Der Preis für deutsche BohemistInnen wurde benannt nach der vielseitigen Forscher- und Künstlerpersönlichkeit Otokar Fischers, dem ein bedeutender Platz in der Geschichte der tschechischen Germanistik, Bohemistik und der fächerübergreifenden Germanobohemistik zukommt. Fischer symbolisiert gleichfalls einen Forschungsansatz, bei dem sich eine tiefgründige Kenntnis und Analyse der Materie mit einer ästhetischen Meinung verbindet und welcher in den schöpferischen Akt einer essayistischen Behandlung des Stoffes mündet.
Otokar Fischer (20. 5. 1883 Kolín – 12. 3. 1938 Prag) war nicht nur Literatur- und Theaterhistoriker, Kritiker und Theoretiker, sondern auch Übersetzer, Dichter und Dramatiker. Er entstammte einer tschechisch-jüdischen Familie. Er studierte Germanistik und Romanistik an der Philosophischen Fakultät der tschechischen und deutschen Universität in Prag. Nach seinem Studium (1903–1904 auch in Berlin) arbeitete er in der Prager Universitätsbibliothek. Im Fach deutsche Literaturgeschichte habilitierte er sich mit der Arbeit Die Träume des |
Grünen Heinrich, 1917 wurde er außerordentlicher Professor, 1927 Professor für deutsche Literaturgeschichte an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität, 1930 wurde er Direktor des dortigen Instituts für germanistische Studien und war 1933–1934 Dekan der Philosophischen Fakultät. Fischers lebenslanges Interesse galt dem Theater. In der Spielzeit 1911–1912 war er Schauspieldramaturg am Nationaltheater Prag, 1935 bekleidete er hier die Funktion des Vorsitzenden der Schauspielkommission, ab Mai 1937 wurde er Schauspielchef des Nationaltheaters. Nachdem er vom Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich erfuhr, erlitt er einen Herzinfarkt und verstarb.
Seine fünfunddreißig Jahre andauernde pädagogische, kritische und publizistische Fachtätigkeit in tschechisch-, deutsch- und französischsprachigen wissenschaftlichen Schriften, Sammelbänden, Zeitungen und Zeitschriften, zu denen er beinahe dreitausend Beiträge lieferte, wurde von häufigen Reisen ins Ausland begleitet, und zwar zu Wissenschaftskongressen und Vorlesungen. Er ist Autor von Monografien über Heinrich von Kleist, Friedrich Nietzsche oder auch Heinrich Heine, widmete sich wesentlich auch den Klassikern der tschechischen Literatur und Literaturkritik K. H. Mácha, J. Vrchlický, O. Březina oder F. X. Šalda. Er verfasste eine Reihe bis heute fruchtbarer Artikel über den schöpferischen Akt des Dichtens und Übersetzens, über die unerklärlichen Aspekte literarischer Schöpfung, über neue literaturwissenschaftliche Strömungen im 20. Jahrhundert oder allgemein gefasste Artikel über Drama und Dramaturgie sowie über die Geschichte und Methodologie der Literaturkritik (siehe seine eigenen Essaysammlungen Duše a slovo (Seele und Wort), 1929, und Slovo a svět (Wort und Welt), 1937; das aktuellste Zeugnis über sein Wirken legt eine zweibändige Ausgabe seiner literarischen Studien und Artikel aus den Jahren 2014–2015 ab (Literární studie a stati).
Otokar Fischer zeichnete sich auch durch seine übersetzerische Tätigkeit aus – schon zu Lebzeiten galt er als einer der bedeutendsten Übersetzer der Höhepunkte westlicher Literatur und gilt mit Recht als Begründer der neuen Methode künstlerischen Übersetzens. Für die Gesamtausgabe des Werks J. W. von Goethes (1927–1932) besorgte und übersetzte er neun Bände, unter ihnen auch Faust. Neben dem Deutschen übersetzte er vornehmlich aus dem Englischen und Französischen, aber auch aus dem Russischen und Spanischen (F. Schiller, H. von Kleist, F. Nietzsche, F. Villon, Molière, Lope de Vega, A. S. Puschkin, Ch. Marlowe, R. Kipling, P. B. Shelley, W. Shakespeare u. a.). Außer theoretischen Schriften widmete sich Fischer auch eigener schriftstellerischen Tätigkeit, die sechzehn Gedichtbände und sieben Dramen umfasst.
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