Es schreibt: Jitka Ludvová

(3. 1. 2018)

Der Nachlass des österreichisch-böhmischen Schriftstellers, Dramatikers, Drehbuchautors und Übersetzers Friedrich Torberg (1908 Wien – 1970 Wien) befindet sich in der Wiener Nationalbibliothek. Darunter sind auch dreiunddreißig Briefe, die Torberg mit dem tschechischen Schauspieler Hugo Haas (1901 Brünn – 1968 Wien) und seiner Frau Bibi (Marie Bibikoff, 1917 Bern – 2009 Laxenburg bei Wien) wechselte. Die Korrespondenz ist gegenseitig: Torberg schrieb mit der Maschine, so dass sich Durchschläge erhalten haben, Haas schrieb meistens mit der Hand. Die Briefe decken – mit großen Abständen – die Zeit vom Dezember 1940 bis zum Frühjahr 1962 ab, die größte Anzahl stammt aus dem Jahr 1942. Einige wurden bereits in anderen Arbeiten verwendet, vor allem in der Monografie, die der Verwalter von Torbergs Nachlass David Axmann schrieb (Friedrich Torberg: die Biografie, 2008), oder im Sammelband Die „Gefahren der Vielseitigkeit“. Friedrich Torberg 1908–1979 (2008).

 

Die Korrespondenz wurde von Katja Karnjak in Zusammenarbeit mit Aneta Horáková und der Übersetzerin Alžběta Peštová herausgegeben. Die Briefe halten anschaulich fest, welchen Bogen die Leben beider Protagonisten in zwanzig Jahren umschrieben. Beide flüchteten ins Unbekannte, geplagt von den Sorgen um ihre Prager Familien, die fast alle in den Gaskammern umkamen. Torberg gelangte in Hollywood auf eine Liste mit zehn ausgewählten Autoren, die für ihr antifaschistisches Werk bekannt waren; dies war nur ein vermeintlicher Vorteil, denn die Verträge waren formeller Art, praktisch brachten sie ihnen keine Arbeit ein und Torberg lebte während des ganzen Krieges mit Mühe von seinem Schreiben. 1951 kehrte er nach Wien zurück, wo ihm eine beachtliche Karriere gelang. Hugo Haas gelang es nur schwer, sich in New York durchzusetzen, er verbrachte die Nächte über Englischlehrbüchern und konnte sich in Hollywood erst gegen Ende des Krieges als Schauspieler, Regisseur und Produzent etablieren. Im November 1944 wohnte er bereits in einem eigenen Haus, unzufrieden mit dem ruhigen Leben: „…Ich werde, nachdem ich noch zwei oder drei Filme gemacht habe, radikale Schritte unternehmen um hier rauszukommen“ (S. 161; die Übersetzung stammt von der Herausgeberin). Die späte Rückkehr in das veränderte Europa im Jahre 1962 bedeutete wiederum einen schwierigen Schritt ins Unbekannte.

 

Den ersten erhaltenen Brief vom 30. 12. 1940 schickte Haas aus Chicago Torberg nach Hollywood. Beide schienen in Prag nur oberflächlich miteinander verkehrt zu haben, weil Haas seinen Prager Bekannten höflich siezt. Zwischen Januar und November 1941 mussten sie sich persönlich getroffen und angefreundet haben, weil sich der Ton der tschechisch (Haas) sowie tschechisch und deutsch (Torberg) geschriebenen Korrespondenz deutlich ändert. Von beiden Seiten nimmt darin vulgäres Vokabular überhand, das man besonders mit einem eleganten Filmstar wie Haas schwer in Einklang bringt. Die vulgären Ausdrücke bereiteten im Übrigen auch den Herausgeberinnen Kopfzerbrechen, sie bezeichneten sie letztendlich als eine Art eigentümlichen Humor und überlieferten sie in Gänze. In der Korrespondenz mit anderen Personen kann man sehen, dass Haas in dieser Hinsicht oft auch seine Theaterkolleginnen nicht schonte, die außerordentliche Intensität der beidseitigen Vulgarität während der amerikanischen Jahre lässt sich wohl auf die stressige Lebenssituation zurückführen.

 

Der größte Teil der Korrespondenz betrifft die aktuellen Ereignisse im professionellen Leben beider Akteure. Es mischen sich Nachrichten über bevorstehende Veranstaltungen, ein wenig Klatsch, Empfehlungen wichtiger Bezugspersonen, zahlreiche Berichte über Kontakte mit anderen Pragern in Amerika. All das kann helfen, einige Bücher und Filme zu datieren oder bestimmte Situationen zu erklären. Inhaltlich interessant und neu sind Einzelinformationen: zum Beispiel die authentische Erklärung in Torbergs Brief an Bibi Haas vom 30. 12. 1941, warum dieser „Friedrich Kantor“ (wie er nach seinem Vater hieß) seinen Namen in „Torberg“ änderte und warum er ihn ohne „h“ schrieb (später waren andere Versionen im Umlauf). Oder die Nachricht über den Schock, den der verwöhnte Haas erlebte, als er die amerikanischen Gepflogenheiten bei der geschäftlichen Besetzung von Filmrollen annehmen musste, oder als er auf der Bühne und im Film auf die amerikanische Disziplin stieß (New York, 16. 12. 1941: „Ich bin täglich 12 Stunden bei den Proben. So eine Tschochon habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Ich habe eigentlich relativ wenig zu tun, muss aber den ganzen Tag dort sein.“, S. 103, im Original Tschechisch). Interessant sind die fragmentarischen Informationen über Jan Masaryk, den beide persönlich kannten. Es scheint, dass Masaryk gelegentlich als Vermittler zwischen Europa und Amerika auch in Sachen Autorenrechte wirkte und von einigen Autoren sogar Vollmächte hatte (am 16. 1. 1942 beispielsweise schreibt Haas an Torberg über ein nicht genanntes Stück von František Langer).

 

Einer der Briefe hält einen ernsten Konflikt zwischen den beiden Freunden in einer Prinzipienfrage fest. In dem auf Deutsch verfassten Brief vom 26. 5. 1944 reagiert Torberg darauf, dass ihm wohl Haas verbot, in dessen Haus deutsch zu sprechen. „[...] Dein tschechischer Chauvinismus stört mich,“ schreibt Torberg. „[...] Du machst sogar einen Gewissenszwang daraus, Du tust so, als ob es irgendetwas mit Gesinnung zu tun haette, in welcher Sprache man spricht. Wenn da eine Gesinnung drin steckt, dann ist es die, die uns in die Emigration getrieben hat. ‚Sprecht Tschechisch ... Sprecht nicht Deutsch ... es ist eine Schande, dass wir nicht Tschechisch sprechen ...’ – ich kenn den Text, Hugo, ich kenn ihn aus dem Mund derselben Leute, die dann mit dem Henlein gepackelt haben. Der alte Masaryk, dessen Schriften ich vielleicht so gut kenne wie Du, hat nicht so gesprochen.“ (Original deutsch von Torberg, S. 154f.). Haas sah in einer undatierten kurzen Antwort ein, dass er es übertrieben hatte, und gab Torberg Recht.

 

Die Edition ist in drei Kapitel gegliedert: Sie enthält die Briefe im Original, dann alle in deutscher Übersetzung (mit Kommentaren) und alle in tschechischer Übersetzung (mit Kommentaren). Die Abschriften der Originale sind diplomatisch. Den Herausgeberinnen sind geringe Fehler in den Daten entgangen (z. B. ist der Brief auf S. 85 im Original auf den 25. 1. 1962 datiert, in den deutschen Anmerkungen auf S. 223 jedoch auf den 15. 1. 1962). Die ausführlichen Kommentare mussten oft mit der unübersichtlichen Welt der amerikanischen Filmmanager zurechtkommen und brachten eine Reihe nützlicher, bisher unbekannter Informationen. Der Druck ist weniger geglückt, im Rezensionsexemplar wurden die Seiten 49, 52–53, 56–57, 60–61 und 64 im ersten Teil, d. h. in der Originalversion der Briefe, nicht bedruckt. Zum Glück sind sie alle in den beiden Übersetzungen dupliziert, sodass das Buch seinen Zweck gut erfüllen kann.

 

Übersetzung: Katka Ringesová

 

 

Katja Karnjak (Hg.): „Milá Pampeliško“ – „Lieber Hugo“. Die Korrespondenz zwischen Hugo (sowie Bibi) Haas und Friedrich Torberg. Univerzita Palackého v Olomouci, Filozofická fakulta, Olomouc, 2014, 348 S.


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