Es schreibt: Václav Fronk

(6. 3. 2019)

Die Publikation Napínavá doba (Eine spannende Zeit) von Petr Karlíček mit dem Untertitel Politische Karikaturen (und Satire) von Tschechen, Slowaken und Deutschböhmen (1933–1953) wurde vom Verlag Universum herausgegeben und spricht auf den ersten Blick durch ihre Farbreproduktionen an, jedoch ist dies einer der wenigen unbestrittenen Vorteile, die diesem Titel zugesprochen werden können. Bereits einleitend sei betont, dass es sich in Wirklichkeit nicht um eine Fachmonografie handelt. Humoristisch-satirisches Schaffen wird nicht zur historischen Quelle, die Frage nach den Möglichkeiten (und Grenzen) einer solchen Nutzung der Karikatur erst gar nicht gestellt. Das Ergebnis ist deshalb nur eine thematische Übersicht von Inhalten aus verschiedenen Zeitschriften, die in einen grundlegenden faktografischen Rahmen gesetzt wurden, keinesfalls eine erschöpfende oder gar originelle Aussage über die Zeit, in der die jeweiligen Abbildungen und Texte entstanden sind.

 

Das Fehlen einer Konzeptidee überträgt sich auf die Buchgestaltung, die nicht hinreichend begründet ist. Der Versuch, die Kapitel durch kurze zusammenfassende Abschnitte einzuleiten, hilft nicht und führt zudem zu einer seltsamen grafischen Anordnung der entsprechenden Seiten (S. 85–242). Zentrale Wegmarken, wie etwa das Gleichschalten des Münchner Simplicissimus 1933, werden zwar einige Male flüchtig umrissen, aber erst im letzten Kapitel (S. 291) zumindest kurz ausgeführt (und zwar als partielle Besonderheit). Bei so einer Art Präsentation werden LeserInnen, die sich mit dieser Thematik normalerweise nicht weiter beschäftigen, die Bedeutung der Ereignisse wohl kaum verstehen. Gerade sich wiederholende Informationen und das Ablassen von nicht abgeschlossenen Themen sind nur ein charakteristischer Wesenszug der Publikation.

 

Das Vorwort von Ivan Hanousek sowie das Nachwort von Martin Veselý (Gutachter von Karlíčeks Dissertation, die an der Jan-Evangelista-Purkyně-Universität verteidigt wurde und aus der dieses Buch hervorging) unterstreichen die Zweifel am ganzen (Nicht)Konzept nur. Ähnliche Begleittexte sind gängig, wenn etwa ein Autor ein eigenes literarisches Werk herausgibt, die Einleitung (hier sehr steif) und der Schluss (fehlt gänzlich) können allerdings auch nicht weiterhelfen. Die Tatsache, dass die Ausführungen sich verlieren, ohne dass konkrete Ergebnisse vorgestellt werden, führt zum Eindruck, einziges Ziel dieses Buches sei die Präsentation des Bildmaterials.

 

Nur widerwillig wird die grundlegende Tatsache zugegeben, dass die Produktion der humoristisch-satirischen Zeitschriften in den Jahren 1933–1953/4 eher am Rande der öffentlichen Diskussion stand, die hinter den dramatischen Ereignissen der Geschichte oftmals zurückblieb, und dass die politische Karikatur nur eines mehrerer Propagandawerkzeuge war (S. 148). Einer Wertung der Relevanz ihres Einflusses auf die Gesellschaft weicht der Autor aus, wobei eine Bemerkung in Form eines Abschnitts über die Rolle der Karikatur bei den Ereignissen vom Februar 1948 (S. 278) eine Ausnahme bildet. Das „ungewöhliche Echo“ der Henlein-Zeitschrift Der Igel wird auf der Grundlage einer deutschen Studie bezeugt, die während des Zweiten Weltkriegs entstand (S. 53). Die Auflagenhöhe des Dikobraz in den 1950er Jahren wird mit dem Adverb „angeblich“ relativiert (S. 69). Dabei handelt es sich nicht um die einzige „angebliche“ Angabe, auf die wir in der Arbeit stoßen.

 

Die anonymen Konsumenten von Satire in der periodisch erscheinenden Presse haben im Unterschied zu diplomatischen Interpellationen, Demarchen oder Sicherheitsakten keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen, die man heranziehen könnte, folglich bleiben sie abseits der Aufmerksamkeit. Bei den Zeitschriften, die in den Vordergrund treten (warum wurden gerade diese ausgewählt?), unterschied sich das Leserpotenzial deutlich. Das Kollaborateursblatt Ejhle (1944–1945) kann lediglich als lebensuntaugliche Kuriosität betrachtet werden, durch die Verschiedenheit seiner Meinung wurde es jedoch zu einer der Hauptquellen gemacht. Ein solcher Zugang ähnelt allerdings einer Mystifikation, wie wenn eine Handvoll angeheuerter Komparsen bei entsprechender Kameraperspektive den Eindruck einer Massendemonstration erwecken.

 

Auffallend häufig werden die Quellen negativ bewertet. Natürlich war beispielsweise die Zeitschrift Šejdrem im Grunde nichts anderes als ein ordinäres Boulevardblättchen, aber wäre es nicht möglich gewesen, es anders anzugehen, als bloß Kriterien zu übernehmen, die denen der Vertreter der Burg-Politik aus der Zeit der Ersten Republik entsprachen? Vor allem dann, wenn Šejdrem im Zusammenhang mit Zeitschriften wie Der Igel und Ejhle, Kocúr oder dem Dikobraz der stalinistischen Ära bewertet wird. Bild- wie literarische Satire waren Produkte zum einmaligen Gebrauch, man kann von ihnen keine hohen künstlerischen Qualitäten erwarten, schon gar nicht mit einem Abstand von siebzig Jahren.

 

In den Erläuterungen überraschen streitbare Formulierungen ebenso wie klare stilistische Fehler, die noch nicht einmal an den semantisch exponiertesten Stellen vermieden werden. Gleich der erste Satz der Einführung macht uns mit der langen Tradition der politischen Karikatur in „Böhmen und der Slowakei“ bekannt (S. 9). In dieser verkürzten Verbindung werden zum einen zwei weitere historische Länder der Böhmischen Krone ausgelassen, irreführend ist in dieser Hinsicht außerdem die Aussage, die erwähnte Tradition sei im böhmischen und im slowakischen Umfeld unterschiedlich gewesen, wobei im ersten Fall zudem zwei Traditionen aufeinander getroffen seien, und zwar die tschechische und die deutsche.

 

In die slowakischen Zitate sind tschechische oder vertschechischte Ausdrücke geraten, die an den föderalen Neusprech von Gustav Husák erinnern: „Asi jako (es muss heißen: ako) keby Rodina prinutili (es muss heißen: prinútili)...“ (S. 30). Die Nationalsozialisten (!) können 1946 wirklich nicht vorbehaltlos den „nichtsozialistischen Parteien“ zugeordnet werden, obwohl sie in deren Auflistung sogar an erster Stelle stehen (S. 68). Die Begriffe „Emigration“ und „Exil“ werden synonym gebraucht. Die Wortverbindung „Emigrantenperiodika“, die im Haupttext die Zeitschriften meint, die von deutschen Flüchtlingen in Prag nach 1933 herausgegeben wurden, hat eine deutlich negative Färbung, die schon die damalige Journalistik verwendete (S. 167).

 

In der Auflistung der auf der S. V. U. Mánes-Ausstellung 1934 vertretenen Künstler wird Josef Lada fälschlicherweise der „jüngeren Generation“ zugeordnet (S. 280). Natürlich steht sein Schaffen dem des vier Jahre älteren Zdeňek Kratochvíl, den er in den Redaktionen humoristischer Zeitschriften schon vor dem Ersten Weltkrieg traf, näher als etwa dem der Brüder Čapek, Adolf Hoffmeisters oder Ondřej Sekoras.

 

Der Zeitungsartikel von Franz Tschirn über den Besuch des Reichenberger Ateliers von Hanns Erich Köhler (Erik) ist zwar vielleicht die einzige Beschreibung der Arbeit eines deutschen Karikaturisten der Kriegszeit in unserem Land, doch stammt das Zeugnis aus dem Jahre 1944. Die darin angegebenen Informationen wurden unkritisch in den Haupttext übernommen. Die Darstellung der heldenhaften Aufopferung, die der Illustrator mit seiner täglich vierzehnstündigen Anstrengung im Dienste des Reichs an den Tag lege, entspricht dabei in auffälliger Weise den Bedürfnissen der Kriegspropaganda (S. 27f.). Die Tatsache, dass Erik noch im Mai 1945 nationalsozialistisch gefärbte Karikaturen veröffentlichte, zeugt nicht zuletzt auch davon, dass er deshalb (im Unterschied zur schieren Mehrheit der Männer des Jahrgangs 1905) seinem Kampfeinsatz hatte entkommen können. Seine spätere künstlerische Karriere in der BRD ist ein Argument gegen die These: „Falls ein politischer Zeichner an eine Ideologie glaubte, die er in seinen Bildern darstellte, äußerte sich das auch in seinem Schaffen“ (S. 29). Ob die persönliche Überzeugung des Künstlers aufrichtig war oder er nur einen Auftrag erfüllte – die Illustrationen geben vor allem über die gesellschaftlichen Umstände Auskunft, unter denen es möglich war, individuelles künstlerisches Talent zu verwirklichen.

 

Die antisemitische Karikatur von 1942, auf der auch Jiří Voskovec und Jan Werich zu sehen sind, gehört zu den interessantesten im ganzen Buch. Anstelle eines erklärenden Kommentars aber wird sie ergänzt um eine irreführende (und angesichts der überdruckten Reproduktion der Illustration samt Begleittext überflüssigen) Beschreibung: „Die Portrait-Karikaturen werden von äußerst primitiven Versen begleitet (die passagenweise Jiddisch parodieren), die sich auf die Politik oder Kultur der ersten Tschechoslowakischen Republik beziehen. Die interessantesten Persönlichkeiten sind hier der Schauspieler Hugo Haas sowie die ‚Juden Voskovec und Werich‘, die zudem noch Bolschewiken waren und in Beneš‘ Auftrag die Allgemeinheit verblödeten“ (S. 193). Das unangemessene Einflechten des Zitats in den Haupttext lässt das zweckgeleitete Gerücht von der jüdischen Herkunft des Duos V + W ungeklärt, dieses wird außerdem hier durch das bolschewistische Etikett noch direkter gesteigert als im ursprünglichen Reim. Zur wirklichen (weitaus komplizierteren) Beziehung beider zur kommunistischen Ideologie fällt nicht eine Bemerkung. Die Publikation strebt offensichtlich ein breites Leserinteresse an... Im selben Kapitel können wir lesen, dass der Journalist und Politiker Jaroslav Stránský „väterlicherseits angeblich jüdische Wurzeln hatte“ (S. 186). Dabei geht es natürlich um eine Information, die leicht zu überprüfen ist und keinesfalls verschleiert werden müsste.

 

Die den Exil-Dikobraz betreffende Formulierung: „Es ist klar, dass, eine Zeitschrift zu unterhalten im Falle des Verrats seitens der Sicherheitsorgane (zumindest in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts) allerwenigstens (!) langjährige Haftstrafe bedeutete“ ist nichts anderes ist als eine unbeabsichtigte literarische Karikatur (S. 73). Die Vorstellung von Hinrichtungsopfern allein wegen Besitzes dieses Periodikums verfehlt die historische Realität.

 

Wie ist die Behauptung zu verstehen, dass der nicht zensierte Exil-Dikobraz „in vielem der durch die Nazis unterhaltenen Protektoratszeitschrift Ejhle ähnelte“ (S. 77)? Dies wird durch einige formelle Zeichen begründet. Es stimmt, dass die Beitragenden nicht unterzeichneten und die Redaktionen ein Leserinteresse vortäuschten. Aber sonst? Es gibt hier sicher noch mehr Ähnlichkeiten, von denen schon nicht mehr die Rede ist. Beide Periodika waren ohne die Unterstützung durch „fremde Kräfte“ nicht denkbar, beide richteten sich gezielt auf antikommunistische Propaganda aus. Ist es aber haltbar, das Exil nach dem Februar 1948 auf die gleiche Ebene wie die tschechische Kollaboration gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zu stellen?

 

Die verschiedensten Fehltritte gegen die Grundregeln eines publizierten Fachtexts sind dermaßen zahlreich und offensichtlich, dass sie zum Gedanken verleiten, es könne sich auch um boshafte Absicht handeln. Das Buch ist in jedem Fall eine gute Gelegenheit, über den Sinn der Arbeit eines Historikers im 21. Jahrhundert nachzudenken. Persönlich sehe ich diesen in zweierlei Grundfertigkeiten: Fragen zu stellen und Begriffe korrekt zu verwenden in einer Zeit, in der der Wille, einen echten Dialog zu führen, aus dem öffentlichen Raum schwindet und der Sinn von Worten verwischt. Eine spannende Zeit von Petr Karlíček zeigt allerdings eindrucksvoll, dass man auch ohne beides ganz gut zurechtkommt. So ist es immerhin möglich, sich auf fast genial einfache Weise mit einem Thema auseinanderzusetzen, das sonst zu den überhaupt anspruchsvollsten gehört.

 

 

Übersetzung: Daniela Pusch

 

Petr Karlíček: Napínavá doba. Politické karikatury (a satira) Čechů, Slováků a českých Němců (1933–1953). Prag: Universum, 2018, 327 S.


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