Václav Smyčka über eine Arnošt Kraus-Auswahl

(, 24. 5. 2017)

Im E*forum widmen wir uns heute einer unlängst erschienenen Edition mit Texten von Arnošt Kraus, dem ersten germanistischen Literaturwissenschaftler an der Prager tschechischen Universität; unter dem Titel Arnošt Vilém Kraus (1859–1943) a počátky české germanobohemistiky [Arnošt Vilém Kraus (1859–1943) und die Anfänge der tschechischen Germanobohemistik] wurde sie von Václav Petrbok für den Academia Verlag besorgt. Die umfangreiche Anthologie umfasst Kraus‘ frühe Texte zu Werken mittelalterlicher Dichter an den böhmischen Fürsten- und Königshöfen, spätere Artikel zur Literatur an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert sowie Kraus‘ literaturhistorische Synthesen, welche seine Studien zur deutschen Literatur auf dem Boden der Tschechoslowakischen Republik bis 1848 [Německá literatura na půdě Československé republiky do roku 1848] dominieren, welche in der Reihe Československá vlastivěda [Tschechoslowakische Heimatkunde] noch in der Ersten Republik erschienen (1933). Václav Smyčka entwirft anhand von Kraus‘ Texten eine Reihe von Fragen, zum Beispiel, „ob er für das heldenhafte Bemühen, die nationalen Konflikte und mit ihnen das tschechische wie auch das deutsche romantische Modell von Literaturgeschichte zu überwinden, nicht einen zu großen Preis bezahlte, indem er kein eigenes, konzeptuell wirklich innovatives Modell von der Koexistenz der tschechischen und deutschen Literatur in den böhmischen Ländern entwickelte. Wie hätte Kraus’ ahistorisch veranlagter und gegenüber der Literatur oberflächlich gebliebener Tschechoslowakismus die Basis für eine Literaturgeschichte bieten können, die auch für die Deutschböhmen attraktiv gewesen wäre und einem Fachpublikum die Entwicklung ästhetischer Werte in der Zeit aufgezeigt hätte?“


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