grüne Figur des Münzen verstreuenden Kapitalisten in der Hand fest hält) heißt es, dass „die Zeichnung selbst diese Dimension [Antisemitismus] nicht aufweist“, die Figur des Franzosen in Jaroslav Pops Zeichnung in derselben Zeitschrift (XII/1956) wird jedoch eindeutig als eine stereotypisierte Darstellung eines „französischen Juden“ identifiziert, obwohl sie identische physiognomische Merkmale aufweist wie die von der Arbeiterhand zerdrückte Figur bei A. Pelc. Der Leser ist also etwas ratlos bei der Identifizierung der Stereotype. Nach Ansicht der Autorin sind die 1960er Jahre durch eher positive Darstellungen jüdischer Intellektueller wie Eduard Goldstücker oder Egon Erwin Kisch gekennzeichnet. Das verbindende visuelle Merkmal der Normalisierungsjahre (1970er Jahre) ist laut Soukupová die proarabische Karikatur, in der sich der Antisemitismus in Form des kollektiven Juden – des Staates Israel – manifestiert.

 

Im letzten Kapitel analysiert Zbyněk Tarant visuelle antisemitische Manifestationen nach 1989 hauptsächlich als Teil einer Gegenkultur, d. h. einer Subkultur, die sich seit den 1990er Jahren von dem Nachwende-Establishment abgrenzt. Genauso wie schon in Obrazy nenávisti konzentriert sich der Autor auf die relativ begrenzte antisemitische Produktion der extremen Rechten, insbesondere des neonazistischen Zweigs der Skinhead-Subkultur. Anhand ausgewählter Beispiele beschreibt er auch Phänomene, die dieser Szene nahestehen, nämlich die esoterischen Verschwörungstheorien und den so genannten Antisemitismus ohne Juden. Etwas verwirrend sind die kleinen Fehler und Verallgemeinerungen in den Bildbeschriftungen. Die Collage auf Seite 355 zeigt nicht Jan Ruml neben Petr Fiala, sondern Ivan Langer. Das „Mädchen im Abendkleid“ (das Modell Eva Herzigová?) in Dělnické listy hat das stereotype jüdische Gesicht im Ausschnitt aus dem Plakat von Hans Schweitzer eher überpudert als „gemalt“ (S. 341), was eine weitere Interpretationsdimension eröffnet. Insgesamt bietet das Kapitel von Zbyněk Tarant dem Leser jedoch einen interessanten und umfassenden Einblick in moderne Formen extremistischer antijüdischer Visualisierung.

 

Die Publikation schließt mit einem Exkurs von Alice Aron, in dem die visuellen Manifestationen des Antisemitismus auch im Bereich des Films untersucht werden. Insgesamt liegt der Schwerpunkt dieses Kapitels eher auf den Erscheinungsformen des Antisemitismus in der Kinematographie im Allgemeinen und nicht auf einer Analyse der visuellen antijüdischen Strategien, die – mit Ausnahme der Protektoratszeit – nicht sehr explizit angewandt wurden. Die Entwicklung der antisemitischen Äußerungsformen wird hier chronologisch beschrieben, beginnend mit dem Jahr 1938, als es zu ersten Repressionen kam; die Autorin beschreibt diese anhand der Schicksale der Regisseure Jiří Weiss und Hugo Haas. Die Zeit des Zweiten Weltkriegs wird in einer kurzen Analyse des deutschen Films Der ewige Jude dargestellt, der auch im Protektorat gezeigt wurde, sowie in einer Analyse des Films Jan Cimbura von František Čáp, in dem eine stereotypisierte Figur des jüdischen Gastwirts vorkommt. Nach Ansicht der Autorin waren die 1950er Jahre durch einen latenten Antisemitismus unter dem Deckmantel des Antizionismus gekennzeichnet, der sich beispielsweise in der Zurücknahme von Alfred Radoks Film Daleká cesta [Der lange Weg] oder durch erzwungene Änderungen in der Verfilmung des Romans Romeo, Julie a tma [Romeo, Julia und die Finsternis] manifestierte. Nach einer eher entspannten Phase der 1960er Jahre wird die nächste Welle antisemitischer Äußerungen in den Normalisierungsjahren durch zwei Strategien veranschaulicht: die Unterdrückung jüdischer Elemente (in den Verfilmungen der Erzählungen von Ota Pavel etwa) und die Darstellung jüdischer Charaktere als fremde und verdächtige Elemente (in der Episode Růže pro Zemana [Eine Rose für Zeman] aus der Krimiserie Třicet případů majora Zemana [Dreißig Fälle von Major Zeman]).

 

Die umfassende Monographie Obrazy zášti erfüllt, was ihre Herausgeberin in den einleitenden Worten andeutet: Sie baut in vielerlei Hinsicht auf der Kollektivmonographie Obrazy nenávisti auf; der Leser, der mit dem Buch von 2020 vertraut ist, wird häufig auf bereits formulierte Thesen und teilweise veröffentlichtes Bildmaterial stoßen. Andererseits bietet die Monografie, die von den neu eingeladenen Autoren Daniel Soukup, Daniel Baránek und Alice Aronová mitverfasst wurde, viele neue Informationen und Analysen aus dem geografischen Kontext der böhmischen Länder oder betrachtet das in Obrazy nenávisti behandelte Material aus anderen Perspektiven. Der Leser, der beide Publikationen liest, wird nahezu vollständig über die visuellen Erscheinungsformen des Antisemitismus in Mitteleuropa und den böhmischen Ländern informiert sein.

 

 

Jakub Hauser: Visual Antisemitism in Central Europe. München / Wien: De Gruyter Oldenbourg 2021, 300 S.

Eva Janáčová (Hg.): Obrazy zášti. Vizuální projevy antijudaismu a antisemitismu v českých zemích. Praha: Ústav dějin umění AV, 2022, 406 S. 


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