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Nominierte Titel 2017

Für den Otokar-Fischer-Preis 2017 wurden folgende Titel nominiert: 

 

 

Blahak, Boris: Franz Kafkas Literatursprache. Deutsch im Kontext des Prager Multilingualismus. Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2015 (Intellektuelles Prag im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 7), 645 S.

 

Gegenstand der Monografie ist das von Franz Kafka mündlich und schriftlich verwendete Deutsch vor dem Hintergrund der sprachtopografischen und -soziologischen Besonderheiten der Stadt Prag zu seiner Zeit. Auf textkritischer Basis trifft die Untersuchung empirisch gesicherte Aussagen über die formale Gestalt des von Kafka im Alltag verwendeten Deutsch. Welches Deutsch sprach und schrieb Kafka tatsächlich? Finden sich in seiner Prosa Reflexe eines regionalen Dialekts, Spuren der Mehrheitssprache Tschechisch oder des Jiddischen? Wo manifestiert sich ein österreichischer Standard? Und schließlich: In welchem Umfang ist Kafkas Sprache repräsentativ für das in Prag um 1910 gesprochene Deutsch? – Siehe auch das deutsch-tschechische Echo von Stefan Michael Newerkla vom 12. 12. 2016.

 

Heftrich, Urs (Hg., Übers.) / Opelík, Jiří (Hg.): Josef Čapek: Gedichte aus dem KZ. Wuppertal: Arco 2015, 192 S. (Zweisprachige Ausgabe. Deutsche Erstausgabe.)

 

Ein Maler der Avantgarde von Weltrang wurde im KZ gezwungen, für die SS kleinbürgerliche Gemälde mit röhrenden Hirschen und Alpenlandschaften zu malen. Als ein Akt der Freiheit begann Josef Čapek dagegen in Sachsenhausen mit einer von ihm bis dahin nie erprobten literarischen Form, dem Verfassen von Gedichten. Die Texte, die der Autor für seine Mitgefangenen im KZ Sachsenhausen zwischen Juni 1942 und Februar 1945 verfasste, haben sich erhalten (J. Čapek verstarb wahrscheinlich in Bergen-Belsen im April 1945) und wurden 1946 herausgegeben. Die Auswahl besorgten Jiří Opelík, der auch das Vorwort schrieb, und der Übersetzer Urs Heftrich. Nach den Zwischenkriegsübersetzungen von Povídání o pejskovi a kočičce (Geschichte vom Hündchen und vom Kätzchen, veröffentlicht unter dem Titel „Schrupp und Schlipp“, 1933) und Stín kapradiny (Schatten der Farne, 1936) ist dies die erste eigenständige Buchveröffentlichung Josef Čapeks auf Deutsch. – Siehe auch das tschechische Echo von Michael Špirit vom 9. 12. 2015.

 

Kasten, Tilman: Historismuskritik versus Heilsgeschichte – Die Wallenstein-Romane von Alfred Döblin und Jaroslav Durych. Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2016 (Intellektuelles Prag im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 11), 492 S.

 

Die beiden historischen Romane Wallenstein (1920) von Alfred Döblin und Bloudění (1929) von Jaroslav Durych wurden durch die zeitgenössische Literaturkritik kontrovers aufgenommen. Sie sind in ihrer Behandlung der Figur des böhmischen Adligen und Feldherrn Albrecht von Wallenstein nicht nur Ausdruck eines radikalen Bruchs mit den Konventionen des historischen Erzählens, beide Werke und ihre Übersetzungen sind zudem Teil des deutsch-tschechischen Literaturtransfers. Tilman Kasten geht den Analogien und Verflechtungen zwischen den Texten nach. Damit rekonstruiert er ein vielschichtiges Kapitel deutsch-tschechischer Literaturgeschichte und leistet einen Beitrag zur Erforschung moderner Geschichtskulturen.

 

Mohn, Volker: NS-Kulturpolitik im Protektorat Böhmen und Mähren. Konzepte, Praktiken, Reaktionen. Essen: Klartext 2014 (Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa, Bd. 45), 512 S.

 

Laut NS-Propaganda erlebten die Tschechen unter deutschem „Protektorat“ eine „kulturelle Blütezeit“. In offiziellen Verlautbarungen hob das Besatzungsregime mit dieser Formulierung regelmäßig die angeblich großen Möglichkeiten der Künstler hervor. Derartige Behauptungen sind natürlich ins Reich der Legenden zu verweisen. Dennoch: Der tschechischen Bevölkerung verblieben gerade im kulturellen Bereich vergleichsweise große Freiräume, ihr wurde nicht nur Propaganda zugemutet und leichte Unterhaltung vorgesetzt. Die Menschen hatten weiterhin Zugang zu nationalen Klassikern. Das Buch geht der Frage nach, aus welchen Motiven heraus sich das Besatzungsregime für diese Form der Kulturpolitik entschied. Zudem zeigt das Buch für die Bereiche Literatur, Theater, Film und Musik, wie tschechische Behörden, Institutionen und nicht zuletzt Künstler auf deutsche Maßnahmen reagiert haben. – Siehe auch die Rezension von Steffen Höhne in Bohemia, Bd. 55, 2015, Nr. 2 sowie die Rezension von Lucie Antošíková im E*forum 12. 4. 2017.

 

Reitz, Evelyn: Discordia concors: kulturelle Differenzerfahrung und ästhetische Einheitsbildung in der Prager Kunst um 1600. Berlin / Boston, Mass.: De Gruyter 2015 (Ars et Scientia, Bd. 7), 644 S.

 

Bereits um 1600 vernetzten sich die Hofkünstler Rudolfs II. in Prag über regionale und ideelle Grenzen hinweg und entwickelten eine vielstimmige, kosmopolitische Bildsprache. Im Fokus der Monografie steht der durch Migration und Exil geprägte Werdegang einer Kerngruppe niederländischer Künstler: Das der postmodernen Kulturtheorie und Soziologie entlehnte Konzept der kulturellen Differenz ermöglicht es der Autorin, die Auswirkungen der persönlichen Erfahrungen der Künstler auf die rudolfinische Kunst zu untersuchen. Dabei werden bislang unbeachtete Facetten dieser Stilbildung entdeckt, die einerseits als Antworten auf die Erfahrung kultureller Differenz und gleichzeitig auch als Ausdruck des Bemühens gedeutet werden, die kulturellen und religiösen Differenzen in einer eigenen ästhetischen Einheitsstiftung aufzuheben. – Siehe auch die Rezension von Jaqueline Klusik-Eckert in H-ArtHist vom 1. März 2016.

 

Schmeer, Veronika: Inszenierung des Unheimlichen. Prag als Topos – Buchillustrationen der deutschsprachigen Prager Moderne (1914–1925). Göttingen: V&R 2015, 330 S.

 

Das Buch ist der Buchillustration der Prager deutschen Literatur gewidmet und bringt vor allem die Arbeit zweier wichtiger Künstler nahe: Hugo Steiner-Prag und Richard Teschner. Besonders Hugo Steiner-Prag hat dazu beigetragen, das Bild der „phantastischen“ Stadt Prag, wie sie schon Grillparzer bezeichnet hat, in seinen Illustrationen zu manifestieren und zu kolportieren. Die verschiedenen Aspekte der Wort-Bild-Bezüge ausgewählter Werke in ihrem geschichtlichen Kontext und in Bezug auf die Inszenierung eines Prager Stadtbildes stehen im Fokus der Untersuchung.