Kristýna Solomon über tschechische Übersetzungen des deutschen Prosaromans

(, 19. 7. 2017)

Der heutige E*forums-Beitrag beschäftigt sich mit Jan K. Hons Monografie Übersetzung und Poetik. Der deutsche Prosaroman im Spiegel tschechischer Übersetzungen der Frühen Neuzeit (Heidelberg: Winter, 2016). Das Buch widmet sich der Poetik eines Genres, das im Deutschland des 15. und 16. Jahrhunderts florierte, und versucht sich ihr mithilfe der Analyse tschechischer Übersetzungen deutscher Vorlagen anzunehmen – die Monografie positioniert sich also an der Grenze zwischen tschechischer und deutscher Mediävistik. „Vor dem Hintergrund moderner narratologischer Theorien (Bachtin, Lugowski, Stierle) fragt der Autor nach der Rolle der Übersetzungen der deutschen Romane im Verhältnis zur Poetik der Zielform, der Gattung Prosaroman. Zu den Merkmalen des modernen Romans gehört die Emanzipation des Erzählers (und die damit verbundene Unterscheidung zwischen der auktorialen Stimme und der Erzählerstimme), eine klare Trennung zwischen der Ebene des Textes (deixis) von der der Paratexte sowie eine offene Semantik, welche die Lesenden zu einer eigenständigen Interpretation des Textes auffordert. Der Vergleich zwischen den Vorlagen und den Übersetzungen bringt Hon zu einer interessanten Feststellung: Am wenigsten hätten die Übersetzer in Texte eingegriffen, die im höchsten Maße die erwähnten Merkmale aufwiesen und sich somit auf dem Weg zum modernen Roman am progressivsten bewegten. [...] Und eben im innovativen Zugang zur Poetik der Übersetzung liegt der größte Beitrag dieser Studie: Die Übersetzungen als tendenzielle Randphänomene haben eine wichtige Aussagekraft in Bezug auf das Verständnis des Kerns, also der Ausgangstexte und ihrer Poetik. Sie haben das Potenzial, die Gattung zu (de)stabilisieren, die Norm zu verankern (oder entankern) oder eben die Gattung mehr in Richtung der Zielform zu bewegen (oder sie daran zu hindern).“


zpět | stáhnout PDF