Arnošt Kraus über die Erforschung tschechischer Literatur

(, 10. 5. 2017)

Im E*forum veröffentlichen wir heute Auszüge aus dem ausgedehnten wissenschaftlichen und kritischen Werk der Gründerfigur der tschechischen Germanobohemistik Arnošt Kraus (1859–1943). Sie belegen sein Interesse an einem gründlichen Studium der deutsch-tschechischen Literatur- und Kulturbeziehungen am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert. Schon seit den Anfängen der tschechischen Germanistik ist diese komparatistische Dimension praktisch bei allen Forscherinnen und Forschern omnipräsent und hängt zweifellos mit dem unmittelbaren Erleben und der kritischen Bewertung der deutsch-tschechischen „Konfliktgemeinschaft“ (Jan Křen) und Nachbarschaft zusammen. 1888 schrieb Kraus: „Solange die Geschichte unseres Geisteslebens bei der Erforschung tschechisch geschriebener Werke endet, wird es unmöglich sein, sich ein befriedigendes Bild über das Erwachen der tschechischen Literatur am Beginn unseres Jahrhunderts zu machen. Zur tschechischen Literatur gehört mit Sicherheit auch die vorangehende deutsche, besonders insoweit sie die provinzielle Richtung beschreitet, die ein Vorläufer der nationalen Richtung bei uns wie anderswo ist. Diese Literatur ist unsere Literatur; die spätere deutsche Literatur in Böhmen ist bloß eine von zwei Strömungen, in welche sich die frühere patriotische Literatur aufgeteilt hat. Zu dieser Zeit der Vorbereitung, für uns mindestens so wichtig wie die in lateinischer Sprache verfasste Literatur, ist nur allzu wenig gearbeitet worden, und es ist Aufgabe dieser Arbeit, die Aufmerksamkeit unserer Literaturgeschichtsschreiber auf diese Quellen unserer neuen nationalen Literatur zu lenken.“


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