Aktuelles im IPSL

Václav Petrbok schreibt über Ignác Leopold Kober (10. 4. 2024)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums befasst sich mit der Publikation Zuzana Urválkovás mit dem Titel Tajemství úspěchu. Německojazyčná knižnice Album nakladatele Ignáce Leopolda Kobra v širších literárních souvislostech [Das Geheimnis des Erfolgs. Die deutschsprachige Bibliotheksreihe Album des Verlegers Ignác Leopold Kober in einem breiteren literarischen Kontext], die 2022 im Brünner Verlag Host erschienen ist. „Zuzana Urválková ist es gelungen, eine faszinierende Publikation nicht nur über den Verleger Kober und seine verdienstvolle Belletristik-Edition zu verfassen, sondern auch die eher immer noch nur geahnten Konturen der literarischen Landschaft der böhmischen Länder in den 1850er Jahren überzeugend darzustellen, die trotz des politisch repressiven Regimes in beiden Sprachen effektiv zum Wohle der Kultur des gemeinsamen Landes zusammenwirkten.“

Mirek Němec schreibt über den neuesten Roman Daniel Kehlmanns (28. 3. 2024)

Der nächste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigt sich mit dem neuen Roman von Daniel Kehlmann mit dem Titel Lichtspiel, den im Jahre 2023 der Hamburger Rowohlt Verlag herausgab. „Das Schicksal des Romanhelden und seiner Angehörigen zeigt, dass Ohnmacht noch lange keine Machtlosigkeit ist. Es scheint also besser zu sein, sein Talent und seine Kreativität (ganz oder nur zeitweise) aufzugeben, als zur Marionette eines unmenschlichen politischen Regimes zu werden. Die Taten der Machtlosen führen zwar nicht zwangsläufig zur Kollaboration, aber sie werden keineswegs mit einem glücklichen Familienleben oder dem Seelenfrieden einer sinnvollen künstlerischen Arbeit belohnt, die Erfüllung und Befriedigung bringt. Letztlich bleibt aber die Frage, ob und wie viel Macht die Machtlosen im Totalitarismus wirklich haben.“

Marie Krappmann schreibt über die Stereotypisierung des Judentums (22. 2. 2024)

Der nächste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums befasst sich mit der Publikation Obrazy zášti. Vizuální projevy antijudaismu a antisemitismu v českých zemích. Die tschechische Übersetzung wurde von Eva Janáčová a Jakub Hauser 2022 herausgegeben. „Die umfassende Monographie Obrazy zášti erfüllt, was ihre Herausgeberin in den einleitenden Worten andeutet: Sie baut in vielerlei Hinsicht auf der Kollektivmonographie Obrazy nenávisti auf; der Leser, der mit dem Buch von 2020 vertraut ist, wird häufig auf bereits formulierte Thesen und teilweise veröffentlichtes Bildmaterial stoßen. Andererseits bietet die Monografie, die von den neu eingeladenen Autoren Daniel Soukup, Daniel Baránek und Alice Aronová mitverfasst wurde, viele neue Informationen und Analysen aus dem geografischen Kontext der böhmischen Länder oder betrachtet das in Obrazy nenávisti behandelte Material aus anderen Perspektiven. Der Leser, der beide Publikationen liest, wird nahezu vollständig über die visuellen Erscheinungsformen des Antisemitismus in Mitteleuropa und den böhmischen Ländern informiert sein.“

Andreas F. Kelletat schreibt über Ludvík Kundera (7. 2. 2024)

Der nächste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Publikation Berlin – Konstantinopel gewidmet, die anläßlich des 100. Geburtstags von Ludvík Kundera im Jahre 2020 im Arco Verlag erschienen ist, und die Eduard Schreiber ins Deutsche übersetzte. „Als Germanist und Translationshistoriker konnte ich Einblicke gewinnen in eine besonders intensive Zusammenarbeit zwischen zwei Übersetzern, denen das Hin und Her aus dem Deutschen und ins Deutsche weit mehr war als ein mehr oder weniger schlecht bezahlter Job. Eine Bitte noch hätte ich: Könnten nicht von Schreiber/Radonitzer jene Briefe zusammengetragen und in kluger Auswahl und knapp kommentiert im Arco Verlag veröffentlicht werden, die sich Kundera und seine deutschen Dichter durch viele Jahrzehnte geschrieben haben? Auch weil die beiden beim Abwärtsweg von Kunderas ‚Cháta‘ einmal auf das Briefeschreiben kamen, und Kundera zu ihm sagte: ‚wir haben miteinander wohl auch schon einen schönen Packen. Mit uns wird das Briefeschreiben wohl aussterben' (S. 83).

Marie Brunová schreibt über Max Zweig (11. 1. 2024)

Der nächste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Publikation Dramatik Max Zweig – prorok nového humanismu gewidmet, die die Olmützer Judaistin Ivana Cahová verfasste, und die 2021 im Olmützer Universitätsverlag erschienen ist. „Wie die Autorin in der Einleitung ihres Buches schreibt, war es das Ziel ihrer Monographie, ‚die Texte und ihren Autor sichtbar zu machen und sie vor allem der tschechischen wissenschaftlichen Gemeinschaft und dem tschechischen Leser zugänglich zu machen‘ (S. 16). Im Falle der vorliegenden Monographie ist ihr das zweifellos gelungen. Nicht nur das, sie hat es auch geschafft, die deutschsprachige Literatur in Israel in der tschechischen Öffentlichkeit bekannt zu machen.“

Robert Saudek schrieb über die Poesie des Magens (3. 1. 2024)

In der ersten Ausgabe des deutsch-tschechischen E*forums in diesem Jahr legen wir unserer Leserschaft den Text von Robert Saudek mit dem Titel Die Poesie des Magens vor, der am 28. August 1910 im Berliner Tagblatt erschien. „Wenn ein Deutscher aus dem Reich die Reisebekanntschaft eines Österreichers macht, so kommen die Herrschaften mit Naturnotwendigkeit zu dem alten Thema: Berlin–Wien. So dumm beide auch sein mögen, das eine erkennen sie bald, daß weder über die Schönheiten der Ringstraße noch über die Marmorpuppen des Tiergartens etwas Neues gesagt werden kann. Nur über die Verschiedenheit des Essens in beiden Ländern weiß ein jeder Bände zu erzählen.“

Der Otokar-Fischer-Preis – 5. Jahrgang (15. 12. 2023)

Das Institut für Literaturforschung vergibt zusammen mit dem Münchner Adalbert Stifter Verein im Jahr 2024 bereits zum fünften Mal einen Preis für je eine herausragende deutschsprachige und tschechischsprachige geisteswissenschaftliche Arbeit zu germanobohemistischen Themen. Ziel des Preises ist es, die bedeutendsten deutschsprachigen Arbeiten mit tschechischer Thematik auszuzeichnen und zugleich auf tschechischsprachige Arbeiten aufmerksam zu machen, die zu einer tieferen Kenntnis der Geschichte der deutschsprachigen Bevölkerung in den böhmischen Ländern beitragen. Der Preis, der nach dem bedeutenden Bohemisten, Germanisten und Förderer der Germanoslawistik Otokar Fischer benannt ist, wird in Anwesenheit der Preisträger und der Jury am 21. 5. 2024 im Goethe-Institut Prag feierlich überreicht. Mehr Informationen unter www.ipsl.cz/ofp, eine Pressemitteilung finden Sie hier / im Anhang. Einsendeschluss für Vorschläge ist der 31. Januar 2024.

Václav Maidl schreibt über Otfried Preußler (22. 11. 2023)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellt Václav Maidl die neue Biographie von Carsten Gansel über Otfried Preußler mit dem Titel Kind einer schwierigen Zeit: Otfried Preußlers frühe Jahre vor, die im Jahre 2022 im Berliner Galiani Verlag erschien. „Gansel geht gründlich auf das Thema ein: Er untersucht nicht nur Preußlers familiären Hintergrund (den Eltern, insbesondere Josef Preußler, der bis 1941 eigentlich Syrowatka hieß, widmet er 50 Seiten, wobei noch weitere zahlreiche Passagen folgen, die das Schicksal der Eltern nach 1945 darstellen), sondern er nutzt auch die Funde aus deutschen und russischen (sowjetischen) Archiven, die Preußlers Einberufung zur Wehrmacht, Grundausbildung und Offiziersausbildung, Berufung an die Ostfront, Gefangenschaft und die mehrjährige Inhaftierung in sowjetischen Gefangenenlagern dokumentieren. Genauso penibel verfolgt er dann Preußlers Schaffen und die Umstände der Entstehung dessen Texte: Seit den ganz frühen Texten (er erwähnt sogar den zweiseitigen Beitrag Lieber Soldat! In der Zeitschrift Kameraden. Sudetendeutsche Briefe an Wehr- und Werkmänner von 1940) bis zur Entstehung und Veröffentlichung des Romans Krabat (1971).“

Otto Pick schrieb über die Lage der deutschen Schriftsteller in der ČSR (2. 11. 2023)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums präsentieren wir den Artikel vom Schriftsteller und Übersetzer Otto Pick mit dem Titel Deutsch-tschechoslowakisches Literaturschicksal, der im April 1929 in der Prager deutschen Zeitschrift Die Wahrheit erschien. „Der bedeutendste schweizerische Literaturkritiker Eduard Korrodi hat einmal die Situation der deutschen Schriftsteller aus der Schweiz folgendermaßen definiert: ‚Da unser deutschschweizerisches Literaturschicksal unsere Zunge zu deutschen Lauten vorbestimmt hat, muß es jede Begabung in der Hand haben, im deutschen Schrifttum aufzugehen, ohne ihren Ursprung zu verlieren. Das aber ist tintenklar, man muß den Kulturkreis miterleben, wenn man darin Stimme haben will.‘ Der deutsche Dichter und Schriftsteller aus der Tschechoslowakei befindet sich in einer ähnlichen Lage und sieht sich vor die gleiche Entscheidung gestellt wie der schweizerische.“

Erkan Osmanović schreibt über die mährische Moderne (18. 10. 2023)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmen wir uns dem Buch von Alžběta Peštová mit dem Titel Mährische Moderne. Ein Beitrag zur regionalen Literaturgeschichte der Böhmischen Länder, das 2022 im Peter Lang Verlag erschien. „Mit dem Jahr 1911 lässt Alžběta Peštová die Moderne enden – zumindest die Mährische Moderne. Es sind Großstädte wie London, Wien, Paris oder Berlin, die den meisten Menschen einfallen, wenn sie an die Literatur der Jahrhundertwende oder Moderne denken. Moderne also nur in diesen Großstädten? Nein.“

Anja Bunzel schreibt über August Wilhelm Ambros (20. 9. 2023)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmen wir uns dem Buch von Markéta Štědroňská mit dem Titel August Wilhelm Ambros. Wege seiner Musikkritik, -ästhetik und –historiographie aus dem Jahre 2021. „Das Buch zeichnet sich durch viele interessante Illustrationen, ein äußerst sorgfältiges Lektorat, eine ansprechende Gestaltung und ein überaus hilfreiches Personen- und Werkregister aus. Es ist allen Personen wärmstens zu empfehlen, die sich für August Wilhelm Ambros, für das Wiener und/oder Prager Musik- und Kulturleben des 19. Jahrhunderts sowie für (Musik)geschichtsschreibung im Allgemeinen interessieren. Für den Preis von 50 Euro ist es zwar nicht unbedingt als Gelegenheitsanschaffung erschwinglich; es ist jedoch in mehreren Prager (und auch anderen) Bibliotheken verfügbar.“

Alfrun Kliems schreibt über postkommunistische Schreibweisen (6. 9. 2023)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums bringen wir die Besprechung der Publikation Postkommunistische Schreibweisen. Formen der Darstellung des Kommunismus in Romanen zu Beginn des 21. Jahrhunderts von Alena Heinritz, die im Jahre 2021 in Heidelberg erschien. „Insgesamt weist die Studie die angelegte Spannung zwischen der bereichernden Weite und stets drohenden Überforderung komparatistischer Arbeiten auf. Von den sieben Romanen, die im Zentrum der Betrachtung stehen, sind vier russischsprachig; der gebürtige Bulgare Trojanow hat seinen Text auf Deutsch verfasst, Topol schreibt Tschechisch, Greveillac Französisch. Die Begründung für diese Gewichtung klingt durchaus schlüssig (S. 15): Während sich die russischsprachigen Texte mit der sowjetischen Vergangenheit und deren Nachhall als dem Epizentrum des (europäischen) Kommunismus befassen, für die auf Russisch schreibende Belarusin Svetlana Aleksievič dies geradezu die Sprache des Kommunismus und seines Diskurses sei, sollen Topol und Trojanow die ‚Satellitenstaaten‘ vertreten, Greveillac für die Produktivität des Themas auch in ‚nicht-postsozialistischen Literatursystemen‘ stehen.“

Jan Budňák schreibt über die Prager deutsche Literatur (25. 8. 2023)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Monographie Das Habitat der mondblauen Maus. Eine feldtheoretische Untersuchung der pragerdeutschen Literatur (1890–1938) gewidmet, die Haimo Stiemer zusammenstellte und der Verlag Königshausen&Neumann im Jahre 2020 herausgab. „Stiemers literaratursoziologische Herangehensweise an die Prager deutsche Literatur – so theoretisch reflektiert und durchdacht sie auch sein mag – drängt die einheitlichen Kriterien für die deutschen Literaturen der böhmischen Länder, die das erwähnte Handbuch prägt (nämlich Interkulturalität und deren Erscheinungsformen in einem, in sich vielfältigen Raum der böhmischen Länder) wieder mal an den Rand.“

Steffen Höhne schreibt über die habsburgische Aufklärung (2. 8. 2023)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellt die Arbeit zur habsburgischen Aufklärung mit dem Titel Aufklärung habsburgisch. Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750-1850 des deutschen Historikers Steffen Höhne vor, die 2020 im Wallstein-Verlag erschien. „Treffend rekonstruiert wird zunächst die Verschiebung der vaterländischen Loyalität von Regnum zur Patria eben durch die Aufklärung im 18. Jahrhundert. Neben ältere Referenzgrößen wie Vaterlandsliebe, Dynastie und Katholizismus traten territoriale und sprachpatriotische Bezugspunkte (S. 23f.), was der Verfasser exemplarisch an zwei zeitlich auseinanderliegenden Texten von Joseph von Sonnenfels 1771 (S. 25) und von Johann Rudolf Chotek 1839 (S. 28) herauszuarbeiten weiß. Aus den sich herausbildendenden Landespatriotismen im Kontext eines mehrsprachigen Vaterlandsentwickelten sich rivalisierende Vergangenheiten seiner Nationen (S. 30f.).“

Vlasta Reittererová schreibt über Bedřich Smetana (20. 7. 2023)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums behandelt den ersten Teil aus der Edition von Tage- und Notizbüchern von Bedřich Smetana, den unter dem Titel Bedřich Smetana. Deníky – Diaries I (1840–1847) Olga Mojžíšová und Tomáš Bernhardt im Jahre 2022 herausgaben. „Der eigentliche Text des Tagebuchs umfasst die Seiten 285–600, die tschechische Übersetzung mit ausführlichen Kommentaren wurde neben dem deutschen Original abgedruckt. Die Ausgabe zeugt von sorgfältiger redaktioneller Arbeit, der Anmerkungsapparat ist außerordentlich gründlich und detailliert. Die zweisprachige bzw. dreisprachige Version der Ausgabe macht diese Quellen auch ausländischen Forschern und überhaupt allen, die sich für die Person und das Werk Smetanas interessieren, zugänglich. An den Übersetzungen beteiligten sich Mark Andrew Newkirk (Englisch), Magdalena Havlová und Lenka Vodrážková (Deutsch). Bemerkenswert ist der Bildanhang, der neben Familienporträts und Faksimiles früher Kompositionen auch zeitgenössische Darstellungen von Orten in Pilsen bietet, die mit Smetanas Aufenthalt in Verbindung stehen. Aufmerksamkeit verdienen auch beide Vorsatzblätter – auf dem oberen Vorsatz befindet sich eine historische Karte von Pilsen und seiner Umgebung, auf dem unteren hingegen ein zeitgenössischer Stadtplan mit beigefügter Legende. Man kann nur hoffen, dass die nächsten beiden Bände, die Smetanas Tagebücher aus der Zeit in Schweden (1856–1862) und aus den zwei Jahrzehnten nach Smetanas Rückkehr nach Böhmen (1862–1883) enthalten sollen, nicht lange auf sich warten lassen.“

Matouš Jaluška schreibt über Flugschriften (12. 7. 2023)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Monographie Jiří Černýs mit dem Titel Die Flugschriften der Frühreformation aus Nord- und Nordwestböhmen gewidmet, die 2021 der Peter Lang Verlag herausgab. „Im Mittelpunkt der Monographie stehen zehn erhaltene Flugschriften der Reformationszeit, die sich auf Joachimsthal, Bensen, Elbogen und Tetschen vor 1525 beziehen; dieser Textgruppe wurde als elfter ein deutscher Text beigefügt, mit dem der Administrator des Prager Erzbistums Jan Žák im Namen des Kapitels auf die 1523 in Elbogen erlassene reformatorische Kirchenordnung reagierte. Damit begeben wir uns unter die Verwaltung der Familien Schlick und Salhausen, zweier Reichsfamilien mit Besitztümern in den Grenzgebieten des böhmischen Königreichs, die sich sehr bald der Reformation anschlossen.“

Marek Fapšo schreibt über Bernard Bolzano (28. 6. 2023)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Biografie Kurt. F. Strassers mit dem Titel Bernard Bolzano (17811848). Ein böhmischer Aufklärer gewidmet, die 2020 im Böhlau Verlag erschien. „Auf biografischer Ebene handelt es sich um ein Buch, das den aktuellen Wissensstand nicht wesentlich bereichert. Der spezielle biografische Teil bildet nur einen bestimmten Teil des gesamten Textes und befasst sich vor allem mit Bolzanos Kindheit und Jugend, mit seinem kritischen Verhältnis zur Philosophie von Kant sowie mit einigen Momenten aus seiner pädagogischen Karriere. Mehr Aufmerksamkeit widmet der Autor Bolzanos Entscheidung, Priester zu werden, sowie der Auswirkung dieser Entscheidung auf seine wissenschaftliche Tätigkeit (im Bereich der Mathematik und Logik). Überraschenderweise und zu Recht weist er darauf hin, dass es in Bolzanos Fall um keinen Widerspruch zwischen Wissenschaft und Religion gehe, sondern dass es sich zu dieser Zeit um eng miteinander verbundene Phänomene handle.“

Antonín Machát schrieb über die Donau (15. 6. 2023)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmen wir uns dem Kultur- und Bildungsarbeiter Antonín Machát und seinem Lobgesang auf die Donau aus dem Jahre 1935. „Die Donau ist heute ein Schlagwort, das zur Verbrüderung der an diesem großen Strom ansässigen Staaten und Völker führen sollte. Das größte Hindernis für diesen wirtschaftlichen Zusammenhalt ist das Gespenst des Monarchismus. Mit dieser verrosteten Waffe wird von Menschen gedroht, die ihre Augen vor dem wahren Stand der Dinge verschließen, er kann aber nicht ignoriert werden, auch wenn diese Menschen lauthals viele Phrasen benutzen. Wirtschaftliche Not wird (nach der Sicherung der politischen Souveränität) früher oder später eine echte Annäherung und Verständigung der Nationen erzwingen. Kein Land ist heute autark, nicht einmal ein so großes Land wie Deutschland. Dieses Wissen dringt allmählich auch in jene Kreise vor, die bis vor kurzem glaubten, ihr Glaube sei nicht zu erschüttern.“

Marie Krappmann schreibt über die Bilder des Hasses (1. 6. 2023)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der kollektiven Monographie mit dem Titel Obrazy nenávisti. Vizuální projevy antisemitismu ve střední Evropě [Bilder des Hasses. Visuelle Manifestationen des Antisemitismus in Mitteleuropa] gewidmet, die Jakub Hauser und Eva Janáčová im Prager Verlag Artefactum 2020 herausgaben. „Trotz der Tatsache, dass insgesamt elf Autoren aus mehreren Ländern an dem Buch mitgearbeitet haben, hat es eine ziemlich klare Struktur, die durch zwei Achsen, eine diachrone und eine thematische, definiert ist. Den Ausgangspunkt auf der Zeitachse stellt das 13. Jahrhundert dar; so weit geht Jan Dienstbier im ersten Kapitel mit dem Titel Die Metamorphosen der ‚Judensau‘ zurück. Die beiden letzten Kapitel von Zbyňek Tarant und Iwona Kurz über die aktuelle Entwicklung des visuellen Antisemitismus in Tschechien und Polen bilden dann den Abschluss.“

Václav Maidl schreibt über Lenka Reinerová (17. 5. 2023)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist dem Buch Lenka Reinerová und die Zeitschrift „Im Herzen Europas“ der französischen Germanistik Hélène Leclerc gewidmet, das der Böhlau-Verlag im Jahre 2022 herausgab. „Die Monographie stellt den Höhepunkt einer fast fünfzehnjährigen Auseinandersetzung mit der Person und dem Werk von Lenka Reinerová dar, indem sie einen bisher vernachlässigten Aspekt thematisiert: Leclerc beschäftigt sich hier mit Reinerová als Journalistin und mit ihrer Wirkung in der Redaktion der deutschsprachigen Zeitschrift Im Herzen Europas, die in Prag von 1958–1971 veröffentlicht wurde. Leclerc nahm sich des Themas sehr gewissenhaft an: Sie las und analysierte einerseits alle Nummern der oben erwähnten Zeitschrift, andererseits auch der Zeitschrift Wir und Sie im Herzen Europas, die von denselben Herausgebern in den Jahren 1961–1970 speziell für österreichische Leser herausgegeben wurde, sie hatte jedoch auch die Gelegenheit, in den noch nicht erschlossenen Nachlass von Lenka Reinerová Einsicht zu nehmen, dessen tschechisch sprachiger Teil sich im Literaturarchiv des Museums für tschechische Literatur (Literární archiv Muzea české literatury, früher Památník písemnictví) und der deutschsprachige Teil wiederum in der Akademie der Künste in Berlin befindet.“

Aleš Urválek schreibt über den Sammelband zur Wiener Moderne (5. 5. 2023)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist dem Sammelband Kulturkritik der Wiener Moderne (1890–1938) gewidmet, den Barbara Beßlich und Cristina Fossaluzza im Jahre 2019 im Heidelberger Universitätsverlag Winter herausgaben. „Obwohl sich die Herausgeberinnen des Sammelbandes bewusst sind, dass die Autoren der Wiener Moderne um 1890 sich in der ästhetischen Selbstreflexivität der modernen Form vom literarischen Werk relativ einig waren und dann in den späteren Stadien ihres Schaffens durchaus keine einheitlich verbindlichen poetischen und weltanschaulichen Programme formulierten, wollen sie diese Phase nicht unbehandelt lassen. Dem Leser bietet sich somit eine Konstellation der Wiener Moderne an, die der der Romantik in vielerlei Hinsicht ähnlich ist: Auch viele Romantiker vollzogen nämlich zwischen der Früh- und Spätphase ihres Schaffens einen großen Wandel vom selbstreflexiven (vor-)modernen Schreiben und Denken hin zu kulturkritischen Diagnosen und konservativen Einstellungen, die oft stark politisch motiviert waren.“

Kristina Kaiserová schreibt über die Habsburger Monarchie (12. 4. 2023)

Im neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmet sich die Rezensentin Kristina Kaiserová der Publikation Vielfalt ordnen. Das föderale Europa der Habsburgermonarchie (Vormärz bis 1918) [tsch. Řád v rozmanitosti: Dějiny federalismu v habsburské monarchii od doby předbřeznové do roku 1918, Argo, 2022] der deutschen Juristin und Historikerin Jana Osterkamp, die im Jahre 2020 der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht herausgab, wonach ein Jahrs später die zweite Ausgabe folgte. „Das Zentrum der Studie bilden die Jahre von 1867 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, in denen sich die Lage rasant veränderte. Die neu gegründete Konföderation entwickelte sich in beiden Teilen der Monarchie recht unterschiedlich, was auch daran lag, dass in Cisleithanien mehrere „selbstständige“ Einheiten miteinander kooperieren mussten, während in Transleithanien eigentlich Ungarn dominierte. Das föderale Prinzip war in Cisleithanien daher viel stärker ausgeprägt, obwohl es zunehmend mit den nationalen Interessen einzelner Länder sowie innerhalb dieser kollidierte – vgl. die Situation in den böhmischen Ländern. Die tschechische Frage in der Form des Trialismus versteht die Autorin jedoch nur als eine von vielen Fragen, mit denen die Habsburgermonarchie in dieser Hinsicht zu kämpfen hatte, obwohl die tschechischen Angelegenheiten bestimmt zu den wichtigsten gehörten.“

Ingeborg Fiala-Fürst schreibt über die Übersetzung von Brods Lyrik (6. 4. 2023)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Auswahl aus dem lyrischen Werk Max Brods gewidmet, die Zlata Kufnerová übersetzte und unter dem Titel Touha [Die Sehnsucht] im Jahre 2021 im Verlag Prostor herausgab. „Dass Brod auch „Gedichte“ geschrieben hat, wissen die wenigsten, und es hat mich viel Arbeit gekostet, Hans-Gerd Koch, den Verleger von Brods ausgewählten Werken im Wallstein-Verlag, davon zu überzeugen, den zwölf Bänden (Romane und Essays) wenigstens einen Band mit lyrischen Texten des Autors hinzuzufügen. 2016 ist es letzten Endes gelungen, der Band trägt den Titel Das Buch der Liebe und es bringt nicht nur Brods lyrische, sondern auch seine dramatischen Texte.“

Michaela Peroutková schreibt über Erinnerungen an den Mai 1945 (23. 3. 2023)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums befasst sich mit der zweisprachigen Veröffentlichung Mai 1945 in der Tschechoslowakei. Erinnerungen jenseits und diesseits der Grenze. / Květen v Československu. Vzpomínky na jedné i druhé straně hranice, die 2020 von Kateřina Kovačková herausgegeben wurde. „Die Herausgeberin konzentrierte sich vor allem auf Erlebnisse im Zusammenhang mit der Vertreibung deutschsprachiger Bevölkerung aus Böhmen und Mähren oder deren Verfolgung. Wie der Untertitel der Publikation bereits andeutet, werden hier einerseits die Erinnerungen derer festgehalten, für die das Kriegsende einen grundlegenden Wendepunkt in ihrem Leben bedeutete, die ihre Heimat verloren und sich an eine neue Umgebung anpassen und ein neues Leben beginnen mussten. Es werden hier andererseits auch Erzählungen derer aufgezeichnet, die in der Tschechoslowakei geblieben sind oder hier ihre neue Heimat gefunden haben, allerdings unter widrigsten Umständen.“

Peter Becher schreibt über Die Tigerin (8. 3. 2023)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums befasst sich mit der Neuausgabe von Walter Serners Roman Die Tigerin aus dem Jahr 2020. Den Roman, der zuerst 1925 in Berlin erschien, hat zur Neuausgabe der Arco Verlag vorbereitet. „Die Neuausgabe der Tigerin enthält ein anregendes Nachwort von Alban Nikolai Herbst, zusammenfassende Nachbemerkungen des Verlegers Christoph Haacker und eine kompakte Dokumentation der Rezeptionsgeschichte des Romans, einschließlich der Verbotsanträge und der Verteidigungsschriften u. a. von Alfred Döblin, Kasimir Edschmid und Max Herrmann.“

Mirek Němec schreibt über Schulvereine in Böhmen (22. 2. 2023)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Publikation Der nationale Schulkampf in Böhmen. Schulvereine als Akteure der nationalen Differenzierung (1880–1918) von Mikuláš Zvánovec gewidmet, die 2021 im Verlag de Gruyter erschienen ist. „Obwohl der Bildungsbereich und damit auch die Einflusssphäre beider behandelter Organisationen [Deutscher Schulverein (DSV) und die Ústřední matice školská (ÚMŠ)] eine grundlegende Kategorie im tschechisch-deutschen Konflikt darstellt, geht es dem Autor nicht um deren erschöpfenden Vergleich. Im Vordergrund seines Interesses steht die Frage, wie beide Schulvereine auf die Herausforderungen eines sich modernisierenden Vielvölkerstaates zur Zeit der anfänglichen Entwicklung der Bürgergesellschaft reagierten.“

Kurt Ifkovits schreib über Jiří Georg Jilovský (8. 2. 2023)

Im neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums schreibt Kurt Ifkovits über die Publikation von Arno Pařík, die der Persönlichkeit des Malers und Graphikers Jiří Georg Jilovský gewidmet ist. Die Publikation mit dem Titel Jiří Georg Jilovský 1884–1958. Pražský malíř a grafik gab im Jahre 2020 der Prager Verlag Arbor Vitae heraus. „Jilovský war, wie auch der Autor betont, kein Bilderstürmer – vielmehr ein grundsolider, technisch unglaublich versierter Handwerker, der hervorragende Arbeiten im Stil einer für den deutschböhmischen Markt (gerade noch) akzeptablen (also gemäßigten) Moderne anfertigte. Dies war freilich auch lebensnotwendig. Denn der Markt und seine Kunden (im konkreten Fall: Prager Intellektuelle, vor allem Ärzte, Juristen und Unternehmer, aber auch Institutionen wie das Prager Deutsche Theater) vertrugen keine radikale Moderne.“

Markus Grill schreibt über Berthold Viertel (1. 2. 2023)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Publikation Katharina Pragers mit dem Titel Berthold Viertel. Eine Biografie der Wiener Moderne gewidmet, die 2018 im Böhlau Verlag erschienen ist. „Im Laufe von rund 50 Jahren sammelte Viertel zahlreiche Selbstzeugnisse an. Zusammengefügt und veröffentlicht hat er sie nie: Er ist ein ‚Autobiograf ohne Autobiografie‘ (S. 28), wie Prager feststellt. Dem Germanisten Herbert Staud folgend, der Vorarbeiten zu den autobiographischen Dokumenten geleistet hat, fasst sie diese unter der Bezeichnung ‚autobiografisches Projekt‘ (S. 21) zusammen. Es bildet den Ausgangspunkt ihrer Studie.“

Emil Saudek schrieb über Poesie (18. 1. 2023)

Im neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums bringen wir die Nachricht über zwei neu erschienene Publikationen mit Texten des Literaturvermittlers Emil Saudek und einen Auszug mit seinem Kommentar und seiner Übersetzung ausgewählter Gedichte. „Zwei Dichter der modernsten deutschen Literatur sind von uns gegangen, leider – und beide sind dem unerbittlichen Mars zum Opfer gefallen. Ihr Schicksal ist so ergreifend, dass wir alle, welcher Nationalität auch immer, die wir uns zu der einen, gemeinsamen Familie der nunmehr verwaisten allgemein menschlichen Kultur zählen, ihre Gräber nicht übergehen dürfen. Ernst Stadler, geboren am 11. August 1883 in Colmar, fiel im November 1914 auf den Schlachtfeldern im Westen. Georg Trakl, geboren am 3. Februar 1887 in Salzburg, starb am 3. November 1914 in Krakau. Ernst Stadler, sagt sein deutscher Kritiker, überwältigte seine Zeitgenossen durch die Pracht und die Meisterschaft seines Wortes und noch mehr durch die Kraft seiner moralischen Leidenschaft und die Freiheit seines Geistes.“

Miroslav Zumrík schreibt über Arnošt Vilém Kraus (29. 12. 2022)

Der diesjährige letzte E*forum-Beitrag ist ein Text von Miroslav Zumrík über den Sammelband Arnošt Vilém Kraus (1850–1943). Wissenschaftler und Kulturpolitiker: „[...] Im Falle von A. V. Kraus verlief der Kulturtransfer an der Achse Böhmen, Deutschland und Skandinavien (v. a. Dänemark). In seiner Tätigkeit als Wissenschaftler, Pädagoge und Vermittler konzentrierte er sich auf historische, soziale und kulturelle Einflüsse, Impulse und Querschnitte. Dänemark diente Kraus des Öfteren – wie man im Vorwort der Publikation lesen kann – als ein gewisses tertium comparationis, der philosophisch unvermeidbare dritte Referenzpunkt, der es dem Beobachter ermöglicht, in der Beziehung zweier Entitäten auf potenziell übersehene Momente aufmerksam zu werden, neue Bezugspunkte dazu zu entdecken, über diese Beziehung neu nachzudenken, und die zukünftige Gestaltung dieser Beziehung zu beeinflussen. Diese zwei verglichenen Entitäten sind bei Kraus die geschichtlich und politisch miteinander verwachsene tschechische und deutsche Kultur. Nicht nur im Untersuchungszeitraum wies diese historische und kulturelle Koexistenz Anzeichen von Spannung, Machtasymmetrie, von Konflikten und Zerspaltung auf, trotz – oder gerade infolge – der territorialen Nähe. [...]“.

Lenka Vodrážková schreibt über Luthers Deutsch (8. 12. 2022)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Publikation Luthers Deutsch in Mittel- und Osteuropa gewidmet, die Christine Ganslmayer, Helmut Glück und Hans-Joachim Solms im Jahre 2021 im Harrassowitz Verlag herausgaben. „Dieses Mosaik und eine hinreichend repräsentative Vertretung von Sprachen Mittel- und Osteuropas illustrieren einen anderen Blick auf Luthers Sprache und deren Bedeutung im europäischen Kontext. Zugleich wird eine leere Stelle im Wissen um die Reichweite des Einflusses von Luthers Deutsch auf die Sprache und Schriftkultur von Ländern gefüllt, die der Region Mittel- und Osteuropas angehören, in der infolge der historischen Entwicklung oder in einigen Fällen auch infolge der geographischen Gegebenheiten (direkte Nachbarschaft mit dem deutschen Sprachraum) das Deutsch auch angesichts von dessen Bedeutung im europäischen Kontext im direkten Kontakt mit den Sprachen überwiegend slawischer Herkunft stand.“

Václav Maidl schreibt über ´s Hohnakreiz (30. 11. 2022)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Webseite mit dem Titel Kohoutí kříž /´s Hohnakreiz gewidmet, die der Dichter und Übersetzer Jan Mareš erstellte und betreibt. „Die Vorstellung, dass Böhmerwald angesichts der großen Anzahl von erfassten Autoren ein Dichterarkadien hat sein müssen, in dem jedes Dorf und jede kleine Ortschaft seinen/ihren Sänger vorzuweisen hatte, lässt uns über die Auswahlkriterien nachdenken. Sie wurden nicht definiert, man kann auf sie aus dem Charakter der Texte sowie aus flüchtigen Anmerkungen ‚zwischen den Zeilen‘ nur indirekt schließen, im Grunde gibt es jedoch zwei Kriterien. Erstens ist es das Sprachkriterium, d. h. es geht immer um einen deutsch schreibenden Autor. Das zweite Kriterium ist dann die in den Texten formulierte Beziehung zu der Böhmerwald-Region.“

Jan Musil schreibt über Das gespenstische Böhmen (9. 11. 2022)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums präsentiert das Buch Strašidelné Čechy [Das gespenstische Böhmen], das einerseits aus dem Vorwort von Marek Vajchr besteht und andererseits aus einem zweiten Teil, dessen Autor der deutsche Dichter, Mönch, Feldkurat, Witzbold und Mystifikator Otto von Graben zum Stein ist. Das in diesem Jahr mit dem Otokar-Fischer-Preis gekröntes Buch erschien im Jahre 2021 im Prager Verlag Revolver Revue. „Durch die Mischung von Belletristik und Fachtext schafft Marek Vajchr Texte, die in der tschechischen Literaturszene einzigartig sind. Es geht nicht um die in der letzten Zeit so populäre ‚Belletrisierung‘ der letzten Tage des Weltkrieges u. Ä. – Vajchrs Texte fordern viel mehr Aufmerksamkeit. Die mit einem Kommentar und mit einem Fußnotenapparat ergänzte Astrale Komödie zeigt jedoch, dass so ein relativ schwieriges und scheinbar überlebtes Thema wie das der Genealogie der dämonologischen Studien, trotzdem spannend und sogar einem breiten Publikum präsentiert werden kann. Dies und die phantastischen Holzschnitte von Chrudoš Valoušek sowie der Stoffumschlag machen aus der Publikation ein wirklich schönes und unterhaltsames Büchlein, das die Leser nur so nebenbei bildet.“

Filip Charvát schreibt über den tschechischen Strukturalismus (27. 10. 2022)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums präsentiert das Buch Herta Schmids mit dem Titel Literatur als Kunst: Studien zum tschechischen Strukturalismus, das Birgit Krehl zur Herausgabe vorbereitete und das im Jahre 2019 im Berliner Peter Lang Verlag erschien. „Es heißt, Homer sei blind gewesen und habe viele Stunden damit verbracht, am Meer zu stehen, um der Brandung zu lauschen. Dann habe er die Illias geschrieben, mit ihrem endlosen Strom von Hexametern: Dieses Vorstellungsbild weckt in mir den Gedanken, dass an der ‚Tiefenwirkung der vielschichtigen Materialformen‘ doch etwas dran sein könnte.“

Daniela Lunger-Štěrbová schreibt über das Kloster in Sedlec (13. 10. 2022)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Dissertation Madleine Skarda-Riedenklaus mit dem Titel Pro Memoria Æterna – Entstehung eines böhmischen Erinnerungsortes: Das symbolische Bezugssystem in Jan Blažej Santini-Aichels „Renovatio“ der Klosterkirche in Sedlec aus dem Jahre 2020 gewidmet. „Die Autorin bietet uns (dank ihres Studiums der Geschichte als Hauptfach) v. a. einen tiefen Einblick in die Problematik des Patriotismus in der frühen Neuzeit. Die jesuitischen Texte und die Schriften der Ordenshistoriographen aus dem 17. Jahrhundert mit den neuentdeckten Predigten von Sedlec zum Anlass des 600-jährigen Jubiläums der Klostergründung (1743) vergleichend, registrierte sie nämlich eine bestimmte Verschiebung: ‚Der Ausbruch des österreichischen Erbfolgekriegs (1740–1748) ließ den hussitischen fidelis Bohemus erneut aufwachen, der sich im katholischen Wlastenec neu konsolidierte.‘ Diese und andere Bemerkungen der Autorin zum Thema der tschechischen Identität zu beurteilen, wird bestimmt eine spannende Herausforderung für die Historikerkollegen darstellen.“

Matouš Jaluška schreibt über Johannes von Schüttwa (28. 9. 2022)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der zweisprachigen Publikation Jan ze Šitboře. Úředník, literát, mýtus / Johannes von Schüttwa. Beamter, Dichter, Mythos gewidmet, die Jiří Stočes zusammenstellte und die im Jahre 2021 der Verlag Nakladatelství Českého lesa (Oberpfälzer Wald Verlag) herausgab. „Interesse zieht Johannes von Schüttwa v. a. als Autor des Ackermanns aus Böhmen, eines deutsch geschriebenen ‚kleinen Buchs von europäischer Bedeutung‘ an, das Jakub Sichálek in der vierten Abteilung aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Bei der Interpretation geht er v. a. von der regelmäßigen Struktur dieses Werks aus, das aus einer Reihe von Repliken zwischen dem intellektuellen ‚Ackermann, dessen Pflug aus Vogelgewand‘ sei, besteht und dem Tod, der ihn der geliebten Ehefrau beraubte. Der Text wird hier als eine Gerichtsverhandlung von zwei zu verteidigenden Positionen präsentiert: dem Naturrecht des Todes einerseits und dem Anspruch des Ackermanns auf Leben sowie die Menschenwürde andererseits, denn der Mensch wurde von Gott geschaffen und wird von Gott erlöst. In Sicháleks Deutung kann dieses Streitgespräch allein Gott überwinden, und deshalb geht die Rede des Ackermanns letzten Endes in ein Gebet über. Es ist ein wenig schade, dass der Autor sich im Zusammenhang mit diesem Gebet praktisch nur den Wortspielen widmet und dessen Pragmatik und mehr oder weniger auch die Funktion der Pointe ignoriert.“

Johannes Gleixner schreibt über die Maffie (7. 9. 2022)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigen wir uns mit dem Phänomen Maffie, der Publikation mit dem Untertitel Český (domácí) protirakouský odboj v proměnách 20. století, die im Jahre 2020 Jan Hálek und Boris Mosković herausgaben. „Die Maffie war stets eine eher nebulöse Organisation, die um einige personelle Fixpunkte kreiste. Das gereichte ihr nicht zum Nachteil, da die oft lokalen Widerstandshandlungen sich als Teil einer übergreifenden Organisation in die Geschichte einschreiben konnten und damit sowohl die eigene Bedeutung als auch die der Maffie retrospektiv systematisierten und erhöhten.“

Peter Becher schreibt über den Prager Verlag Volk und Reich (24. 8. 2022)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigen wir uns mit der Publikation Der Volk und Reich Verlag, Prag. Zur Geschichte des Buchhandels und Verlagswesens im Protektorat Böhmen und Mähren 19391945, die Murray G. Hall zusammenstellte und die im Jahre 2021 der Wiener Praesens Verlag herausgab. „Sein neuestes Werk befasst sich mit einem bislang kaum beachteten Aspekt der NS-Kulturpolitik im Protektorat. Auf der Grundlage akribischer Archivarbeiten, die ihm ein Stipendium der Tschechischen Akademie der Wissenschaften im November 2019 ermöglichte, dokumentiert und analysiert Hall den Aufbau und die Politik des Volk und Reich Verlags, der im April 1940 als Niederlassung des gleichnamigen Berliner Verlags in Prag etabliert wurde und in kurzer Zeit eine dominierende Rolle im Verlagswesen des Protektorats spielte.“

Veronika Jičínská schreibt über das Buch Otto von Graben zum Stein: Strašidelné Čech (10. 8. 2022)

Als zweite der Laudationen, die am 19. Mai dieses Jahres anlässlich der Verleihung des Otokar-Fischer-Preises dem Buch Otto von Graben zum Stein: Strašidelné Čechy [Geisterhaftes Böhmen] (Hg. Marek Vajchr) gewidmeten Worte von Veronika Jičínská.

Jan Budňák schreibt über das Buch Zwischen Prag und Nikolsburg. Jüdisches Leben in den böhmischen Ländern (3. 8. 2022)

Als erste der Laudationen, die am 19. Mai dieses Jahres anlässlich der Verleihung des Otokar-Fischer-Preises gehalten wurden, veröffentlichen wir die dem Buch Zwischen Prag und Nikolsburg. Jüdisches Leben in den böhmischen Ländern (Hrsg. Kateřina Čapková und Hillel J. Kieval) gewidmeten Worte von Jan Budňák.

Miloslav Hýsek und Pavel Eisner schrieben über Übersetzungen tschechischer Literatur II. (20. 7. 2022)

Im Anschluss an die Texte von Miloslav Hýsek und Pavel/Paul Eisner, die letzte Woche veröffentlich wurden (siehe auch die Einleitung zu diesen Texten), bringen wir im Rahmen des deutsch-tschechischen E*forums die nächsten drei polemischen „Repliken“ aus ihrer Feder. „In meinen Überlegungen zum Thema der Übersetzungen aus dem Tschechischen äußerte ich die Ansicht, dass alle dichterischen Übersetzungen der tschechischen Poesie, falls sie von den des Deutschen mächtigen Tschechen stammen (Wenzig, Waldau, Albert), schlecht waren. Die Ursachen liegen auf der Hand, die Tatsache lässt sich nicht bestreiten, Beweise kann man jederzeit anhand von beliebigen Zeugnissen ästhetisch gebildeter Deutscher vorlegen. Ich will Wenzig, Waldau und Albert die moralische Bedeutung ihrer Leistungen nicht streitig machen. Das moralische Moment in der Kunst an sich ist jedoch leider nicht entscheidend.“

Miloslav Hýsek und Pavel Eisner schrieben über Übersetzungen tschechischer Literatur (13. 7. 2022)

In den nächsten zwei Wochen erwartet uns im Rahmen des deutsch-tschechischen E*forums eine zweiteilige Serie schriftlicher Auseinandersetzung zwischen Miloslav Hýsek und Pavel Eisner, die in den Jahren 1926–1927 ihre Meinungen zu Übersetzungen tschechischer Literatur in einigen Prager Tagblättern wechselten. „Das Übersetzen der Poesie aus dem Tschechischen ins Deutsche wird bald sein hundertjähriges Jubiläum feiern können: die erste Anthologie aus der neuen tschechischen Poesie Blüten neuböhmischer Poesie erschien in Prag im Jahre 1833 und ihrem Autor, der hier die geschmackvolle Auswahl aus Kollárs Sonnetten mit der Übersetzung von Čelakovskýs Ohlas písní ruských [Widerhall russischer Lieder] kombinierte, dem damals 26jährigen Josef Wenzig, dem Sohn eines deutschen Offiziers und dem zu der Zeit noch deutschen Dichter, ist es zu verdanken, dass mit diesem ersten Buch das Vorhaben begonnen wurde, die Deutschen mit den Bestrebungen der jungen tschechischen Literatur bekannt zu machen.“

Pavel Novoný schreibt über die Übersetzung von zwei Prosatexten Melchior Vischers (15. 6. 2022)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigen wir uns mit der Übersetzung von den Prosatexten Sekunde durch Hirn und Der Hase von Melchior Vischer, die Viktorie Hanišová ins Tschechische übertrug und die 2021 im Academia-Verlag erschienen. „Jede Seite der Übersetzung legt Zeugnis ab über eine sorgfältig geleistete Arbeit, dies ergänzt auch das fundierte, biographisch- und interpretationsorientierte Vorwort von Radim Kopáč und Viktorie Hanišová. Und die stilvolle Buchausstattung sollte auch nicht unerwähnt bleiben. Summa summarum: es ist eine Freude, die tschechischen Übersetzungen ausgewählter Texte von Melchior Vischer zu lesen, wobei es sich zugleich um eine sehr anspruchsvolle Lektüre handelt, die man mehr als einmal wagen sollte.“

Václav Petrbok schreibt über das Sammelband zur tschechischen und deutschsprachigen Literatur (2. 6. 2022)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellt Václav Petrbok das Buch Vorstellungen vom Anderen in der tschechisch- und deutschsprachigen Literatur vor, das Petra James und Helga Mitterbauer 2021 in Berlin herausgaben. „Neben einer breiten Auswahl von methodologischen Perspektiven (postkoloniale Studien, Kulturtransfer, Übersetzungstheorie in soziokultureller Perspektive) begegnet der Leser in der Publikation auch einer großen Vielfalt an analysierten, sowohl auf tschechisch als auch auf deutsch verfassten Werken. Die Herausgeberinnen erklären im Vorwort ihr Ziel, anhand von ‚elf Fallbeispielen […] wesentliche Meilensteine dieser /deutsch-österreichisch-tschechischen/ Relationen [vom 19. Jh. bis zum 21. Jh. zu] beleuchten‘.“

Ladislav Futtera schreibt für den Vormärz (18. 5. 2022)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellt Ladislav Futtera die umfangreiche Publikation mit dem Titel Vormärz-Handbuch vor, die Norbert Otto Eke editierte und die 2020 im Verlag Aisthesis erschien. „Im Einklang mit dem Charakter der Gattung (Handbuch) bietet die Publikation in der Funktion als Nachschlagwerk elementare Einsicht in die Epoche sowie einen Überblick zum aktuellen Forschungsstand und ist in kurze Kapitel gegliedert, die fünf kompakte Abteilungen bilden. Ein verhältnismäßig knapper historischer Abriss mit dem aussagekräftig formulierten Titel Das Zeitalter der Revolution(en) thematisiert die wichtigsten geschichtlichen Umwälzungen sowie politische Bewegungen zwischen 1815–1848 im deutschsprachigen Raum. Im Fokus der Aufmerksamkeit liegt die Revolution von 1848/49, der sich drei Teilkapitel widmen (jeweils ein Kapitel zur Revolution selbst, über die Achtundvierziger sowie über die Frankfurter Nationalversammlung).“

Kamil Činátl schreibt über Geschichtsbildung (4. 5. 2022)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Publikation mit dem Titel Deutsche, Tschechen und Slowaken im 20. Jahrhundert gewidmet, die das Historiker*innenkollektiv unter der Führung von Martin Schulze Wessel, Miloš Řezník und Dušan Kováč herausgab. Das Buch erschien im Jahre 2020 im Wochenschauverlag in Frankfurt am Main. „Es handelt sich um eine relativ umfangreiche Anthologie von überwiegend Textquellen zur Geschichte des 20. Jahrhunderts, die in sechs chronologische Abteilungen gegliedert ist. Jedes Kapitel besteht aus einem historiographischen Deutungstext, einer kurzen Zusammenfassung didaktischer Vorgehensweisen und aus Quellen, die von einem knappen informativen Text eingeleitet werden.“

Štěpán Zbytovský schreibt über die Prager deutsche Literatur (21. 4. 2022)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellt die Dissertation von Adéla Grimes mit dem Titel Neusachliche Verhaltenslehren in der Prager deutschen Literatur vor, die im Verlag der Palacký-Universität in Olomouc im Jahre 2020 erschien. „Wenn das Buch die These vertritt, dass die Neue Sachlichkeit aus dem Gesamtbild der deutschen Literatur in Böhmen oder der „Prager deutschen Literatur“ verdrängt worden sei, dann wäre es angebracht im Fazit zu diskutieren, auf welche Weise sich dieses Gesamtbild nach der Einbeziehung der neusachlichen Werke nun verändern würde. Das Fazit beschränkt sich jedoch auf eine (übrigens übersichtliche und hilfreiche) Zusammenfassung der Interpretationen der einzelnen Romane und die Empfehlung weiterer, die sich in die Neue Sachlichkeit der böhmischen Länder eingliedern ließen. Die einzelnen Studien zu Roedl, Natonek und Kornfeld verdienen jedoch Aufmerksamkeit, ebenso wie die behandelten Romane selbst, und beweisen u. a. die enge (wenn auch teils kritisch ausgerichtete) Bindung des Werks dieser Autoren an den literarischen Diskurs in Deutschland.“

Mirek Němec schreibt über die Olmützer Deutschen (13. 4. 2022)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellt das Buch von Martin Hájek mit dem Titel Olomoučtí Němci 1918–1938 vor, das im Verlag der Palacký-Universität in Olomouc im Jahre 2020 erschien. „Auf ungefähr 180 Seiten des eigenen Textes versucht der Autor, sich mit politischen, sozialen und kulturellen Aspekten des Lebens der deutschsprachigen Kommunität in der nordmährischen Metropole an der March von dem Zeitpunkt der Übernahme des Rathauses durch tschechische Vertreter (1918/19) bis zum Münchner Abkommen (Oktober 1938) auseinanderzusetzen. Es ist fraglich, ob der zweite zeitliche Eckpunkt geeignet ist. Olmütz wurde nicht zum Teil des neugegründeten Reichsgaus Sudetenland, es wurde zu einer Stadt im Grenzgebiet. Für die bereits anwesenden sowie neu ankommenden Juden, Deutsche sowie Tschechen brach somit eine gespannte Zeit an, in der Loyalitäten auf den Prüfstand gestellt und Identitäten umdefiniert wurden. Dies wären also die zentralen Perspektiven für die Erforschung der kollektiven Biografie einer Minderheit im urbanen Umfeld.“

Barbora Šrámková schreibt über Max Brods Roman (30. 3. 2022)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellt das Sammelband zu Max Brods Roman Tycho Brahes Weg zu Gott vor, das unter dem Titel Zwischen Wissenschaft und Religion – „Tycho Brahes Weg zu Gott“ von Max Brod erschien und das Viera Glosíková, Sina Meißgeier und Ilse Nagelschmidt im Verlag Frank & Timme im Jahre 2019 herausgaben. „Es ergibt sich aus der Sache selbst, dass in einem aus studentischen Arbeiten bestehenden Band nicht alle Themen umfassend behandelt werden können, und an manchen der formulierten Thesen könnte man berechtigte Kritik üben. Aus der Perspektive der „Benutzerfreundlichkeit“ wäre es manchen Lesenden vielleicht entgegengekommen, wenn die Beiträge am Ende auch eine Liste der verwendeten Literatur angehängt bekommen hätten, denn das Heraussuchen der Verweise aus den Fußnoten ist nicht gerade bequem. Doch trotz dieser kleineren Einschränkungen ist dieses Buch eine wertvolle und nützliche Publikation, die für die Leserinnen und Leser des Brod’schen Romans über die beiden berühmten Astronomen ein hilfreiches und willkommenes Kompendium bieten kann. Nicht zuletzt zeichnet sich der Band vielerorts durch die Originalität der Beiträge aus, und er ist ein überzeugendes Argument dafür, dass sich dieser Roman Brods auch noch mehr als 100 Jahre nach seiner Ersterscheinung zu lesen lohnt, wobei die tschechische Leserschaft derzeit noch auf eine Neuausgabe warten muss.“

Oliver Bentz schreibt über Anton Kuh (16. 3. 2022)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigt sich Oliver Bentz mit dem Buch von Franziska Geiser mit dem Titel Das Zeitalter des Infantilismus. Zu Anton Kuhs Kultur- und Gesellschaftskritik, das im Jahre 2020 der Wallenstein Verlag herausgab. „Die Autorin zeigt auf fast 400 Seiten, dass die Interpretation von Kuhs über Jahrzehnte entstandenen Essays, Feuilletons, Glossen oder Aphorismen vor dem Hintergrund der angenommenen Unterscheidung von ‚Infantilität‘ und ‚Erwachsenheit‘ durchaus funktioniert und ihren Reiz hat, wobei sie nicht übersieht, dass ‚sein Gesellschaftsentwurf vereinfachend und teilweise klischiert [ist], die Typenbildungen sind holzschnittartig und nicht frei von Widersprüchen. […] Und doch, die Physiognomie seiner Zeit, die Kuh in seinem Werk entwerfen will, ist alles in allem gut getroffen. Seine politischen Analysen sind scharf und oft treffend.‘(S. 368) So kann Franziska Geisers material- und kenntnisreiche Darstellung dem Leser nach der Lektüre von Anton Kuhs Texten interessante Einsichten bringen.“

Marc Niubo schreibt über die Karnevalsoper (2. 3. 2022)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellt Marc Niubo das Buch von Claudia Michels mit dem Titel Karnevalsoper am Hofe Kaiser Karls VI. 1711–1740. Kunst zwischen Repräsentation und Amusement vor, das im Jahre 2019 der Wiener Verlag Hollitzer herausgab. „Der größte Vorteil ist das systematische Vorgehen, mit dem das Thema dargelegt wird. Der Leser hat relativ bald begriffen, was und wo er es im Buch finden kann, auf welcher Grundlage und in welchem Umfang das Thema behandelt wird. In den Anfangskapiteln gibt es eine Reihe von Listen (Libretti, Szenographien, Ballettszenen u. dergl.), die dem Leser andeuten, worauf die eventuelle Argumentation gründet, und zugleich den Charakter des Buchs als Nachschlagwerk stärken.

Alice Stašková schreibt über akustische Literatur (16. 2. 2022)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmet sich der Publikation Akustische Literatur. Experimentelles Hörspiel im Zeitalter analoger Technik. Eine Untersuchung im deutsch-tschechischen Kontext von Pavel Novotný, die der Verlag Thelem im Jahre 2020 herausgab. „Der Fokus des Buches liegt erstens auf radiophonen Artefakten eines der wichtigsten deutschen Autoren des experimentellen Hörspiels, des multimedialen Künstlers Ferdinand Kriwet, zweitens auf der überwiegend deutschsprachigen Produktion des tschechischen Autorenduos Josef Hiršal und Bohumila Grögerová sowie drittens auf dem Schaffen des insbesondere als bildender Künstler namhaften Tschechen Ladislav Novák. Die eingehende Analyse und Interpretation der Werke dieser Autoren markieren ein Desiderat der Forschung auf diesem Gebiet. Der Vergleich und die Konfrontation dieser Werke untereinander wiederum erlauben konzeptionelle Modellierungen, die der bisherigen Theoriebildung mit Blick auf das avancierte radiophone Schaffen zugute kommen.“

Tomáš Svoboda schreibt über die Kapitel zur Geschichte der Literatur und Übersetzung (2. 2. 2022)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmet sich der Publikation Česko-německá literární křižovatka [Tschechisch-Deutsche Kreuzungen] von Gabriela Veselá, die der Universitätsverlag Karolinum im Jahre 2020 herausgab. „Das Buch ist ein Panoptikum aus Hunderten von Figuren, Persönlichkeiten, die im kulturellen und zeitlichen Kontext geschildert werden. Oft nimmt uns die Autorin auf eine Zeitreise mit, wenn sie aus der Tiefe einer synchronen Abhandlung über ein bestimmtes Epos heraus auf die Übersetzungen oder die Rezeption in späteren Zeiten verweist. Als Beispiel sei der Teil über das literarische und kulturelle Geschehen vor dem Jahr 1848 angeführt (hierzu gehören sieben Kapitel des Buches bis einschließlich der Zeit des Romantismus). Hier findet man rund 250 Jahreszahlen, die sich auf das 20. und 21. Jahrhundert beziehen. Diese diachronen Exkurse machen die Interpretationen besonders lebendig und fügen dem literaturwissenschaftlichen Überblick rezeptionsgeschichtliche und übersetzungsgeschichtliche Aspekte bei.“

Václav Maidl schreibt über das Buch Žena v polární noci (19. 1. 2022)

Im neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellen wir das Buch von Christiane Ritter mit dem Titel Žena v polární noci vor, das der Verlag Portál im Jahre 2020 in der Übersetzung von Viola Somogyi herausgab. „Man sollte sich nun die Frage stellen, was den Text auch achtzig Jahre nach dem Erscheinen für die Leser noch so attraktiv macht. Höchstwahrscheinlich wird es nicht nur an der außerordentlichen Naturlandschaft liegen, die beschrieben wird, und es wird nicht nur mit den abenteuerlichen, an eine Robinsonade erinnernden Situationen zusammenhängen, die allerdings sehr spezifisch sind, da beinahe die Hälfte der Handlung ohne Tageslicht auskommen muss. In den letzten achtzig und insbesondere in den letzten zwanzig Jahren veränderte sich unser Planet dank des Internets und der Sattelitentelefone gravierend, als ob er wesentlich geschrumpft wäre, und das Alleinsein in den arktischen oder antarktischen Gefilden scheint nicht mehr so absolut zu sein. Auch die Ausrüstung und Kleidung haben sich seitdem ungeheuerlich verbessert – das Risiko, unter extremen Bedingungen nicht zu überleben, scheint heute ein niedrigeres zu sein (die Toten von unterhalb des Mount Everest warnen uns allerdings jedes Jahr). Deshalb mag wohl die Erzählung aus den Zeiten umso mehr faszinieren, als der Mensch nur auf sich selbst angewiesen war, auf seine körperliche Tüchtigkeit, auf seine Handfertigkeit und Erfahrungen (sowie auf eine gehörige Portion Glück – diese Voraussetzung gilt allerdings bis heute).“

Tamás Visi schreibt über die neue Publikation zur Geschichte der Juden in Böhmen und Mähren (5. 1. 2022)

Der erste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist eine Buchbesprechung von Tamás Visi zum Band Zwischen Prag und Nikolsburg des Autorenkollektivs unter der Leitung von Kateřina Čapková und Hillel J. Kieval aus dem Jahre 2020. „Die Geschichte der Juden in Böhmen und Mähren ist in der Tat kein leicht zu überblickendes Forschungsgebiet. Die Beschäftigung mit ihr setzt die Kombination mehrerer Fachausrichtungen und -spezialisierungen voraus, deshalb ist die Zusammenarbeit der oben genannten ForscherInnen sehr lobenswert und sie stellt eine adäquate Antwort auf diese wissenschaftliche Herausforderung dar.“

Markus Grill schreibt über Karl Kraus (22. 12. 2021)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Biographie Karl Kraus. Der Widersprecher gewidmet, die Jens Malte Fischer zusammenstellte und im Wiener Paul Zsolnay Verlag im Jahre 2020 herausgab. „Auf nicht weniger als 1100 Seiten beschwört er den faszinierenden – und fraglos hochaktuellen – Widerspruchsgeist von Kraus. Rein quantitativ überflügelt er damit Friedrich Rothes kompakte Biographie (2003) um mehr als das Doppelte. Er bewegt sich vielmehr im Bereich von Edward Timms monumentaler zweibändiger Kraus-Studie aus 1986 und 2005 (deutsche Übersetzung des englischsprachigen Originals: 1995 und 2016).“

Jozo Džambo schreibt über Reiseberichte (9. 12. 2021)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist der Publikation Tschechen auf Reisen gewidmet, die Sarah Lemmen im Böhlau-Verlag im Jahre 2018 herausgab. „Studien über Reiseliteratur gibt es zuhauf, auch solche, die sich speziell mit Reisen in außereuropäische Länder und Kontinente befassen, wobei in diesem Falle vorrangig Autoren aus jenen Nationen vertreten sind, die eine lange koloniale Tradition hatten und die Welt mit ihren ‚imperial eyes‘ beschrieben. Die Tschechen gehörten zu den ‚nichtimperialen‘ Nationen, folglich mussten ihre Augen die fremden Welten auch unweigerlich anders sehen. Das Verdienst der Studie von Sarah Lemmen besteht darin, dass sie eben diese andere Perspektive überzeugend, klar strukturiert, mit wissenschaftlicher Akribie und sehr lesbar ausgearbeitet hat. Die Arbeit, die in der Tat eine Lücke füllt, könnte mehreren Disziplinen zugeteilt werden, in jeder würde ihr eine hohe Qualität zugesprochen werden. Könnte der Rezensent Noten verteilen, würde er ohne Zögern für Tschechen auf Reisen ein summa cum laude vergeben.“

Der Otokar-Fischer-Preis – 4. Jahrgang (2. 12. 2021)

Das Institut für Literaturforschung zusammen mit dem Münchner Adalbert Stifter Verein vergeben im Jahr 2022 bereits zum vierten Mal einen Preis für je eine herausragende deutschsprachige und tschechischsprachige geisteswissenschaftliche Arbeit zu germanobohemistischen Themen. Ziel des Preises ist es, die bedeutendsten deutschsprachigen Arbeiten mit tschechischer Thematik auszuzeichnen und zugleich auf tschechischsprachige Arbeiten aufmerksam zu machen, die zu einer tieferen Kenntnis der Geschichte der deutschsprachigen Bevölkerung in den böhmischen Ländern beitragen. Der Preis, der nach dem bedeutenden Bohemisten, Germanisten und Förderer der sogenannten „Germanoslavica“ Otokar Fischer benannt ist, wird in Anwesenheit der Preisträger und der Jury am 19. 5. 2022 im Goethe Institut Prag feierlich überreicht. Mehr Informationen unter www.ipsl.cz/ofp.

Einsendeschluss für Vorschläge ist der 15. Februar 2022, Nominierungsformular hier.

Thomas Englberger schreibt über die tschechische Perspektive auf unsere deutsche Nachbarn (24. 11. 2021)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigt sich mit der Publikation Mein Weg zu unseren Deutschen. Zehn tschechische Perspektiven, die Wolfgang Schwarz im lichtungverlag im Jahre 2019 herausgab. „Mit Radka Denemarková, Magdalena Jetelová, Tomáš Kafka, Jiří Padevět, Lída Rakušanová, Jaroslav Rudiš, Erik Tabery, Mark Ther, Kateřina Tučková und Milan Uhde sind Schriftstellerinnen, Slawisten, Germanisten, Historiker, Publizistinnen, Vielspartenkünstler, Diplomaten und bildende Künstlerinnen verschiedener Generationen vertreten. Oft sehr persönlich und nicht beschönigend, geben sie Auskunft über ihre Erfahrungen mit der deutschen Kultur bzw. mit Menschen, deren biografische Wurzeln in den böhmischen Ländern liegen (‚unsere Deutschen‘).“

Peter Becher schreibt über Otokar Fischer (10. 11. 2021)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigt sich mit dem Sammelband Otokar Fischer (1883–1938). Ein Prager Intellektueller zwischen Dichtung und Wissenschaft, den Václav Petrbok, Alice Stašková und Štěpán Zbytovský im Böhlau-Verlag im Jahre 2020 herausgaben. „Der Band so lässt sich ohne Einschränkung sagen, ist eine wahre Pioniertat und ein Appell an die wissenschaftliche Kommunität der deutschsprachigen Länder, Otokar Fischer die Anerkennung zukommen zu lassen, die ihm als herausragendem Germanisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gebührt.“

Nikola Mizerová schreibt über das expressionistische Drama (27. 10. 2021)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigt sich mit der Publikation Expresionistické drama z českých zemí [Expressionistisches Drama aus den böhmischen Ländern], die Zuzana Augustová, Lenka Jungmannová und Aleš Merenus im Verlag Academia im Jahre 2020 herausgaben. „Die Anthologie Expresionistické drama z českých zemí ist ein hoffnungsvoller Anfang der neuen Editionsreihe Drama [Dramen] des Verlags Academia und des Ústav pro českou literaturu AV ČR. Das innovative Konzept, die wohl überlegte Textauswahl sowie die inhaltliche Vielfalt wecken bei dem Leser positive Erwartungen hinsichtlich der Fortsetzung dieser Bücherreihe, konkret des bereits avisierten zweiten Bands Zakázané drama z komunistické totality [Das verbotene Drama aus der Zeit der kommunistischen Totalität].

Anna Habánová schreibt über Emil Pirchan (15. 10. 2021)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist dem in Brünn geborenen Universalkünstler Emil Pirchan und der Publikation Beat Steffans mit dem Titel Emil Pirchan: Ein Universalkünstler des 20. Jahrhunderts gewidmet, die im Jahre 2018 im Nimbus Verlag erschien. „Bereits der Untertitel der Publikation Ein Universalkünstler des 20. Jahrhunderts deutet an, dass die erwähnten biographischen Angaben und die chronologische Linie nur eine Art Abkürzung sind, dass sie jedoch trotzdem eine der Möglichkeiten darstellen, wie man das Schaffen und die Schicksale des Künstlers handhaben kann. Die Publikation arbeitet allerdings auch mit einem zweiten möglichen Konzept: Die jeweiligen Themenbereiche von Pirchans Schaffen wurden von den Autoren und Autorinnen der jeweiligen Kapitel eingehend bearbeitetet. Der einleitende, umfangreiche Text zeigt Emil Pirchan den Jüngeren mit allen Details in diversen Zeit- und Familienzusammenhängen.“

Matouš Turek schreibt über den Sammelband zu Prag in der Zeit der Luxemburger Dynastie (29. 9. 2021)

Der letzte Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums nimmt den Fokus auf den Band Prag in der Zeit der Luxemburger Dynastie. Literatur, Religion und Herrschaftskulturen zwischen Bereicherung und Behauptung, der ausgewählte Beiträge des internationalen Kolloquiums versammelt, das am 9. und 10.6. 2016 an der Universität Luxemburg stattfand. Er wurde von Amelie Bendheim und Heinz Sieburg im Jahre 2019 im transcript-Verlag herausgegeben. „Wie das nun mal bei Konferenzbänden so zu sein pflegt, versammelt auch das Buch Prag in der Zeit der Luxemburger Dynastie einerseits hochwertige und wissenschaftlich innovative, andererseits weniger inspirierte Studien, in denen der oder die AutorIn leicht ausgebaute, dem Umfang entsprechende Ausschnitte aus vorhergehender, bereits veröffentlichter Forschung präsentiert. Diesen Doppelcharakter halte ich weder für besonders überraschend noch für übermäßig kritikwürdig.“

Ivo Habán schreibt über Hugo Steiner-Prag (22. 9. 2021)

Der heutige Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigt sich mit der Monographie Hugo Steiner-Prag, die Pavel Růt im Jahre 2018 im Verlag Arbor vitae herausgab. „Die Bandbreite seiner Aktivitäten war zudem auch lange eher ein Hindernis für ein komplexeres Aufarbeiten seines künstlerischen Vermächtnisses. Auch wenn er sich als Illustrator und Gestalter von Büchern etabliert hat, sollte man ihn gleichermaßen als souveränen Künstler respektieren – als Grafiker, Maler sowie auch als Pädagoge. Hugo Steiner-Prag war kurz gesagt in mehreren Fachgebieten aktiv, und jedes davon kann sich ruhig aus der eigenen Perspektive auf den entsprechenden Teil seines Werkes konzentrieren. Aus internationaler Perspektive kann man ihn vor allem als Prager Europäer bezeichnen. Es ist also logisch und aus der Sicht der tschechischen Kultur sehr verdienstvoll, dass es zu ihm nun eine Monografie gibt, die auch den tschechischen LeserInnen zugänglich ist.“

Matouš Jaluška schreibt über Peter von Zittau (1. 9. 2021)

Der heutige Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigt sich mit der Publikation Běla Marani-Moravovás Peter von Zittau. Abt, Diplomat und Chronist der Luxemburger, die 2019 erschien. „Die Herangehensweise von Marani-Moravová an den Stoff ist in erster Linie historisch, sie konzentriert sich auf Fakten (die Monografie stützt sich auf ihre Dissertation im Fach der Geschichte des Mittelalters, die sie an der Universität von Bern verteidigt hatte), die neuen Elemente nach der Überarbeitung betreffen v. a. den Bereich der Geistesgeschichte. Dies zeigt sich in Gänze im ersten Buchteil, in dem der Leser mit der Geschichte der Böhmischen Länder im dargestellten Zeitraum, mit der Geschichte des Königssaler Klosters, mit dem Leben und Werk von Peter von Zittau (sein Werk wird – wie eben angeführt – sehr breit aufgefasst) im Kontext der mitteleuropäischen Historiographie und des zeitgenössischen theologischen Diskurses bekannt gemacht wird.“

Marie Bláhová schreibt über das Thema des „Fremden“ (25. 8. 2021)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums bringen wir die Buchbesprechung der Historikerin Marie Bláhová zum Buch von Anna Aurast mit dem Titel Fremde, Freunde, Feinde. Wahrnehmung und Bewertung von Fremden in den Chroniken des Gallus Anonymus und des Cosmas von Prag, das 2019 erschien. „Mit Hilfe der Analyse zweier neun Jahrhunderte alten Chroniken konnte Anna Aurast zeigen, dass die Problematik der Einstellung von Menschen zu den/dem ‚Fremden‘ für die menschliche Gesellschaft langfristig bezeichnend ist. Die Ergebnisse ihrer Forschung erweisen sich somit auch heute als aktuell.“

David Sogel schreibt über Spuren der tschechischen Kultur in München (11. 8. 2021)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist dem Buch Jozo Džambos mit dem Titel Böhmische Spuren in München. Geschichte, Kunst und Kultur gewidmet, das 2020 im Münchner VolkVerlag erschien. „Neben dem Kulturbereich (wie etwa Musik, Film, Architektur oder Literatur), den die meisten Studien aus verschiedenen Perspektiven fokussieren, werden auch die üblicherweise weniger reflektierten Aspekte im Buch berücksichtigt – wie etwa deutsch-tschechische Toponyme oder die Kochkunst. In allen Texten liegt der Akzent auf dem 19.–21. Jahrhundert, auch wenn dies von den Autoren nicht als Absicht proklamiert wird.“

Rudolf Kučera schreibt über österreichische Geschichte (21. 7. 2021)

Der letzte Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist dem Buch Ernst Bruckmüllers mit dem Titel Österreichische Geschichte. Von der Urgeschichte bis zur Gegenwart gewidmet, das 2019 im Böhlau-Verlag erschien. „Eine Gesamtgeschichte Österreichs zu schreiben, war nie eine leichte Aufgabe. Das heutzutage national klar abgegrenzte Staatsgebilde südlich des heutigen Tschechiens ist bekanntlich ein relativ neues Konstrukt, genauso wie die Vorstellung eines Österreichers, der sich mit diesem Staat identifiziert. Die Grundfrage ‚Was ist Österreich eigentlich und wer waren seine Einwohner?‘ wird daher im Hinblick auf die Vergangenheit sehr unterschiedlich beantwortet. Trotzdem, oder gerade deswegen, weist die österreichische Historiographie – geht es um große Synthesen – eine reiche Tradition auf.“

Lena Dorn schreibt über städtische Übersetzungspolitiken im 19. Jahrhundert (7. 7. 2021)

Mit dem letzten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums bringen wir die Buchbesprechung Lena Dorns zur Publikation Translating in Town: Local Translation Policies During the European 19th Century, die im letzten Jahr Lieven D’hulstKaisa Koskinen herausgaben. „D’hulst und Koskinen wählen eine dezidiert historische Herangehensweise und beleuchten das lange 19. Jahrhundert und seine städtischen Übersetzungspolitiken. So handeln die Texte meist von den verschiedenartigen Verflechtungen von Nationalismus und Multilingualismus.“

Václav Petrbok schreibt über die Ausstellung zu Adalbert Stifter (23. 6. 2021)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellt Václav Petrbok die Ausstellung mit dem Titel „Bezwingung seiner selbst“: Liebe, Kunst, Politik bei Adalbert Stifter vor, die vom Linzer StifterHaus von September 2018 bis Mai 2019 anlässlich von Stifters 150. Todestag veranstaltet wurde. Die Ausstellung wurde von Petra-Maria Dallinger, Hubert Lengauer, Christian Schacherreiter und Georg Wilbertz entworfen, die dazu auch einen illustrierten Katalog herausgaben. „Ein würdevoller Klassiker, in Bronze gegossen, mit Überzieher und langem Mantel bekleidet, das Sakko zugeknöpft bis zum Hals, um den ein Tuch gebunden ist, thront auf einer Barrikade aus Pflastersteinen und Schutt. Auf seinem Kopf sitzt keck eine phrygische Mütze mit Kokarde, zu seiner Rechten sonnt sich ein kleiner Mops. Auf der Barrikade sind die Fragmente von Bildern zu erkennen – eine Winterlandschaft und ein einsamer Mann mit Hund, nackte, martialische Frauengestalten (wenn auch dezent von der Seite gemalt), Baumkronen vor Winterhimmel …“

Václav Maidl schreibt über Heinrich Böll (9. 6. 2021)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigt sich mit der Publikation Heinrich Böll. Der Panzer zielte auf Kafka. Heinrich Böll und der Prager Frühling, die im Verlag Verlag Kiepenheuer & Witsch im Jahre 2018 herausgegeben wurde. „Wer sich wundert, wie aus dem elfseitigen Artikel, der Ende August 1968 im Spiegel erschien, ein über zweihundert Seiten starkes Buch werden konnte, der sollte dem Untertitel seine Aufmerksamkeit zuwenden. Das Buch enthält nämlich nicht nur den titelgebenden Text, mit Anmerkungen bestückt, sondern auch einen weiteren Text, der sich auf die Erfahrungen des Einmarsches vom August beziehen, veröffentlicht unmittelbar danach, Anfang September 1968, in der schweizerischen National-Zeitung unter dem Titel Ein Brief aus Prag, sowie alle Interviews, die Böll als Augenzeuge der Ereignisse nach seiner Rückkehr für westdeutsche Medien gab.“

Štěpán Zbytovský schreibt über trankulturelle Literaturgeschichte (26. 5. 2021)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigt sich mit der Publikation Jak psát transkulturní literární dějiny? [Wie schreibt man eine transkulturelle Literaturgeschichte?], die die Texte präsentiert, die während der gleichnamigen, am 15.–16. November 2018 in Prag organisierten Tagung vorgetragen wurden. Der Sammelband wurde von Václav Petrbok, Václav Smyčka, Matouš Turek und Ladislav Futtera herausgegeben und erschien im Verlag Akropolis in Zusammenarbeit mit Ústav pro českou literaturu AV ČR im Jahre 2019. „Der Sinn eines Sammelbandes besteht nicht darin, inwiefern es gelingt, den erwünschten fachlichen Konsens zu erreichen. Er erschöpft sich ferner auch nicht darin, dass das Buch eine insgesamt breite Übereinstimmung über die große Bedeutung der in seinem Titel bereits gestellten Frage belegt. Es kann sein, dass einige Überlegungen sich mit der Zeit als Zwecklösungen für konkrete Fälle und damit zukünftig als unbrauchbar erweisen. Ungeachtet des weiteren Schicksals dieses Projektes wird eine unvoreingenommene und kritische Lektüre dieser Publikation zweifellos für jeden lohnenswert sein, der die Überzeugung teilt, dass es noch Sinn hat, überhaupt Literaturgeschichte zu schreiben.“

Marie Krappmann schreibt über die Familiengeschichte Charlotte von Weisls (12. 5. 2021)

Mit dem neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmen wir uns jüdischer Thematik am Beispiel von der Familiengeschichte Charlotte von Weisls mit dem Titel Böhmische Juden auf Wanderschaft über Prag nach Wien, die im Jahre 2019 Dietmar Goltschnigg im Wiener Verlag Böhlau herausgab. „Die autobiographische Komponente stellt eine höchst spannende Verwebung von individuellem und kollektivem Gedächtnis dar, wie im zweiten Kapitel des Kommentars nahegelegt wird. Insbesondere in den Passagen, in denen Charlotte von Weisl die zeitlich weit zurückliegenden Ereignisse schildert, ist sie ausschließlich auf orale Überlieferungen angewiesen. Das Hauptanliegen war offenbar nicht, historische Ereignisse möglichst präzis zu vermitteln, sondern ‚den Familiensinn auf […] (die) Kinder zu übertragen, auf dass diese die Erinnerung an ihre Ahnen dereinst in ihren Kindern weiterleben lassen‘ (S. 91).“

Mirek Němec schreibt über den Reisebericht von Julius Payer (21. 4. 2021)

Diese Woche erscheint im Rahmen des deutsch-tschechischen E*forums ein Beitrag von Mirek Němec zum Reisebericht von Julius Payer mit dem Titel Expedice na Severní pól (im Original von 1876 Die österreichisch-ungarische Nordpol-Expedition in den Jahren 1872–1874, nebst einer Skizze der zweiten deutschen Nordpol-Expedition 1869–1870 und der Polar-Expedition von 1871), der im Verlag Dauphin 2019 in Übersetzung Jaroslav Hošeks von 1969 herausgegeben wurde. „Payers Reisebericht lässt sich auf verschiedene Arten lesen: als literarisch gelungenes und spannend geschriebenes Abenteuerbuch, als Traktat über den Sinn des Lebens, als Zeugnis von einer unzerstörten Natur, die sich heute durch menschliches Handeln und als Folge der globalen Erwärmung für immer verändert hat (der nördliche Seeweg von Asien nach Europa ist inzwischen auch für Handels- und Tankschiffe geöffnet), aber auch als ungewöhnliches kulturhistorisches Dokument.“

Tilman Kasten schreibt über Ludwig Winder (14. 4. 2021)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigt sich mit der Publikation Ludwig Winder – das Prosawerk. Wege aus der Unmündigkeit – eine Ethik des Handelns und der Pflicht von Chantal Puech, die im Jahre 2019 im Verlag Königshausen & Neumann erschien. „Was das zentrale Anliegen der Studie – den Nachweis einer Kohärenz des Winder’schen Werkes – betrifft, ergeben die Argumente Puechs kein Gesamtbild. Zunächst einmal ist nicht nachvollziehbar, warum Puech ihre werkgeschichtlichen Befunde dadurch schwächt, dass sie den 1937 erschienenen Roman Der Thronfolger aus inhaltlich-systematischen Gründen gemeinsam mit den vor 1933 erschienenen Roman analysiert (S. 34). Abgesehen davon wird v. a. nicht klar, inwiefern genau die vor und die nach 1933 bzw. im Exil entstandenen Werke eine werkgeschichtliche Einheit bilden.“

Reto Caluori schreibt über Peter Lotar (24. 3. 2021)

Der heutige Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist eine Buchbesprechung von Reto Caluori zum Buch Peter Lotar (1910–1986). Kulturelle Praxis und autobiographisches Schreiben (2019) von Michaela Kuklová. „Unter den Künstlerinnen und Künstlern, die in den Dreißigerjahren in der Schweiz Zuflucht vor der nationalsozialistischen Verfolgung suchten, befanden sich viele, welche die schweizerische Theaterszene in den Jahren ihres Exils belebten und prägten. Für die meisten blieb die Schweiz jedoch eine Zwischenstation. Nur wenige fanden hier eine neue, zweite Heimat wie der heute weitgehend vergessene Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller Peter Lotar, der zum ‚Schweizer Schriftsteller tschechoslowakischer Herkunft‘ wurde […].“

Václav Maidl schreibt über Paul Leppin (17. 3. 2021)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist dem Schriftsteller Paul Leppin und der neuen Herausgabe seines Romans Severins Gang in die Finsternis gewidmet, der 2018 im Vitalis-Verlag erschien. „Die Begleittexte in der vorliegenden Vitalis-Ausgabe sind sowohl für den einfachen, als auch für einen wissenschaftlich fokussierten Leser von Nutzen. Zur visuellen Gestaltung gehört die Anwendung origineller Illustrierungen von Richard Teschner auf dem Buchumschlag und Frontispiz sowie der Abdruck der Titelseite und der ersten Seite der Ausgabe aus dem Jahr 1914 (im Anschluss an den Text zu finden). Die erwähnten Einzelheiten scheinen den Raum für eine editorische Notiz vorzubereiten, die u. a. auf kleine Eingriffe in den Text (Tippfehler, Ergänzung von Umlauten) hinweisen. Es folgen dann zwei Textabteilungen, die erste beschäftigt sich mit der Zeit, der Werkgenese und -auswirkung und die andere nimmt sich die in Leppins Roman erwähnten Orte vor, kommentiert sie erklärend und illustriert sie anhand einer reichen Fotodokumentation. Eine Rarität stellt dann der Erinnerungstext von Huga Rokyta dar, in dem von der persönlichen Begegnung mit Leppin bei dessen Autorabend im Mai 1938 berichtet wird.“

Ingeborg Fiala-Fürst schreibt über Adalbert Stifter (24. 2. 2021)

Mit dem neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums möchten wir auf die Übersetzung des Buches Peter Bechers mit dem Titel Adalbert Stifter: Sehnsucht nach Harmonie / Adalbert Stifter: Touha po harmonii aufmerksam machen, das Václav Maidl ins Tschechische übertrug, und das im Jahre 2019 im Verlag Srdce Vltavy erschien. „Eigene kurze, doch prägnante Interpretationen ausgewählter Erzählungen sowie der beiden großen Romane (über die sich vor allem die Studenten freuen werden, die nicht immer bereit sind, den ganzen Stifter im Original zu lesen – ach, wie gut ich sie verstehe!) sind ein weiterer Genresplitter in Bechers Buch, und deutlich wird auch das essayistische Leitmotiv der deutsch-tschechischen Beziehungen, die sich um Stifter herum entsponnen (Becher erinnert z. B. an die zwei inhaltlich äußerst unterschiedlichen Feierlichkeiten anlässlich des 70. Jahrestags von Stifters Tod: 1938 und 1939, sowie an den verdienstvollen, jedoch national gefärbten Anteil August Sauers an der Neuentdeckung von Adalbert Stifter Anfang des 20. Jahrhunderts, an Josef Mühlberger und seine Zeitschrift Witiko, an die Instrumentalisierung Stifters in der Zeit des Nationalsozialismus und schließlich an die gemeinsamen tschechisch-deutsch-österreichischen Stifter-Projekte der letzten Jahrzehnte).“

Vlasta Reittererová schreibt über Franz Werfel und die Musik (10. 2. 2021)

Wir bringen hiermit den neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums, in dem sich Vlasta Reittererová der Dissertationsarbeit von Amanda Baghdassarians mit dem Titel Franz Werfels andere Moderne. Musikästhetische und kunstsoziologische Konzepte in Franz Werfels Roman „Verdi. Roman der Operwidmet. „Den Hauptteil der Publikation von Amanda Baghdassarians bildet der dritte Teil, hier widmet sie sich konkret der Analyse des Romans Verdi. Roman der Oper von Werfel, seinem Aufbau, den realhistorischen, in fiktive Handlungen integrierten Figuren sowie rein fiktiven Romanfiguren, die den Hintergrund für die Darstellung gesellschaftlicher und ästhetischer Normvorstellungen Verdis – und Werfels Zeit bilden.“

Václav Šmidrkal schreibt über den endgültigen Band der Reihe Die Habsburgermonarchie 1848–1918 (27. 1. 2021)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist dem Buch Bewältigte Vergangenheit? Die nationale und internationale Historiographie zum Untergang der Habsburgermonarchie als ideelle Grundlage für die Neuordnung Europas gewidmet, das Helmut Rumpler und Autorenkollektiv 2018 in Wien herausgab. „Der zwölfte Teil der österreichischen Reihe Die Habsburgermonarchie 1848–1918 ist der letzte eines mehrbändigen historiografischen Werks, das über eine Zeitspanne von fünfundvierzig Jahren erschien. Der erste Teil, der sich mit der Wirtschaftsgeschichte der Habsburgermonarchie beschäftigte, wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bereits im Jahr 1973 herausgegeben, während der letzte, zwölfte Teil unter dem Titel Bewältigte Vergangenheit? 2018 erschien. Mit diesem Band kommt also nicht nur ein großes Editionsvorhaben langsam zum Abschluss, sondern es wird auch die wichtigste Aufgabe der Kommission für die Geschichte der Habsbugermonarchie erfüllt, die an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit der Herausgabe betraut war.“

Tereza Czesany Dvořáková schreibt über Peter Demetz’ Buch Diktatoren im Kino (13. 1. 2021)

Der erste diesjährige Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist eine Buchbesprechung von Tereza Czesany Dvořáková zum Buch von Peter Demetz mit dem Titel Diktatoren im Kino. Lenin – Mussolini – Hitler – Goebbels – Stalin, das vor zwei Jahren im Wiener Paul Zsolnay Verlag erschien. „Überraschenderweise enthält Demetz’ Buch kein Fazit, die Schlussfolgerung überlässt der Autor seinen LeserInnen selbst. Das wahrscheinlich Wertvollste für tschechische LeserInnen und ausländische SlawistInnen befindet sich meines Erachtens allerdings – ebenfalls unerwartet – auf den ersten sieben Seiten des Buchs. Es handelt sich um die Kindheitserinnerungen des Autors an seine Erlebnisse in den Brünner Kinos Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre. Demetz’ Erinnerungssplitter vermitteln einen Eindruck von der Atmosphäre der Filmvorführungen, vom kulturellen Leben in der mährischen Metropole und von der Entstehung seiner tiefen Liebe zum neuen Medium Film, die ihn auch im Verlauf der verschiedenen Wirrungen seines Lebens, der politischen Verfolgung und der folgenden Jahrzehnte des produktiven akademischen Lebens, nie verlassen hat.“

Petra Liebl schreibt über das letzte Buch Martin Beckers (30. 12. 2020)

Den diesjährigen Jahrgang beendet das deutsch-tschechische E*forum mit dem Beitrag Petra Liebls zur Anthologie Martin Beckers, die in Zusammenarbeit mit Martina Lisa entstand, Die letzte Metro. Die Anthologie stellt die „junge Literatur aus Tschechien“ vor. „Die tschechische Literatur ist in Deutschland eher weniger bekannt, was schlicht an der niedrigen Zahl an übersetzten Titeln liegt – trotz des sprunghaften Anstiegs im Zusammenhang mit der Leipziger Buchmesse 2019, deren Gastland die Tschechische Republik war: von durchschnittlichen 5,5 Büchern noch im Jahr 2017 auf 25 im Jahr 2019. Generell nimmt die Übersetzungsliteratur auf dem übersättigten deutschen Büchermarkt in den letzten Jahren lediglich ca. 12 Prozent der Gesamtveröffentlichungen dar: Laut den Angaben des Deutschen Börsenvereins dominiert dabei die englische Sprache eindeutig. Die Vermarktung unbekannter Autoren aus kleineren Staaten stellt für deutsche Verlage ein ökonomisches Risiko dar.“

Sabine Eickenrodt schreibt über die kritische Ausgabe vom Werk Robert Walsers (16. 12. 2020)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmen wir uns 3 Bänden der Kritischen Ausgabe vom Werk Robert Walsers, die im Jahre 2018 erschienen. „Jedenfalls hat der in Bern ansässige Dichter, Feuilletonist und Romancier, der 1929 für den Rest seines Lebens in der Psychiatrie verschwand, weder Prag noch Bratislava gesehen. Bis heute gilt manchen seine Mitarbeit für Prager Zeitungen als Verlegenheitslösung eines Schriftstellers, der in den Blättern der Schweiz und des Deutschen Reichs nur noch mit Mühe publizieren konnte.“

Es schrieb Otokar Fischer (2. 12. 2020)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums schenken wir im Rahmen der Rubrik ES SCHRIEBEN Aufmerksamkeit einem vergessenen Text von Otokar Fischer, der 1929 in Prager Presse abgedruckt wurde. „In gewisser Beziehung sind ja sowohl die deutschen Slavisten als die slavischen Germanisten den Vertretern der Vermittlungs- oder Grenzwissenschaften zuzuzählen, und so verschiedenartig die hier und dort aufzusteckenden Forschungsziele sein mögen, so ist doch, gefühlsmäßig, eine Analogie hervorzuheben; die besteht darin, daß Muttersprache und Milieu des Forschers gegen das Objekt seiner Untersuchungen scharf abgegrenzt erscheinen, daß er also einen gewissermaßen fremden Gegenstand zu behandeln sich berufen fühlt.“

Man schrieb über das Ständetheater (18. 11. 2020)

Anlässlich des 100. Jubiläums der Beschlagnahme des Ständetheaters durch den Solistenklub des Nationaltheaters [Klub sólistů Národního divadla] bringen wir im Rahmen des deutsch-tschechischen E*forums einen thematischen Text aus dem Neuen Wiener Journal vom 17. 11. 2020. „Jetzt sind sie nicht mehr die unterdrückten, sondern die siegreichen Tschechen, die gegen die Deutschen losgehen, und sie ihre Übermacht spüren lassen. Prag war gestern der Schauplatz von Szenen, die die leitenden Persönlichkeiten der tschecho-slowakischen Republik vielleicht noch mehr bedauern mögen als die betroffenen Deutschen selbst. Als man vernahm, daß an die Spitze des tschecho-slowakischen Staates ein Mann wie Masaryk gestellt wurde, hätte man dergleichen für nicht möglich gehalten. Der Aufstand wandte sich vornehmlich gegen Stätten deutscher Geistigkeit, gegen das Theater, die zwei großen Zeitungen in Prag, auch gegen das politische Zentrum der Prager Deutschen, das Kasino. Es war Pöbel, der gleichzeitig den Ausbruch seiner nationalen Gefühle dazu benutzte, um zu zerstören und zu plündern.“

Marie Krappmann schreibt über den Nachlass von Jiří Levý (28. 10. 2020)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist dem Übersetzer und Literaturtheoretiker Jiří Levý gewidmet. Die Masaryk-Universität in Brünn gab im letzten Jahr unter der editorischen Leitung von Ivana Kupková und Zbyněk Fišer eine Monografie von Texten zu seinem Nachlass mit dem Titel Jiří Levý: zakladatel československé translatologie [Jiří Levý: Begründer der tschechoslowakischen Translatologie] heraus. „Obwohl alle drei erwähnten Felder in mehr oder weniger großem Ausmaß in der Monografie behandelt werden, kann man die Kapitel auch anhand der Frage unterscheiden, auf welche Art der/die AutorIn auf das Werk von Jiří Levý verweist, und zwar in zwei Kategorien: In der einen wird direkt Levýs wissenschaftliche Tätigkeit thematisiert und sein Beitrag zur Entwicklung der Translatologie analysiert, in der zweiten dient jeweils ein ausgewähltes theoretisches Konzept (z. B. die ‚semantische Dichte‘ – oder die ‚Sprechbarkeit der Übersetzung‘) als Ausgangspunkt oder Rahmen für die Analyse eines ausgewählten Phänomens aus der Übersetzungspraxis, bzw. werden von Levý vorgeschlagene Herangehensweisen auf einen konkreten Text angewendet. Zur ersten Kategorie gehören meiner Ansicht nach vier von neun Kapiteln (das Kapitel Zur Einleitung, das, wie bereits erwähnt, allgemein einführend das Konzept des Buches vorstellt, nicht mitgezählt).“

Daria Šemberová schreibt über literarisches Sudetenland (14. 10. 2020)

Der Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums für diese Woche beschäftigt sich mit der dreisprachigen Anthologie mit dem Titel „Die schönen Überbleibsel nach dem Ende der Welt.“ Sudeten, literarisch. „Piękne resztki po końcu świata. Sudety literackie. „Krásné relikty po konci světa.“ Sudety literárně, die gemeinsam Jörg Bernig, Wojciech Browarny und Christian Prunitsch herausgaben. „Die umfangreichste Gruppe repräsentieren – was sich anhand der im Anhang beigefügten Kurzbiografien mühelos feststellen lässt – die SchriftstellerInnen, die in den 1950er, 1960er Jahren und Anfang der 1970er Jahre geboren wurden. Bestimmt man als gemeinsamen Bezugspunkt der literarischen Essays das Ende des Zweiten Weltkrieges sowie die darauffolgende Welle der Völkerwanderung in Mitteleuropa, zu der neben der Vertreibung der Deutschen, infolge deren schätzungsweise 14 Millionen Menschen ihr Zuhause verloren hatten,unter anderem auch die Westverschiebung der polnischen Staatsgrenze, die Zwangsumsiedlung ethnischer Lemken sowie der Zuzug der slowakischen Romain die tschechischen Grenzgebiete gehören, können die AutorInnen wie Peter Becher (*1952), Jörg Bernig (*1964), Radek Fridrich (*1968), Olga Tokarczuk (*1962) und Jaromír Typlt (*1973) der zweiten Generation resp. Generation der Kinder zugeordnet werden.“

Steffen Höhne schreibt über die Korrespondenz zwischen A. Sauer und B. Seuffert (7. 10. 2020)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums analysiert Steffen Höhne die Korrespondenz zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert, die in diesem Jahr unter dem Titel Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926 im Böhlau Verlag erschien, und an deren Herausgabe sich Mirko Nottscheid, Marcel Illetschko, Desiree Hebenstreit, Bernhard Fetz und Hans-Harald-Müller beteiligten. „Deutlich werden in dem Briefwechsel nicht nur zwei unterschiedliche Wissenschaftlerpersönlichkeiten, der extrovertierte Sauer, der eher introvertierte Seuffert, sondern auch die Entwicklung der akademischen Disziplin der Neueren deutschen Literaturwissenschaft. Deutlich werden darüber hinaus Aspekte der weiteren Wissenschafts- und Kulturpolitik, ein Feld, in dem sich beide positionieren (müssen).“

Die diesjährigen Preisträger des Otokar-Fischer-Preises (7. 10. 2020)

Neil Stewart erhält den Otokar-Fischer-Preis für die beste deutschsprachige germanobohemistische Arbeit für sein Buch Bohemiens im böhmischen Blätterwald. Die Zeitschrift „Moderní revue“ und die Prager Moderne (Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2019). Die Jury würdigt damit die materialreiche und komplexe Analyse eines ästhetisch wie kulturpolitisch brisanten Mediums im Wandel der Zeit. – Ivo Habán und Anna Habánová erhalten den Otokar-Fischer-Preis für die beste tschechischsprachige germanobohemistische Arbeit für ihren Ausstellungskatalog über den „Heimatkunst“-Maler Paul Gebauer (Liberec: Národní památkový ústav 2018). Der ästhetisch ansprechende Band ist Teil ihrer systematischen und kritischen Erforschung der böhmisch-mährisch-schlesischen Kunstlandschaft. – Jiří Stromšík wird für die Herausgabe der germanobohemistischen Forschungen Kurt Krolops Studie o německé literatuře. ([Studienzurdeutschen Literatur.] Praha: Triáda 2018) mit einem erstmalig vergebenen, undotierten Sonderpreis der Jury geehrt. Die maßstabsetzenden Aufsätze des bedeutenden Germanisten und Germanobohemisten sind damit erstmals auch der tschechischsprachigen Öffentlichkeit zugänglich. –  Der Otokar-Fischer-Preis und Sonderpreise der Jury werden am 29. Oktober im Goethe-Institut in Prag vergeben.

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Filip Charvát schreibt über das literarische Prag (23. 9. 2020)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums befasst sich Filip Charvát mit der Anthologie von Übersetzungen aus der tschechischen Nachkriegsliteratur Prag. Eine literarische Einladung (ed. Petra Knápková).

Manfred Weinberg schreibt über die literarische Projektion Zentraleuropas (9. 9. 2020)

In dieser Woche bringen wir im Rahmen des deutsch-tschechischen E*forums einen Beitrag von Manfred Weinberg zum Buch von Moritz Csáky mit dem Titel Das Gedächtnis Zentraleuropas. Kulturelle und literarische Projektionen auf eine Region. „Vielmehr ist die Reflexion über die komplexen sozial-kulturellen Befindlichkeiten und über die zuweilen krisenhaften kulturellen Prozesse in Zentraleuropa auch von einer allgemeinen gesellschaftlichen Relevanz. Denn das von Pluralitäten, Differenzen und Heterogenitäten dominierte Zentraleuropa erweist sich als ein Versuchsfeld, das die Sicht auf analoge gesellschaftliche Problemfelder in der Gegenwart zu schärfen und von daher auch zu möglichen Deutungen von solchen analogen globalen kulturellen Prozessen beizutragen vermag.“ (S. 350)

Das Jahrbuch E*Forum 2019 (8. 9. 2020)

Auf der IPSL-Webseite finden sie neu das Jahrbuch mit allen 2019 veröffentlichten Beiträgen des tschechisch- sowie  deutschsprachigen Zweigs des E*Forums.

Franz Adam schreibt über Josef Mühlberger (26. 8. 2020)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums befasst sich Franz Adam mit der Dissertation Die homoerotische Camouflage im literarischen Werk Josef Mühlbergers von Lukáš Motyčka, die 2016 im Wiener Lit-Verlag erschien. „‚Sexualität‘ im Allgemeinen und ‚Homosexualität‘ im Besonderen sind in literarischen Texten kulturabhängige und mehr oder weniger tabuisierte Größen, die sich häufig in narrativen Verfahren der codierten Kommunikation – der Verschleierung, der uneigentlichen Rede, der Camouflage – manifestieren. Motyčka untersucht ihre Spuren bei Mühlberger mit einem textanalytischen Ansatz, dem er präzise methodologische Vorüberlegungen voranstellt. Dabei legt er Heinrich Deterings Begriff der ‚homoerotischen Camouflage‘ zugrunde.“

Sabine Voda-Eschgfäller schreibt über August Gottlieb Meißner (12. 8. 2020)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums befasst sich mit der Dissertation Erfunden von mir selbst ist keine einzige dieser Geschichten“. August Gottlieb Meißners Fallgeschichten zwischen Exempel und Novelle von Sarah Seidel. „Stringent analysierend entfalten sich die Fallgeschichten in der Argumentation Seidels als unterhaltende, belehrende und dabei stets moralisierende Texte. (Auf S. 37 stellt die Autorin übrigens Vermutungen darüber an, ob vielleicht gerade der Umstand, dass Meißner poetologisch so stark der Spätaufklärung verbunden war, dazu beigetragen habe, ihn so schnell obsolet werden zu lassen – was durchaus einleuchtet.) Dabei oszillieren sie zwischen Singularität und Exemplarität sowie zwischen Geschichtsschreibung und Dichtung und lassen Seidel die diskussionswürdige, epochenübergreifende Frage aufwerfen, wie es eigentlich insgesamt um die Erforschung der Faktizität literarischer Texte bestellt sei.“

Mirek Němec schreibt über Literaturreiseführer (29. 7. 2020)

Im Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums erfahren wir in dieser Woche von der Dissertation von Eva Sturm mit dem Titel Orte der Erinnerung. Eine Literaturstraße durch Sachsen, Böhmen und Schlesien, die im letzten Jahr im Dresdner Verlag Thelem erschien. „Ohne Zweifel kann ihr Vorhaben, die akademische, literaturwissenschaftliche Sphäre mit dem Alltag zu verbinden, nützlich sein. Doch ist es fraglich, ob das von der Dresdner Germanistin dargelegte touristische Konzept einer Literaturstraße durch drei historische Länder – Böhmen, Sachsen und Schlesien – überhaupt tragbar und damit sinnvoll sein kann.“

Vlasta Reittererová schreibt über Kafkas Verhältnis zur Musik (15. 7. 2020)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums beschäftigt sich mit dem von Steffen Höhne und Alice Stašková 2018 in der Editionsreihe Intellektuelles Prag im 18. und 19. Jahrhundert herausgegebenen Sammelband Franz Kafka und die Musik. „In Kafka treffen viele Merkmale des kulturell-nationalen Klimas der deutsch-jüdisch-tschechischen Lebenswelt der Jahrhundertwende mit all ihrer Vielschichtigkeit, inspirativen Ausstrahlung sowie ihrer Widersprüchlichkeit aufeinander. Kafkas Werk kann von unterschiedlichen Perspektiven aus betrachtet und in diversen Kontexten interpretiert werden. Er wurde zum Maßstab der Literatur seiner Zeit und lässt sich als Produkt dieser Zeit auffassen, jedoch zugleich auch als eine Ausnahme, die über die Epoche hinausverweist. Es gibt hierbei jedoch immer noch Leerstellen, so etwa Kafkas Beziehung zur Musik.“

Zuzana Jürgens schreibt über das neueste Buch Martin Beckers (1. 7. 2020)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmet sich Zuzana Jürgens dem Buch Warten auf Kafka von Martin Becker, das letztes Jahr im Münchner Verlag Luchterhand erschien und eine Collage aus Essays über die tschechische Literatur und deren Vertreter enthält. „Für diejenigen, die die tschechische Literatur bereits kennen, mag Warten auf Kafka als eine Art Spiegel für die eigene Zuneigung, für die eigene Beziehung zu ihr, dienen. Für diejenigen, die wie Martin Becker den Generationen nicht mehr angehören, die ihr Wissen von der tschechischen Kultur und Literatur aus dem Kontext historischer Ereignisse bezogen, und deren Vorkenntnisse eher gleich Null sind (davon zeugt die jahrelange Erfahrung aus den Universitätsseminaren), kann dieses Buch tatsächlich einen ersten Einstieg in die ‚anderen‘ tschechischen Welten anbieten. Als ein leidenschaftliches, fundiertes, am eigenen Leib erlebtes Bekenntnis zur ‚tschechische[n] Art des Schreibens‘ (S. 22) und überhaupt der tschechischen Lebenswelt, das auch deswegen glaubwürdig wirkt, da es von außen kommt.“

Jan Budňák schreibt über die deutschwalachische Literatur (10. 6. 2020)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist zwei Publikationen des Zlíner Germanisten Libor Marek gewidmet, die sich mit der deutschwalachischen Literatur befassen. Beide erschienen im Verlag der Tomáš-Baťa-Universität in Zlín im Jahre 2018 und die Titel lauten: Zwischen Marginalität und Zentralität und Bilder und Stimmen des anderen deutschen Ostens. „Mit seiner Monografie über die deutschwalachische Literatur und dem dazugehörigen Lesebuch legt der Autor jedoch zweifellos Material vor, das für weitere Forschungen unerlässlich sein wird, seien sie ähnlich oder anders konzipiert. Seine Typologie der Trajektorien (Bourdieu) von Akteuren des sprachlich minoritären Segments einer Regionalliteratur ist auch für weitere Überlegungen zum Verhältnis von Literatur, Regionalität/Zentralität und Ein-/Mehrsprachigkeit sehr gut nutzbar.“

Štěpán Zbytovský schreibt über Paul Adler (27. 5. 2020)

Im Rahmen des deutsch-tschechischen E*forums erscheint der Beitrag von Štěpán Zbytovský zu zwei Publikationen, die sich mit dem Werk des Schriftstellers, Journalisten und Übersetzers Paul Adler befassen, und zwar der erste Band der von Annette Teufel herausgegebenen Gesammelten Werke mit dem Titel Nämlich, und die Ausgabe ausgewählter Werke Absolute Prosa. Elohim, Nämlich, Die Zauberflöte und andere Texte, die 2018 Claus Zittel herausgab. „Das wissenschaftliche Interesse an der deutschsprachigen Literatur der böhmischen Länder brachte in den letzten Jahren eine nicht unbeträchtliche Menge von Materialentdeckungen und konzeptuell anregenden Arbeiten hervor. Ein Effekt davon ist die erhöhte Sichtbarkeit von bemerkenswerten Autoren und Texten. Voraussetzung für die Wiederbelebung eines breiteren Interesses an ihnen ist die Zugänglichkeit der Texte in qualitativ hochwertigen und benutzerfreundlichen Editionen. Dies gilt bis jetzt aber nur in eingeschränktem Maße für große Namen wie Leppin, Winder oder Ernst Weiß. Im Gegensatz zu diesen Beispielen kann man sagen, dass es dank der Ausgaben von Claus Zittel und Annette Teufel bei Paul Adler nun anders ist.“

August B. Wolf schrieb über Hermann Broch (7. 5. 2020)

Im neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums findet der Leser drei Texte von August B. Wolf, die in der Prager Presse in den Jahren 1931, 1932 und 1934 abgedruckt und Hermann Broch gewidmet wurden. „Die Bereitschaft, die Hermann Broch von seinem Leser beansprucht, führt über das bloß Interessante der Begebenheiten hinweg zu einer Deutung dieser Zeit, in der selbst wieder ein konstruktiver Wille den Aufbau vollzieht. Was schlafwandelnd den Impuls leitet, ist in einer Region des Denkens gedeutet, beides in seiner Intensität gleich geltend, so daß eines das andere durchdringt und eine Gleichzeitigkeit das Geschehnis umspielt, die den Augenblick über sein Momentanes erhellt.“

Anna Knechtel schreibt über Ota Filip und Horst Bienek (22. 4. 2020)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmen wir uns detaillierter zwei Autoren der deutsch geschriebenen Literatur der Nachkriegszeit Ota Filip und Horst Bienek, über die Jan Kubica in seiner neuen Studie Die Lebenswelt der Dreißiger- und Vierzigerjahre des 20. Jahrhunderts in multikulturellen Regionen Mitteleuropas anhand autobiografischer Prosaliteratur deutsch(schreibend)er Autoren: Ota Filip, Horst Bienek und weitere schreibt. „Für das Vorhaben Jan Kubicas eignen sich die Biographien und Werke der beiden Schriftsteller Ota Filip und Horst Bienek, die beide im Jahr 1930 zur Welt kamen, in besonderer Weise: Nur knapp 80 km voneinander entfernt, liegt Bieneks Heimatstadt Gleiwitz/Gliwice/Hlivice heute in Polen, Filips Geburtsort Mährisch-Ostrau/Ostrava in der Tschechischen Republik. Als Kinder und Jugendliche jedoch lebten sie in heute nicht mehr existierenden Staaten: Horst Bienek war Bürger des Teils Oberschlesiens, der 1920 durch Volksabstimmung beim Deutschen Reich verblieb, nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 aber zu Polen kam, während Mährisch-Ostrau zur Kinderzeit Ota Filips zur 1918 gegründeten Tschechoslowakei gehörte, die ab 15. März 1939 als Protektorat Böhmen und Mähren unter der Herrschaft NS-Deutschlands stand und nach dem Zweiten Weltkrieg von Neuem Teil der wieder errichteten Tschechoslowakei wurde.“

Jana Dušek Pražáková schreibt über den vergessenen Roman Auguste Hauschners (8. 4. 2020)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist eine Buchbesprechung von Jana Dušek Pražáková zum Roman Auguste Hauschners mit dem Titel Der Tod des Löwen (1916), der mit Unterstützung des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren im letzten Jahr erschien. „Die aktuelle Ausgabe des Romans Der Tod des Löwen wird von den elf Radierungen illustriert, die der bekannte Grafiker Hugo Steiner-Prag bereits für die erste Ausgabe im Verlag Egon Fleischel & Co in Berlin fertigte. Der Text folgt der zweiten Ausgabe von 1922. Die Handlung spielt in Prag zu Beginn des 17. Jahrhunderts und erzählt von den letzten Tagen des seelisch kranken Rudolf II. Dieser hatte 1583 wegen familiärer Intrigen und der Bedrohung durch das Osmanische Reich den kaiserlichen Hof nach Prag gebracht. Er ließ sich hier eine Residenz errichten und holte Botschafter, Gelehrte und Künstler herbei. Gerade das rudolfinische Prag ist ein bedeutender Topos in vielen deutschsprachigen literarischen Werken, die die jüdische Geschichte verarbeiten.“

Mirek Němec schreibt über Václav Smyčkas Dissertation „Gedächtnis der Vertreibung“ (25. 3. 2020)

Im neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmet sich Mirek Němec der Dissertation Václav Smyčkas mit dem Titel Gedächtnis der Vertreibung, die im letzten Jahr im trancript Verlag erschienen ist. „Smyčkas Studie inspiriert in mehrfacher Hinsicht zu weiteren Fragen und vor allem Forschungen, wobei er die Latte, nach der sich weitere Arbeiten werden messen lassen müssen, hoch gelegt hat. Weil das Thema immer noch ein beliebtes Thema von verschiedenen Qualifizierungsarbeiten ist, wird ihre Auseinandersetzung mit Smyčkas Nachdenken zu einem wichtigen Bewertungskriterium eigener Bemühungen.“

Václav Maidl schreibt über das Kleinere Büchlein von Pavel Kosatík (11. 3. 2020)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist die Buchbesprechung von Václav Maidl zum „Kleineren Büchlein über deutsche Schriftsteller aus Böhmen und Mähren“ Menší knížce o německých spisovatelích z Čech a Moravy  von Pavel Kosatík, das im Jahre 2017 schon in zweiter Auflage erschien. „Pavel Kosatík ist vor allem als Autor von Biografien bekannt, die er in einen breiteren geschichtspolitischen und gesellschaftlichen Kontext einbindet. Für ein Buch über ein ganzes literarisches Gebiet (in thematischem und geografischem Sinne) musste er einen besonderen Grund haben. Dieser erwächst aus der Erkenntnis, dass die tschechische Gesellschaft trotz ihres steigenden Interesses in ihrer Gesamtheit – sei es bewusst oder unbewusst – die Existenz der einheimischen deutsch geschriebenen Literatur (beziehungsweise Kultur) nicht zu schätzen weiß. Kosatík empfindet dies als eine Schuld, die ‚beglichen werden muss‘, und beobachtet hier während fünfzehn Jahren keinen großen Wandel (das Vorwort zur 2. Ausgabe ist wortwörtlich aus der 1. Ausgabe übernommen), obwohl aus der Erweiterung des Textes und der Bereicherung der Literaturliste um weitere Titel deutlich wird, dass in der Tschechischen Republik auf diesem Gebiet in den 10er Jahren des 21. Jahrhunderts auch etwas geschehen ist und er nicht der einzige ist, der diese Schuld begleicht.“

Tea Červenková schrieb über Franz Werfel (26. 2. 2020)

Der erste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum in der Rubrik Es schrieben in diesem Jahr ist der vergessenen vielseitigen Persönlichkeit Tea Červenkovás und ihrem Bericht über die Lesung Franz Werfels im Prager Mozarteum 1914 gewidmet. „Franz Werfel ist jung, mollig, wollig, rosig und jung, mollig, wollig und rosig ist auch sein Musenkind. Auch seine Stimme ist jung und wohl klingelnd, seine Sprechweise sehr schön. Und wenn er sein unzügeltes, draufgängerisches Temperament mit den Jahren, künstlerisch moderieren, dämpfen wird, kann er tatsächlich als Rezitator etwas bedeuten.

David Sogel schreibt über die österreichisch-tschechische Geschichte (12. 2. 2020)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum ist dem Buch Nachbarn. Ein österreichisch-tschechisches Geschichtsbuch gewidmet, die Niklas Perzi, Hildegard Schmoller, Ota Konrád und Václav Šmidrkal im Wiener Verlag Bibliothek der Provinz herausgaben. „Das Buch besteht aus dreizehn eigenständigen Einheiten, die von tschechischen und österreichischen AutorInnen gemeinsam verfasst wurden. Diese nicht nummerierten Kapitel sind thematisch und chronologisch geordnet und knüpfen im Großen und Ganzen an die Begriffe Nation und Staat an, wie sie in der Einleitung definiert werden (S. 11–13). Die AutorInnen sind sich laut eigener Darstellung der Problematik der Verwendung dieser Begriffe bewusst, die mit Blick auf die Staatsgebilde des 20. Jahrhunderts unterschiedlich verstanden werden und unterschiedliche Konnotationen haben können und gehen deshalb bei den Vergleichen von einer territorialen Auffassung von Staat und Nation aus (S. 12). Den Begriff Nation verstehen sie nicht als eine stabile Kategorie, denn vor 1918 gab es so etwas wie eine österreichische Nation noch nicht, im tschechischen Kontext wiederum handelt es sich um eine rein mit Sprache und historischem Gebiet verbundene Kategorie. Mit Verweis auf diesen Umstand wird in diesem Werk die Geschichte der heutigen Slowakei, Ungarn u. a. nicht herausgearbeitet, obwohl sie für eine gewisse Zeit zu einem der Staatsgebilde gehörten (S. 12).“

Der Otokar-Fischer-Preis – 3. Jahrgang (31. 1. 2020)

Das Institut für Literaturforschung vergibt in diesem Jahr bereits zum dritten Mal, erstmals zusammen mit dem Münchner Adalbert Stifter Verein einen Preis für je eine herausragende deutschsprachige und tschechischsprachige geisteswissenschaftliche Arbeit zu germanobohemistischen Themen. Ziel des Preises ist es, die bedeutendsten deutschsprachigen Arbeiten mit tschechischer Thematik auszuzeichnen und zugleich auf tschechischsprachige Arbeiten aufmerksam zu machen, die zu einer tieferen Kenntnis der Geschichte der deutschsprachigen Bevölkerung in den böhmischen Ländern beitragen. Der Preis, der nach dem bedeutenden Bohemisten, Germanisten und Förderer der sogenannten „Germanoslavica“ Otokar Fischer benannt ist, wird in Anwesenheit der Preisträger und der Jury am 21. 5. 2020 im Goethe Institut Prag feierlich überreicht. Mehr Informationen unter www.ipsl.cz/ofp, eine Pressemitteilung finden Sie hier / im Anhang. Einsendeschluss für Vorschläge ist der 21. Februar 2020.

Václav Petrbok schreibt über das Buch Die Sprache als Fetisch (29. 1. 2020)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum kommen wir zur Publikation von Václav Velčovský mit dem Titel Jazyk jako fetiš. Texty o Češích a českých Němcích 1880–1948 [Die Sprache als Fetisch. Texte über die Tschechen und die böhmischen Deutschen 1880–1948], die die Karls-Universität im letzten Jahr herausgab. „Gleich am Anfang der Publikation führt uns Velčovský in media res durch die Überlegungen über das ‚Kaleidoskop‘ der Geschichte ein. Bereits in diesen Bemerkungen finden wir eine ganze Reihe von Termini, die auf eine sehr autoritative, nicht besonders vertrauenerweckende Art und Weise definiert werden (z. B. geht es um die zwar deklarierte, jedoch inkonsequente Differenzierung zwischen den Begriffen ‚Tschechen‘ versus ‚Böhmen‘ oder über die Gleichsetzung des Begriffs ‚der Deutsche‘ mit allen deutschsprachigen Sprechern – also auch den Österreichern oder den deutschen Einwohnern der Böhmischen Länder, der sog. Deutschböhmen).“

Lena Dorn schreibt über Vladimír Holan (15. 1. 2020)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum beschäftigt sich mit der Vladimír-Holan-Werkausgabe, herausgegeben von Urs Heftrich und Michael Špirit, mit Schwerpunkt auf Band 11 mit dem Titel Das Vorletzte. Gesammelte Werke / Band 11: Lyrik VIII: 1968–1971, mit Übersetzungen von Věra Koubová. „Der Bedeutung und Art der Übersetzung kann man sich von verschiedenen Seiten nähern. Holans Texte so umfangreich zu übertragen bedeutet auch eine Ehrung Holans als Lyrikübersetzer. Das literarische Übersetzen ist aus seinem Schaffen nicht wegzudenken; hervorgehoben werden für gewöhnlich seine (besonders zahlreichen) Übersetzungen von R. M. Rilke, von dem sein Werk beeinflusst ist. Das Slovník české literatury po roce 1945 (‚Lexikon der tschechischen Literatur nach 1945‘) listet noch sehr viele weitere Übersetzungen aus verschiedenen Sprachen und Jahrhunderten auf, darunter etwa Nikolaus Lenau, Luis de Góngora y Argote, Michail J. Lermontow, Nezāmi von Gandscha, Charles Baudelaire, Jean de La Fontaine, Adam Mickiewicz, William Wordsworth u.v.m.“

Manfred Weinberg schreibt über den neuen Roman von Jaroslav Rudiš (2. 1. 2020)

Der diesjährige Neujahrsbeitrag des deutsch-tschechischen E*forum ist eine Buchbesprechung von Manfred Weinberg zum letzten Roman von Jaroslav Rudiš, der zugleich sein erster in Deutsch geschriebener Roman ist, mit dem Titel Winterbergs letzte Reise. „Jaroslav Rudiš erzählt mit Winterbergs letzte Reise die Gegenwart eines Mitteleuropas, das sich aus seiner düsteren Geschichte nicht befreien kann, das aber andererseits auf eine beeindruckende Kontinuität eines interkulturellen Miteinanders zurückblicken kann. Rudiš hat dabei einen Weg gefunden, die mitteleuropäische Geschichte in eine spannende Handlung zu ‚verpacken‘. Manche Kritiker ächzten zwar unter der Vielzahl von kolportierten Fakten und Namen, doch liegt gerade darin der besondere Wert des Buches. Man erhält immerhin einen Eindruck davon, was man alles wissen müsste, um die eigene mitteleuropäische Gegenwart auch aus der Geschichte heraus begreifen zu können. Solches Detailwissen um die Geschichte eines Teilkontinents, der sich im andauernden Modus der Krise befindet, kann vielleicht dazu beitragen, dass aus den aktuellen Krisen nicht wieder Kriege resultieren. Wenn allzu viele auf ein solches Wissen um die Geschichte verzichten – dann, so Winterberg, ‚darf man sich nicht wundern, was gerade passiert‘ (S. 186). Der Roman sei deshalb dringlich zur Lektüre empfohlen.“

Konferenz zur Geschichte der Studentenbewegungen - call for papers (23. 12. 2019)

Das Institut für Literatur ist Mitveranstalter der Konferenz Studentische Bewegungen, Netzwerke, Avantgarden. Das Beispiel Prag in Politik, Literatur und Kultur 1848 bis 1990 geworden, die am 7. und 8. Mai 2020 in München stattfinden wird – mehr HIER. Es ist möglich, bis 15. Januar an die Adresse info@ipsl.cz Konzepte von eventuellen Beiträgen zu schicken.

Paul Einser schrieb über K. H. Mácha und die Blumen für Elisabeth (18. 12. 2019)

Am Ende des Jahres 2019 bringen wir zwei kurze Texte von Paul Eisner; der erste von ihnen ist dem Andenken an den Transport von den Überresten von Karel Hynek Mácha aus Leitmeritz nach Prag im Jahre 1938 gewidmet, der zweite vermittelt die drückende Atmosphäre in Europa desselben Jahres. „Auf eine ganz üble Art verfährt der Mensch mit den Menschen. Zu einem guten Teil darum, weil er sich selber ein Rabenvater, Rabenbruder ist. Weit mehr verbreitet, als man meint, ist eine Gattung Mensch, die ihr Mißvergnügen an der Welt in den seltsamsten Selbstkasteiungen austobt. Nicht austobt, denn die schäbige Behandlung ihrer selbst ist nur ein Anfang. Sie sparen sich den Bissen Freude vom Mund ab, um mit der unanfechtbaren Legitimation ihres Mißvergnügens vielen anderen den Tag sauer machen zu können.“

Hynek Janoušek schreibt über die Philosophie von Max Brod und Felix Weltsch (5. 12. 2019)

Der aktuellste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum stellt die philosophische Schrift Anschauung und Begriff von Max Brod und Felix Weltsch vor, die 2017 in zweiter Auflage erschien. „Brods und Weltschs Beitrag zur Erkenntnistheorie erschien zu einer Zeit, als sich die Philosophie von der Psychologie bereits abwendete und einen anderen Weg anschlug – den Weg zur Phänomenologie und Sprachphilosophie –, er rief daher nicht die Aufmerksamkeit hervor, die er verdient hätte. Die neue Auflage der Schrift wurde mit allen zeitgenössischen Rezensionen sowie mit einer inhaltlichen, 1913 im Rahmen der Kant-Studien erschienenen Zusammenfassung der Autoren versehen.“

Ines Koeltzsch schreibt über die neuen Impulse auf dem Gebiet der Jüdischen Studien (20. 11. 2019)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum informiert Ines Koeltzsch über zwei Sammelbände, die ein wichtiges Arbeitsergebnis des Centrums für Jüdische Studien der Karl-Franzens-Universität Graz ist. Es geht um die Sammelbände Jüdische Publizistik und Literatur im Zeichen des Ersten Weltkriegs, herausgeben von Petra Ernst und Eleonore Lappin-Eppel, sowie Jewish Soldiers in the Collective Memory in Central Europe, herausgegeben von Gerald Lamprecht, Eleonore Lappin-Eppel und Ulrich Wyrwa. „Beide Sammelbände gehen auf Forschungsprojekte des CJS zurück sowie auf Tagungen, an denen zahlreiche internationale KollegInnen teilnahmen und zu dem im letzten Jahrzehnt spürbar gestiegenem Forschungsinteresse der Jüdischen Studien am Ersten Weltkrieg als einem ‚turning point‘ der europäisch-jüdischen Geschichte (Jewish Soldiers, S. 13) beitrugen. Im Mittelpunkt beider Bände steht der ‚Facettenreichtum jüdischen Selbstverständnisses‘ – das gesamte Spektrum der Kategorien ‚Erwartung – Erfahrung – Erinnerung‘ (Jüdische Publizistik, S. 8), das anhand in Vergessenheit geratener fiktionaler und dokumentarischer Texte und Bilder jüdischer AutorInnen Zentral- und Osteuropas während und nach dem Ersten Weltkrieg herausgearbeitet werden soll.“

Markus Grill schreibt über Anton Kuh (6. 11. 2019)

Mit dem aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum stellt Markus Grill die Persönlichkeit Anton Kuhs vor, und zwar anhand der im letztem Jahr herausgegebenen ersten Biografie zu Anton Kuh aus der Feder Walter Schüblers. „Anton Kuhs (1890–1941) Rolle in der Literaturgeschichte beschränkte sich lange Zeit auf den Pointenlieferanten. Die zahlreichen witzigen Anekdoten über den jüdischen Publizisten und Stegreifredner wurden von Feuilletonisten wie von Literaturwissenschaftlern über Jahrzehnte hinweg weitergeschrieben. Dankbar bedienten sie das Bild des genialisch-schlampigen Kaffeehausdichters, der sich durch Cafés und Hotelbarsschnorrt und seinen Gönnern für jede Gefälligkeit ein Bonmot abwirft.“

Emil Saudek schrieb über Hugo Sonnenschein (23. 10. 2019)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum bringen wir ein Essay von Emil Saudek mit dem Titel Kulturbastard, der im Februar 1911 im Slavischen Tagblatt erschien, und dessen Hauptfigur der aus Gaya (Kyjov) stammende Dichter Hugo Sonnenschein ist. „Die Bezeichnung ‚Kulturbastard‘, wie sich der Dichter in schüchterner, selbstironisierender Traurigkeit nennt, trifft nicht nur zu, wenn man die bunten nationalen, religiösen und sozialen Elemente, die diesen Dichter zusammengewürfelt haben, ins Auge faßt, sie gewinnt auch ihre symbolische Bedeutung, wenn man seine Art, die Lebenserscheinungen zu betrachten, kennzeichnen will. Jedem seiner Blicke auf ein Einzelnes, jedem seiner Urteile geht unbewußt eine Kreuzung unendlich vieler Anschauungen anderer voran. Kulturen einsamer Herzen, ebenso wie aller in der Masse und mit der Masse lebender Eiferer, haben zwar die größte Blutschande in ihm getrieben, bevor seine Synthesen geboren wurden. In diesem Buche lebt auch ein gutes Stück dessen, was die moderne čechische Literatur der Neunzigerjahre genährt hat, es gibt hier Gedichte, die an den früh verstorbenen Hlaváček, mahnen (Meine Sprache), an Stan. Karel Neumann, dem Sänger der ‚Apostrophy hrde a vašnivé‘, an Jiří Karásek, den berichtigten Dekadenten und den großen Barden Bezruč.“

Veronika Jařabová schreib über das Prager jüdische Großbürgertum im 19. Jahrhundert (9. 10. 2019)

Der heutige Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum ist eine Buchbesprechung von Veronika Jařabová zur Publikation Nur eine "Geld-Emancipation"? Loyalitäten und Lebenswelten des Prager jüdischen Großbürgertums 1800–1867 der Autorin Martina Niedhammer aus dem Jahre 2017. „Das Grundgerüst des ganzen Textes bildet Niedhammers innovatives Konzept, mit dem sie diverse Aspekte der „Lebenswelten“ ausgewählter ProtagonistInnen des Prager jüdischen Großbürgertums (nicht nur) mithilfe von Topografie beleuchtet. Die Verbindung zwischen den AkteurInnen und bestimmten Orten, die sie symbolisch auf eine ganze soziale Schicht überträgt, hat einen stark metaphorischen Charakter.“

Manfred Weinberg schreibt über Franz Kafka zum zweiten Mal (26. 9. 2019)

Den ersten Kafka-Beitrag von Manfred Weinberg für das deutsch-tschechische E*forum ergänzt die heutige Besprechung zu Markus Grafenburgs Dissertation Gemeinschaft vor dem Gesetz. Jüdische Identität bei Franz Kafka aus dem Jahre 2016. „Während es den der Biographie Kafkas geltenden Kapiteln gelingt, die Frage nach der ‚Conditio moderna Judaica‘ als Lebensthema Kafkas zu erweisen (auch wenn die Diagnose der Monokausalität eine der in der Kafka-Forschung üblichen Übertreibungen darstellt), unterstehen die Interpretationen dem Verdikt von Manfred Engel: Alles ist schon vorentschieden. Der vorausgesetzten These wird die genaue Lektüre geopfert und nur das in die Analysen aufgenommen, was sie stützt.“

Manfred Weinberg schreibt über Franz Kafka (11. 9. 2019)

Heute eröffnen wir die zweiteilige Beitragsreihe für das deutsch-tschechische E*forum von Manfred Weinberg zu Franz Kafka. Der erste Text ist eine Buchbesprechung zum Buch Franz Kafka: Der ‚Landarzt‘-Zyklus. Freiheit – Schrift – Judentum von Marcel Krings, das vor zwei Jahren in Heidelberg herausgegeben wurde. „Manfred Engel hat die Schnittmenge der unterschiedlichen Deutungsansätze, mit denen die Kafka-Forschung auf diese Malaise reagiert hat, so resümiert: Gemeinsam sei ihnen, „dass sie [...] das ‚Eigentliche‘ ‚hinter‘ oder ‚unter‘ der ‚uneigentlichen‘ Textoberfläche nicht wirklich suchen, sondern bereits gefunden haben. Vor jeder Interpretation wissen sie, worauf der Text hinausläuft, hinauslaufen muss – und der Interpretationsakt besteht hauptsächlich darin, einen (mehr oder weniger) plausiblen Bezug zwischen der Textoberfläche und dieser ‚Bedeutung‘ herzustellen.“ (Kafka lesen – Verstehensprobleme und Forschungsparadigmen. In: Bernd Auerochs / Manfred Engel: Kafka-Handbuch, Stuttgart: Metzler, 2010, S. 424) Auf diese Weise lässt sich alles in Kafkas Texte hineinlesen. Das immerhin zeigt die hier zu besprechende Studie (Marcel Krings: Franz Kafka: Der ‚Landarzt‘-Zyklus. Freiheit – Schrift – Judentum [Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2017]) mit den am Anfang jeder Interpretation stehenden Forschungsüberblicken in großer Prägnanz.“

Václav Maidl schreibt über die Dichter des Elbgebietes (28. 8. 2019)

Diese Woche bringen wir im Rahmen des deutsch-tschechischen E*forum einen Beitrag von Václav Maidl zur Publikation von Lenka Kusáková mit dem Titel Rovinám rodným náleží písně mé... [Ich singe meine Lieder der Ebenen / meiner Heimat]. „Die Publikation trägt somit unabsichtlich zur territorialen, nicht sprachlichen Auffassung der Literatur bei (in der Reihe Dichter des Elbgebietes, herausgegeben von dem oben genannten Verlag, handelt es sich bereits um den 16. Band und innerhalb des Verlagsprogrammes um insgesamt den vierten, der sich dem literarischen Gedächtnis dieser Gegend widmet). Trotzdem stolpert man über das Sprachkriterium (Literatur wird dennoch in einer Sprache geschrieben): die deutsch schreibenden Dichter des Elbgebietes erwarben ihren literarischen Ruhm hauptsächlich in Kulturzentren, die tschechischen Mitbürger in ihren jeweiligen Heimatorten (Kolín, Poděbrady) nahmen ihn wahrscheinlich nicht besonders wahr. Das Sprachkriterium stellt allerdings ein größeres Hindernis dar als gedacht.“

Lenka Vodrážková vergleicht Tschechisch und Deutsch als Fachsprachen (7. 8. 2019)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum widmet sich Lenka Vodrážková der Publikation Tschechische und deutsche Wissenschaftssprache im Vergleich. Wissenschaftliche Artikel der Linguistik der Autorin Agnes Goldhahn, die das Tschechische und Deutsche als Fachsprachen vergleicht. „Der deutsch-tschechisch Vergleich wird jedoch durch viele zeitgenössische monolinguale Beschreibungen verzerrt, die auf diverse Theorien, Methodologien und Terminologien zurückgehen. Als Folge eines bereits in den 1970er Jahren beginnenden, deutlichen Übergangs von der System- zur Parole-Beschreibung (im Falle des Textes sowie der Sprachhandlung) verlagerte sich das Interesse der Konfrontationsforschung vom Vergleich sprachlicher Strukturen hin zu textlinguistischen und pragmatischen Problematiken.“

Franz Schulz schrieb über Mutter Prag (24. 7. 2019)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum ist dem Schriftsteller und Drehbuchautor Franz Schulz und seinem Text über Prag aus dem Jahre 1921 gewidmet. „Dass Prag auch anders wirken kann, wissen wir. Viele haben über diese Stadt geschrieben; zuletzt Suares. Und es ist klar, dass ein Besucher von reiner Unbefangenheit anders reagiert als Apollinaire. Hermann Bang empfand an der Moldau eine stille, doch nicht ruhige Romantik; eine gefährliche, beunruhigende Stille. Ich glaube übrigens, dass – auch jenseits der zufälligen Befangenheit oder Unbefangenheit – an der Art der Phantastik und des Bizarren, welche ein jeder Sensible in dieser Stadt erblickt, die phantastischen Neigungen zu erkennen sind, die den Menschen in Wahrheit beherrschen.“

Zuzana Jürgens schreibt über die Leipziger Buchmesse (10. 7. 2019)

Das deutsch-tschechische E*forum bringt den Bericht von Zuzana Jürgens über die diesjährige Buchmesse in Leipzig, wo Tschechien das Gastland war. „Die Aufmerksamkeit der Rezensent/innen konzentrierte sich auf die bereits vertrauten Namen: Jáchym Topol, Radka Denemarková, Kateřina Tučková und Jaroslav Rudiš (der durch die Nominierung seines auf Deutsch geschriebenen Romans Winterbergs letzte Reise für den Leipziger Buchpreis besonders im Vordergrund stand). Während J. Rudiš seit einigen Jahren mit seinen Büchern und anderen Aktivitäten in den deutschen Medien wahrscheinlich der bekannteste zeitgenössischer tschechischer Schriftsteller in Deutschland ist, verhält es sich bei den anderen drei anders.“

Lucie Merhautová schreibt über die Doppelpublikation von Peter Drews (27. 6. 2019)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum beschäftigt sich mit zwei im Jahre 2017 erschienenen Publikationen von Peter Drews Die slavische Rezeption deutscher Literatur. Die Aufnahme deutscher Belletristik in den slavischen Literaturen von den Anfängen bis 1945 und Die deutschsprachige Rezeption slavischer Literatur. Die Aufnahme slavischer Belletristik im deutschsprachigen Raum von den Anfängen bis 1945. „Die wechselseitigen deutsch-tschechischen und tschechisch-deutschen Beziehungen in den böhmischen Ländern sind für Drews eine Angelegenheit von zwei abgetrennten Gruppen, der Tschechen und böhmischen bzw. mährischen Deutschen. Den Wandel kultureller und sprachlicher Präferenzen oder das Phänomen der Mehrsprachigkeit nimmt er nicht besonders zur Kenntnis. Erstaunlicherweise verdrängt oder verschweigt der Autor die Rolle jüdischer Vermittler, ihre spezifische Stellung, ihre spezifischen Motivationen und den wachsenden Anteil dieser Vermittler an Vermittlungsversuchen, in den Literaturverzeichnissen finden sich ferner beinah keine Arbeiten, die sich diesem Thema in der letzten Zeit gewidmet haben.“

Sara Hauser schreibt über die feuilletonistische Konferenz vom September 2018 (12. 6. 2019)

Das deutsch-tschechische E*forum bringt diesmal einen Bericht über die Konferenz Prag im / Feuilleton / in Prag, die Irina Wutsdorff und Ulrike Mascher gemeinsam mit Manfred Weinberg und Štěpán Zbytovský im September 2018 organisierten. „Das Nebeneinander und der Dialog verschiedener feuilletonistischer Zugänge zum urbanen Prager Raum verdeutlichten vor allem Eines: Wie facettenreich Feuilletons komprimiert moderne Geistesgeschichte lesbar machen. Um das Forschen in diesen Zeitschleusen auszudifferenzieren, gilt es zukünftig, Digitalisierungsdesiderate zu beheben und den – auf dieser Konferenz geglückten – bohemistisch-germanistischen Austausch über die noch junge Feuilletonforschung weiter zu befördern.“

Záviš Šuman schreibt einen Luftschlosszerstörer (29. 5. 2019)

Im Rahmen des deutsch-tschechischen E*forum wird in dieser Woche der Beitrag von Záviš Šuman zu der 2017 im Verlag der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität herausgegebenen Publikation Josef Čermáks „I do daleka vede cesta… Vybrané studie z literární komparatistiky a moderní německé literatury.“ [Auch in jene Weite führt der Weg… Ausgewählte Studien zur Komparatistik und modernen deutschen Literatur.] vorgelegt. „Čermáks Methode findet – mal mehr, mal weniger – in all seinen Texten unterschiedlichster Genres Anwendung. Seien es Porträts von Freunden oder Bekannten Franz Kafkas oder von bedeutenden (jedoch bei Weitem nicht nur den bedeutendsten) Persönlichkeiten der tschechischen Vorkriegsgermanistik (einschließlich Charakterisierungen des kulturellen Milieus der Prager jüdischen Community), übersetzungswissenschaftliche Arbeiten oder Erinnerungen und Zeugnisse – Čermák stützt sich stets auf eine verlässliche (und daher überprüfbare) Faktografie, welcher oft intensive Archivrecherchen zugrundeliegen. Diese Materialbasis befähigt ihn, in polemischem Geiste unermüdlich verfälschende und von der Sekundärliteratur unablässig wiederholte Urteile, z. B. über Kafkas Tschechischkenntnisse, seine Beziehung zum radikalen Anarchismus, seine politischen Einstellungen oder seine Kenntnis der tschechischen Literatur, zu entkräften. Diese Erkenntnisse, potenziert durch eine außergewöhnliche Kenntnis der einheimischen wie auch der internationalen Kafka-Forschung, dienen ihm jedoch größtenteils nicht als Sprungbrett zu weiteren Spekulationen, sondern zielen eher darauf ab, in nüchterner Manier die Luftschlösser nicht belegter oder nicht belegbarer Hypothesen zu demontieren, auf die sich einige ideologisierende oder regelrecht sensationsheischende Auslegungen von Kafkas Werk stützen.“

Conference: Found in translation? - Ästhetische und soziokulturelle Funktionen literarischer Übersetzungen in Europa zwischen 1890 und 1939 (28. 5. 2019)

Institut für Literaturforschung lädt herzlich zu der internationalen Konferenz Found in translation? ein, die das Institut für Literaturforschung gemeinsam mit dem Masaryk Institut und Archiv der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik an diesem Donnerstag und Freitag 30.-31. Mai im Österreichischen Kulturforum in Prag veranstalten.  Die Konferenz  konzentriert sich auf die ästhetischen und soziokulturellen Funktionen literarischer Übersetzungen in Europa zwischen 1890 und 1939. Kultur- und LiteraturwissenschaftlerInnen, HistorikerInnen und TranslatologInnen werden an diesen beiden Tagen verschiedene Zugänge zu literarischen Übersetzungsprozessen in Vergangenheit und Gegenwart diskutieren sowie sich mit Fragen nach den Vernetzungs- und Transferleistungen von ÜbersetzerInnen, aber auch nach dem Scheitern von literarischen Übersetzungsprojekten im jeweiligen gesellschaftspolitischen Kontext beschäftigen. Die Konferenzsprachen sind Englisch und Deutsch.

Veronika Jičínská und Claus Zittel schreiben über Handbuch der deutschen Literatur Prags und der Böhmischen Länder (16. 5. 2019)

Diesmal bieten wir im Rahmen des deutsch-tschechischen E*forum zwei Beiträge, die sich beide auf die 2017 herausgegebene kollektive Publikation Handbuch der deutschen Literatur Prags und der Böhmischen Länder beziehen.

„Das Handbuch der deutschen Literatur Prags und der Böhmischen Länder ist das erste Nachschlagewerk dieser Art über die deutsche Literatur in den Böhmischen Ländern vom 18. bis zum 2o. Jahrhundert. Es ist in der angesehenen Handbuch-Reihe des deutschen J. B. Metzler-Verlags erschienen. Laut den Herausgebern ist das Buch für ein Fachpublikum wie auch für eine breitere, über die deutschsprachigen Länder hinaus literaturgeschichtlich interessierte Öffentlichkeit bestimmt.“ (aus dem Text von Veronika Jičínská)

„Literatur von Rang entsteht immer in einem vielstimmigen Universum von Texten. Eine Literaturgeschichtsschreibung, die sich auf die vermeintlich eigene nationale Tradition konzentriert, etwa eine Geschichte der Schweizer oder Österreichischen Literatur postulierend, verkennt, dass das Eigene immer ein Hybrid aus vielen Welten ist und das literarische Verweissystem nie an Landesgrenzen endet. Länderspezifische Literaturgeschichten selektieren, isolieren und verzerren ihre Gegenstände. Jede seriöse Literaturwissenschaft ist vergleichende Literaturwissenschaft. Nimmt man das neue fabelhafte Handbuch der deutschen Literatur Prags und der Böhmischen Länder zur Hand, stellt man indes erfreut fest, dass hier nicht einfach eine weitere, den Blick verengende Perspektive zu den kanonischen Sichtweisen hinzutritt, schon gar nicht Heimatkunde und Denkmalpflege betrieben, sondern dass die üblichen historiographischen Modelle herausgefordert und ihre dominanten Standpunkte relativiert werden.“ (aus dem Text von Claus Zittel)

Václav Petrbok schreibt über Kurt Krolop (1. 5. 2019)

Diese Woche zum zweiten Mal erscheint im Rahmen des E*forum ein Beitrag zur Persönlichkeit Kurt Krolops. In der folgenden Buchbesprechung widmet sich Václav Petrbok der postum herausgegebenen Publikation mit dem Titel Studie o německé literatuře. „Der Gegenstand der folgenden Anmerkungen ist nicht Krolops fachliches Vermächtnis als solches, wie es im Band präsentiert wird, sondern der Teil, der sich auf das ganzheitliche, gebietsbezogene Studium der Literatur und Kultur der böhmischen Länder bezieht. Wiewohl sein Fachinteresse auch ‚rein‘ germanistischen Themen galt (der Herausgeber weist auf die unsignierten Kapitel zur deutschen und österreichischen Literatur des 19. Jahrhunderts hin, die im 6. bis 8. Band der synthetischen Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart des Ostberliner Verlags Volk und Wissen erschienen), bildeten die beiden Sprachkulturen (also die der tschechischen sowie der deutschen Sprache) natürlich und spontan eine Art Horizont für die Überlegungen des Autors.“

Ladislav Futtera schreibt über Jiří Kořalkas Buch (17. 4. 2019)

In dem neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum widmet sich Ladislav Futtera der Publikation Jiří Kořalkas Tschechen und Deutschland im langen 19. Jahrhundert. Studien zum gegenseitigen Verhältnis 1800–1918, die drei Jahre nach dem Tode des Autors erschienen ist. „Obwohl es sich um keine Synthese handelt, sondern um eine Sammlung relativ eigenständiger Studien, bietet das Buch einen wirklich synthetisierenden, strukturierten Einblick in Kořalkas Überlegungen zur Problematik der deutsch-tschechischen Beziehungen und in das Repertoire der Themen, die ihn beinahe sein ganzes Leben lang beschäftigten. Im Wesentlichen erinnert die Struktur der Arbeit an Kořalkas wenigstens im tschechischen Kontext bekannteste Monografie Tschechen im Habsburgerreich und in Europa 1815–1914 (1991, auf Tschechisch erst 1996 erschienen), in der Fragen nach der Herausbildung moderner Nationen und der damit zusammenhängenden Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft, nach den Versuchen um eine politische Lösung der tschechisch-deutschen Nationalitätenfrage, der tschechischen Arbeiterbewegung im Kontext der österreichischen Arbeiterbewegung und schließlich nach der internationalen Verankerung der tschechischen Politik in den Vordergrund traten. Die Spannweite der Themen ist im Falle von Tschechen und Deutschland allerdings erheblich größer: Insgesamt neunzehn Studien sind hier in sieben größeren thematischen Abschnitten zusammengefasst.“

Aleš Urválek schreibt über die deutsch geschriebene jüdische, mährische und Prager Literatur (3. 4. 2019)

Im neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum widmet sich Aleš Urválek der Publikation O německy psané literatuře pražské, moravské a židovské [Die deutsch geschriebene jüdische, mährische und Prager Literatur] von Ingeborg Fialová-Fürstová, die vor zwei Jahren in Olmütz erschienen ist. „Das Buch beinhaltet 17 Studien, ein Vorwort, eine Zusammenfassung und ein deutsches Resümee; auch wenn die Publikation nicht in einem Zug entstanden ist, der Gesamteindruck bleibt kompakt. Die thematische Dichte ist darauf zurückzuführen, dass makroskopische Abhandlungen sich abwechseln, einerseits zur Prager deutschen, andererseits zur deutschmährischen Literatur. Einmal wird die mährische jüdische Literatur, ein anderes Mal deren romantische Phase und wieder ein anderes Mal die expressionistische Phase sowohl der deutschen als auch der tschechischen Literatur fokussiert.“

Matouš Turek schreibt über die mittelalterliche deutschsprachige Literatur (20. 3. 2019)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum verweist auf den mittelhochdeutschen Versroman Wilhelm von Wenden von Ulrich von Etzenbach, herausgegeben von Mathias Herweg unter dem Titel Wilhalm von Wenden. Text, Übersetzung, Kommentar. „Ulrich von Etzenbach, Dichter am Hofe des böhmischen Königs Přemysl Ottokar II. und später auch seines Sohnes Wenzel II., erzählt die melodramatische Geschichte des slawischen Heidenkönigs Wilhelm und seiner Frau Bene. Der verwaiste Wilhelm besteigt mit zwölf Jahren den Thron und nimmt die gleichaltrige Bene zu Frau. Mit achtzehn unternimmt er in Verkleidung eine Pilgerfahrt zu Christus, während der er sich heimlich von seiner Frau trennt und die frisch geborenen Zwillingssöhne verkauft, um alleine nach Jerusalem zu gelangen. Dort lässt er sich taufen und beteiligt sich am Kampf gegen die Sarazenen. Auch Bene und die Zwillinge erleben wundersame Peripetien an unterschiedlichen Orten der Welt, bis die drei Handlungslinien wieder zusammenfließen und in einem guten Ende münden: Die Familie kommt wieder zusammen und kehrt zurück in die Heimat, um dort nicht nur die Herrschaft zu übernehmen, sondern auch den richtigen Glauben zu verbreiten.“

Václav Fronk schreibt über Napínavá doba (Eine spannende Zeit) (6. 3. 2019)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum befasst sich Václav Fronk mit der im letzten Jahr erschienenen Publikation Petr Karlíčeks mit dem Titel Napínavá doba. Politické karikatury (a satira) Čechů, Slováků a českých Němců (1933–1953). „Die verschiedensten Fehltritte gegen die Grundregeln eines publizierten Fachtexts sind dermaßen zahlreich und offensichtlich, dass sie zum Gedanken verleiten, es könne sich auch um boshafte Absicht handeln. Das Buch ist in jedem Fall eine gute Gelegenheit, über den Sinn der Arbeit eines Historikers im 21. Jahrhundert nachzudenken. Persönlich sehe ich diesen in zweierlei Grundfertigkeiten: Fragen zu stellen und Begriffe korrekt zu verwenden in einer Zeit, in der der Wille, einen echten Dialog zu führen, aus dem öffentlichen Raum schwindet und der Sinn von Worten verwischt. Eine spannende Zeit von Petr Karlíček zeigt allerdings eindrucksvoll, dass man auch ohne beides ganz gut zurechtkommt. So ist es immerhin möglich, sich auf fast genial einfache Weise mit einem Thema auseinanderzusetzen, das sonst zu den überhaupt anspruchsvollsten gehört.“

Jan Budňák schreibt über die Laboratorien der Moderne (20. 2. 2019)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum bringt die Sicht von Jan Budňák auf den im Jahre 2016 erschienenen und von Bernd Stiegler und Sylwia Werner herausgegebenen Sammelband mit dem Titel Laboratorien der Moderne. „Die etwa dreihundert Seiten fassende Publikation kann nicht alle mittel- und osteuropäischen Modernen beinhalten, die sich in den jeweiligen, bislang mehr oder weniger – zumindest aus deutscher Perspektive – vernachlässigten kleinen, deutlich pluralistischen Zentren herauskristallisierten. Diese Absicht ist wegen ihrer breiten kulturwissenschaftlichen Ausrichtung doppelt unmöglich. In einem engeren, etwa einem germanobohemistischen Rahmen ergeben sich aus den Texten wie auch aus dem Konzept eines Laboratoriums der Moderne viele inspirierende und vor allem lösbare Fragen: Wie hängt beispielsweise Otokar Fischers 1909 auf Tschechisch, 1910 auf Deutsch erschienene Studie O nevyslovitelném (Das Unnennbare), die mit ähnlichen Quellen arbeitet wie Brod und Weltsch (Hofmannsthal, Mauthner), mit Brods „Theorie des Verschwommenheit“ zusammen? Ist sie Ausdruck desselben „Wissensraums“, der eine örtlich-spezifische Form der Moderne darstellt?“

Lucie Antošíková schreibt über die Konferenz Wie schreibt man transkulturelle Literaturgeschichte? (6. 2. 2019)

Im Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum berichtet Lucie Antošíková diesmal über die im November 2018 stattgefundene Konferenz zum Thema Wie schreibt man transkulturelle Literaturgeschichte? „Obwohl diese wie auch die Titelfrage der Konferenz Wie schreibt man transkulturelle Literaturgeschichte? bis zum Schluss unbeantwortet blieben, zeigten die einzelnen Präsentationen und auch die Reaktionen aus dem Publikum deutlich, dass es in der Fachöffentlichkeit durchaus Bedarf an einer neuen Auffassung von Literaturgeschichte gibt. Spürbar war jedoch auch eine allgemeine Skepsis gegenüber der Erfüllung dieses Bedarfs in Form einer Literaturgeschichte, die die Literatur der Böhmischen Länder über die ganze Zeit ihrer Existenz hinweg und gleichzeitig in ihrer ganzen Breite, also einschließlich jeglichen Übergreifens nationaler Grenzen, umfassen würde.“

Lena Dorn schreibt über die Übersetzung von Literatur (16. 1. 2019)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum ist der Übersetzung von Literatur nach Radek Malý gewidmet. Sein Buch Příběhy básní a jejich překladů (Geschichten von Gedichten und ihren Übersetzungen) bespricht Lena Dorn. „Das relativ kleine Buch gibt eine Ahnung von vielen Gedanken und Erkenntnissen, die im Prozess des Übersetzens eine Rolle spielen und einen Weg zur Wahrheit hin versprechen, die aber im fertigen Produkt, im fertigen Text, der Version, für die sich der Übersetzer dann entscheiden muss, nicht mehr als Bewegung erkennbar, sondern gleichsam im Moment erstarrt, gefestigt, ewig erscheinen müssen. Die Suchbewegung bleibt in der Poetik der Übersetzung aufgehoben. Das bedeutet auch, dass sie in der Poetik einer Übersetzung zugänglich gemacht werden kann, wie Radek Malý zeigt.“

Vojtěch Jirát schrieb über die deutschböhmische Literatur (31. 12. 2018)

Im letzten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum in diesem Jahr legt Václav Petrbok einen Text von Vojtěch Jirát mit dem Titel Písemnictví československých Němců [Das Schrifttum tschechoslowakischer Deutscher] vor. „Die deutsche Literatur in Böhmen und Mähren erlebte ihre große Zeit um 1400, als hier das bedeutendste Werk der deutschen Frührenaissance, Der Ackermann aus Böhmen, entstand, ein gewaltiges Prosagedicht, das angesichts seiner historischen Bedeutung sowie seines poetischen Wertes lange keinen gleichrangigen Nachfolger fand; die Reformationszeit konnte nur durch Quantität, nicht durch Qualität konkurrieren (abgesehen von den Predigten des Joachimsthaler Lutherschülers Mathesius, der der deutschböhmischen Literatur eigentlich nicht zuzuordnen ist), in den folgenden Jahrhunderten folgte ein Niedergang, von dem weder das Verweilen führender deutscher Romantiker in unseren Ländern noch die Neigung zur Stammeseigenart die deutsche Literatur in Böhmen und Mähren zu retten vermochte.“

Jozo Džambo schreibt über „neue Bienen fremder Literaturen“ (20. 12. 2018)

Im neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum widmet sich Jozo Džambo dem Buch „Neue Bienen fremder Literaturen“. Der literarische Transfer zwischen den slawischen Kulturen und dem deutschsprachigen Raum im Zeitalter der Weltliteratur (17701850), das im Jahre 2016 Gertraud Marinelli-König und Philipp Hofeneder herausgaben. „Die Vorstellung einer Publikation wie dieser, in der zwanzig Autorinnen und Autoren zu Wort kommen und höchst Interessantes und Informatives anbieten, kann nur unbefriedigend ausfallen, denn sie muss sich auf nur wenige Hinweise beschränken. Dem wissenschaftlichen „florilegium“ wird diese unvermeidliche Selektion gewiss Unrecht tun, aber auch das wenige Erwähnte soll auf diese hervorragende, gut durchdachte und mustergültig redigierte Publikation neugierig machen.“

Agnes Kim schreibt über das Deutschlernen „von unten“ (5. 12. 2018)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum behandelt das Deutschlernen von unten, wie es in seiner Publikation Deutschlernen „von unten“: Böhmakeln und Kuchldeutsch das Autorenteam Bettina Morcinek, Veronika Opletalová, Helmut Glück a Karsten Rinas beschrieb. „In Ermangelung authentischer Quellen sichtet das Buch v. a. literarische Zeugnisse für „Böhmakeln“ und „Kuchldeutsch“, verortet sie historisch und im weiteren Sinne auch literaturgeschichtlich. Daran schließt eine beispielreiche Aufzählung sprachlicher Phänomene an, die als für die Bezugsregister typisch erachtet werden. An die rund 150-seitige, in sechs Teilkapitel gegliederte fachliche Abhandlung schließt ein Abdruck ausgewählter Quellen selben Umfangs an. Die dem Buch beiliegende CD (24 Ton- und Musikbeispiele) soll einen Eindruck vom Klang der untersuchten, primär historisch gesprochenen Register vermitteln.“

Ferdinand Deml und Julius Mader schreiben über sudetendeutsche Literatur (21. 11. 2018)

Die aktuelle Ausgabe des deutsch-tschechischen E*forum bringt Texte von zwei weniger bekannten Beiträgern der Zeitschrift Die Wahrheit zum Thema „sudetendeutsche Literatur“, nämlich von Ferdinand Deml und Julius Mader. Keiner der zitierten Beiträge postuliert eine unproblematische Einheit der deutschsprachigen Literatur in der Tschechoslowakei, sie propagieren allerdings auch keineswegs eine grundlegende Trennung zwischen der Metropole und den Regionen. Sie lassen sich so gesehen als Anregungen zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit den damaligen Reflexionen über die Literatur (in beiden Fällen zusammenfassend als ‚sudetendeutsch‘ bezeichnet) betrachten, die sich der exklusiven Alternative ‚Einheit‘ vs. ‚Vielfalt‘/‚Dualität‘ widersetzen.“

Lucie Merhautová schreibt über Maria Stona (7. 11. 2018)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum ist dem 2014 herausgegebenen Buch von Martin Pelc Maria Stona und ihr Salon in Strzebowitz gewidmet. „Wohl weil das Buch in Tschechien auf Deutsch erschien und nur wenig vertrieben wurde, ist es unberechtigterweise etwas untergegangen. Die einführende Studie hätte auch eine Übersetzung ins Tschechische verdient, und weiteres Interesse an der Autorin könnte eine Neuausgabe ihrer literarischen Arbeiten hervorrufen – ihr letzter Erzählband erschien 1962 unter dem Titel Dorfgestalten aus dem Vorfeld von Groß-Ostrau und war auf Tschechisch in Form einer modernen Übersetzung noch nicht zu entdecken...“

Štěpán Zbytovský schreibt über Paul Adler (24. 10. 2018)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum äußert sich Štěpán Zbytovský zur Publikation Annette Teufels mit dem Titel Der ‚un-verständliche‘ Prophet. Paul Adler, ein deutsch-jüdischer Dichter. „Annette Teufels Buch bietet eine eigenwillige und gut in Adlers Texten verankerte Interpretation seines Werks. Es lässt jedoch auch Raum zu weiterer Forschung: Eingehendere Betrachtung verdient z. B. Adlers Stellung im Kontext der Prager Moderne um 1900, mehr oder weniger unbearbeitet bleiben auch die Zusammenhänge seines publizistischen Schaffens in den zwanziger und dreißiger Jahren, insbesondere die zahlreichen Artikel für die Prager Presse, wie auch die Motive und Umstände der Herausgabe einer Adler gewidmeten Themenausgabe der Aktion im Juni 1916. Dies ändert allerdings nichts daran, dass jeder weitere Beitrag zur Adler-Forschung in einen zweifellos fruchtbaren Dialog mit dieser Publikation treten wird.“

Markéta Balcarová schreibt über Anna Seghers und Lenka Reinerová (10. 10. 2018)

Der neueste Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum behandelt den Sammelband „Mir hat immer die menschliche Solidarität geholfen.“ Die jüdischen Autorinnen Anna Seghers und Lenka Reinerová (2016), der von Viera Glosíková, Ilse Nagelschmidt und Sina Meißgeier herausgegeben wurde. „Die Beiträge handeln von den beiden Autorinnen, die sich persönlich kannten und ihre jüdischen Wurzeln, ihre kommunistische Gesinnung und ähnliche Schicksalslinien teilten (beide waren betroffen von der Ermordung ihrer Familienmitglieder sowie vom Zwangsexil in Mexiko während des Zweiten Weltkriegs). […] Der Sammelband enthält insgesamt neun Studien, eingeteilt in drei Sektionen mit den Titeln Text und Kontext, Existenz- und Identitätsproblematik und Sprachreflexionen.“

Walter Victor schrieb über Den Thronfolger (26. 9. 2018)

Im heutigen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum legt Ladislav Futtera eine Buchbesprechung von Walter Victor aus dem Jahre 1937 zum Roman Der Thronfolger von Ludwig Winder vor. „In Anbetracht dessen, dass die Verbreitung von Winders Werken im Nazideutschland wegen der jüdischen Herkunft des Autors nicht in Frage kam und Der Thronfolger in Österreich aufgrund des Traditionsschutzgesetzes Ende 1937 verboten wurde, repräsentierte die Stimme von Walther Victor, neben den Bewohnern der Böhmischen Länder (eine tschechische Ausgabe erschien in der Übersetzung von František Šelepa in der Reihe Knihovna Lidových novin / Die Bücherei der Volkszeitung im April 1938), die zweitgrößte Gruppe unter den Leserinnen und Lesern des Romans, und zwar die deutschen Emigranten. Victor, der einer jüdischen Familie aus Posen entstammte, gehörte nicht zu den prominentesten, aber auch nicht zu den unbedeutenden Autoren.“

Václav Maidl schreibt über Karel Klostermann (13. 9. 2018)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum widmet sich Václav Maidl dem Buch von Karel Klostermann Velebnost, melancholie, hrůza [Pracht, Melancholie und Schrecken], die Michal Hořejší 2016 herausgab und die eine Auswahl aus Klostermanns Erzählband V srdci šumavských hvozdů [Im Herzen des Böhmerwaldes, Grafenau, 2018] vorstellt. „Im Jahr 2016 gab Michal Hořejší eine Auswahl aus Karel Klostermanns Erzählband V srdci šumavských hvozdů [Im Herzen des Böhmerwaldes, Grafenau, 2018] heraus, die er in Anspielung auf Klostermanns Erzählung Schovanec [Der Ziehsohn] treffend Velebnost, melancholie, hrůza [Pracht, Melancholie und Schrecken] nannte. Mit diesen Schlüsselworten umreißt Hořejší einen Eindruck von Klostermanns fiktionaler Welt, wie er der tschechischen Leserschaft seit Generationen vertraut ist. Es fragt sich jedoch, ob man aufgrund der Identifikation des Lesers mit der fiktionalen Welt aus Klostermann einen Dokumentaristen machen sollte, wie Hořejší dies in seinem Vorwort tut (‚Der Autor lässt mit seinen Formulierungen ähnlich wie der Erzähler mit den genannten Vorgehensweisen beim Leser den Eindruck entstehen, das vorliegende Werk sei vor allem dokumentarischen Charakters.‘).“

Manfred Weinberg schreibt über das neueste Kafka-Buch von M. Nekula (29. 8. 2018)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum widmet sich Manfred Weinberg dem Buch von Marek Nekula Franz Kafka and his Prague Contexts: Studies in Language and Literature (Prague: Karolinum Press, 2016), das Nekulas Texte zu Kafkas Sprache oder Kafkas Beziehung zu Prag sammelt. „Die versammelten sieben Studien sind für den Band angefertigte Übersetzungen von zuvor in Sammelbänden und Zeitschriften verstreut erschienenen Aufsätzen resp. Kapiteln aus dem auf Tschechisch wie Deutsch publizierten Buch Jazyky Franze Kafky (Praha: Nakladatelství Franze Kafky, 2003)/Franz Kafkas Sprachen (Tübingen: Niemeyer, 2003); in zwei Fällen handelt es sich um Bearbeitungen bereits auf Englisch publizierter Texte.“

Václav Petrbok schreibt über Sidonie Nádherný (15. 8. 2018)

Das deutsch-tschechische E*forum bringt eine Besprechung von dem Buch Gartenschönheit oder Die Zerstörung von Mitteleuropa: Sidonie Nádherny – Briefe an Václav Wagner (1942–1949), in dem Friedrich Pfäfflin und Alena Wagnerová die bisher unveröffentlichte Texte zur Persönlichkeit von Sidonie Nádherný zusammenstellten. „Im Vergleich mit den bereits erschienenen Editionen der Korrespondenz von Sidonie Nádherná (so die tschechische Schreibweise) mit bekannteren Adressaten, die immer wieder geistreiche Auseinandersetzungen über den Sinn der Kunst und Literatur aufweisen oder aber äußerst persönliche Bekenntnisse beinhalten, ist die vorliegende Edition vielleicht etwas weniger intellektuell geprägt, dafür aber wirkt sie nackter und authentischer. Allein der Datierung des Briefwechsels lässt sich schon viel entnehmen: Es geht um die Zeit des Zweiten Weltkriegs, als Sidonie Nádherná – nach vergeblichen Versuchen, ihren Umzug zu verhindern oder wenigstens zu verzögern (das Janowitzer Gebiet wurde dem SS-Truppenübungsplatz Böhmen zugeordnet) – doch ins nahegelegene Voračice, umziehen musste, in dem sie auch das Kriegsende erlebte.“

Peter Demetz schrieb über die sudetendeutsche Literatur (8. 8. 2018)

Im heutigen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum stellt Václav Maidl den Artikel Zum Begriff der Sudetendeutschen Literatur von Peter Demetz vor, der der Publikation Hluboká stopa. Nezávislá revue Skutečnost 1949–1953 (Tiefe Spur. Unabhängige Revue Skutečnost [Wirklichkeit] 1939–1953) aus dem Jahre 2008 entstammt. „Es ist offensichtlich, dass der Begriff „Sudeten“ dreifache Gültigkeit besitzt: geographische, ideologische und administrativ-politische. Freilich lässt sich die eine durch die andere nicht ersetzen. Die geographische Bedeutung war bereits vor 1918 in den deutschen Lehrbüchern geläufig und meint eine Gebirgskette von der Elbe bis nach Schlesien, also keinesfalls das Erzgebirge, den Böhmerwald oder andere Regionen. Die geographische Gültigkeit ist Basis für die ideologische Bedeutung, die böhmische, mährische und schlesische Deutsche überhaupt bezeichnet, sofern die Separierung von der Tschechoslowakischen Republik ihr politisches Programm ist.“

Martina Niedhammer schreibt über die unsichtbare Loyalität (1. 8. 2018)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum bringt die Besprechung von Martina Niedhammer über den Sammelband Neviditelná loajalita? Rakušané, Němci, Češi v české kultuře 19. století [Unsichtbare Loyalität. Österreicher, Deutsche, Tschechen in der böhmischen Kultur des 19. Jahrhunderts], den die drei Autoren Václav Petrbok , Taťána Petrasová a Pavla Machalíková im Jahre 2016 herausgegeben haben. „Die Bandbreite, die der Loyalitätsbegriff dabei aufweist, ist groß und in jedem Falle geeignet, seine semantische Vielschichtigkeit und das damit eng verknüpfte Assoziationspotenzial offenzulegen. Vier thematisch ausgerichtete Kapitel strukturieren diese Fülle, indem sie jeweils das Verhältnis von Grenze, von Staat und Untertan, von visueller Kultur sowie von Sprache zu Loyalität in den Blick nehmen. Eine abschließende Sektion widmet sich Fragen des gruppenbezogenen respektive des individuellen Zugangs zu Loyalität.“

Radka Šustrová schreibt über Wenzel Jaksch (4. 7. 2018)

Im deutsch-tschechischen E*forum stellt Radka Šustrová die Texte des sudetendeutschen sozialdemokratischen Politikers in der Tschechoslowakei Wenzel Jaksch vor, die im Buch Verlorene Dörfer, verlassene Menschen… Reportagen aus dem tschechischen Grenzland 1924–1928 (tsch.: Ztracené vesnice, opuštění lidé… Reportáže z českého pohraničí 1924–1928, Praha: Academia, 2017) gesammelt sind. „Im tschechischen historischen Bewusstsein wird Wenzel Jaksch am häufigsten mit den wachsenden Spannungen zwischen dem deutschen und dem tschechischen antifaschistischen Widerstand in Verbindung gebracht. Als der führende Kopf der sudetendeutschen Opposition im Exil gegen den (Exil)Staatspräsidenten Edvard Beneš kam er wohl zurecht zu diesem Ruf. Beneš’ Theorie von einer rechtlichen Kontinuität, die es ihm ermöglichte, die Wiederherstellung der Tschechoslowakei in den Grenzen vor dem Münchner Abkommen anzustreben, verstand Jaksch jedoch gleichzeitig auch als eine Fortsetzung der ungeklärten innenpolitischen Konflikte in der Republik, vor allem in der Nationalitätenfrage. Jaksch führte somit einen Kampf an zwei Fronten: um ein anderes, besseres Bild der Sudetendeutschen und um die Zukunft der Deutschen in der befreiten Tschechoslowakei. Die wachsenden Animositäten gegen die deutsche Minderheit – als Folge des Separatismus der Nationalsozialisten und der darauf folgenden Besatzung Europas – gepaart mit Beneš’ Widerwillen, dieser nationalen Minderheit ihr Recht auf Selbstbestimmung zu gewähren (und dadurch eine nationalitätenorientierte und nicht nur nationalistische Ausrichtung der Tschechoslowakei zu verfolgen), versetzte den sudetendeutschen Politiker in eine schwierige Lage und nahm seine politische Trennung von Beneš vorweg.“

Ingeborg Fiala-Fürst schreibt über Marie von Ebner-Eschenbach (20. 6. 2018)

Im deutsch-tschechischen E*forum findet der Leser diesmal den Text von Ingeborg Fiala-Fürst über das biographische Werk Daniela Strigls aus dem Jahr 2016, das der großen österreichischen Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts gewidmet ist. „Das schöne gebundene Buch, das im Residenz-Verlag bereits 2016 publiziert wurde, erfuhr inzwischen – gemessen an der Zahl der (vornehmlich in Österreich) erschienenen Rezensionen – recht großen Widerhall. Obzwar die meisten Rezensenten ihre Besprechung des biographischen Werkes Daniela Strigls zum Anlass nehmen, mehr über ‚das Objekt‘ ihres biographischen Interesses zu schreiben (also über die Schriftstellerin Marie Ebner von Eschenbach selbst) als über die biographische Studie, widmen manche (vor allem diejenigen, die sich im germanistischen Metier bewegen und selbst mehrere Arbeiten dieser oder anderer Art verfassten, etwa Karl Wagner oder Karl Markus Gauss) sich doch auch der Charakteristik der Studie – und zwar ausschließlich lobend.“

Jan Mareš schreibt vom Habsburger Imperium (6. 6. 2018)

Das deutsch-tschechische E*forum bringt diese Woche einen Beitrag von Jan Mareš über das Buch von Pieter Judson mit dem Titel The Habsburg Empire: A New History (Harvard University Press, 2016). „Das Buch ist konzipiert als Polemik gegen die traditionelle Schilderung Österreich-Ungarns als Staat, der scheitern musste, jenes symbolischen ‚Völkerkerkers‘ – und somit auch gegen die Auslegung eines begrenzt nationalen Rahmens, ungeachtet dessen, ob es sich um die ‚Gewinner‘ oder ‚Verlierer‘ der Nachkriegsordnung handelte. In den Mittelpunkt rückt er nicht den kollektiven Akteur – das Volk –, sondern die Institution – den Staat. Die zentrale Interpretationslinie konfrontiert die Intentionen der Habsburgischen Herrscher, einen modernen Staat zu bilden, und ihre Bemühung, die Loyalität der Untertanen/Bürger zu erlangen und nachzuvollziehen, wie sie an diesem Prozess beteiligt waren.“

Zum Erscheinen des Jahrbuchs E*forum 2017 (31. 5. 2018)

Das Institut für Literaturforschung veröffentlicht die gesammelten letztjährigen Beiträge des E*forum für (Germano)bohemistik, das seit Januar 2017 die bisher zwei Reihen der tschechischen Echos und deutsch-tschechischen Echos ersetzt. Die Beiträge zur literaturwissenschaftlichen Bohemistik, die auch das Studium der auf deutsch verfassten Literatur aus den böhmischen Ländern umfassen und folgerichtig ebenfalls die Forschung zu älterer Literatur berücksichtigen, werden um eine Übersicht der rezensierten Titel, um Kurzbiographien der BeiträgerInnen sowie ein Namensregister ergänzt. – Das Jahrbuch ist kostenlos sowohl auf den Seiten des Instituts als auch bei den traditionellen Vertreibern erhältlich.

Konstantin Kountouroyanis schreibt über Bertha von Suttner (23. 5. 2018)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum kommt mit der Meldung über den jüngst erschienenen Sammelband Suttner im Kontext – Interdisziplinäre Beiträge zu Werk und Leben der Friedensnobelpreisträgerin über die Autorin des berühmten Anti-Kriegs-Romans Die Waffen nieder!. „Insgesamt versammelt der Band hochinteressante Beiträge, die Bertha von Suttners Leben und Werk unter zahlreichen, häufig noch nicht betrachteten Aspekten beleuchten und historische Fakten neu ordnen. Es ist ein Handbuch für Germanisten, Kultur- und Geschichtswissenschaftler sowie für Institute der Friedensforschung. Besonders interessant: Das Buch ist sowohl als Print als auch als PDF erhältlich.“

Lena Dorn schreibt über die tschechische nationale Identität in der neuen Publikation von Marek Nekula (9. 5. 2018)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum widmet sich Lena Dorn der neuen Publikation Marek Nekulas Tod und Auferstehung einer Nation: Der Traum vom Pantheon in der tschechischen Literatur und Kultur (Wien: Böhlau, 2017) [Smrt a zmrtvýchvstání národa: Sen o Slavíně v české literatuře a kultuře. (Praha: Karolinum, 2017)]. „Nekula widmet sich Detailbeobachtungen der tschechischen Kultur, seine Deutungslinien aber sind keineswegs dem nationalen Blickwinkel verhaftet. Das Buch ist parallel in zwei Sprachen erschienen; mit umfangreichem Kontextwissen und stilistisch ideenreich erarbeitete Kathrin Janka die Übersetzung ins Deutsche.“

Die Verleihung des Otokar-Fischer-Preises (4. 5. 2018)

Der Otokar-Fischer-Preis wird 2018 Nora Schmidt für ihre Monografie Flanerie in der tschechischen Literatur. Flaneure, Prager Spaziergänger und flanierende Schreibweisen von Jan Neruda bis Michal Ajvaz (Epistemata Literaturwissenschaft, Bd. 872; Würzburg: Königshauses und Neumann, 2017, 494 S.) verliehen. – Die feierliche Verleihung und der Vortrag der Preisträgerin werden am 16. Mai 2018 ab 18 Uhr im Goethe-Institut Prag stattfinden.

Adéla Rossípalová schreibt über Hans Natonek (25. 4. 2018)

Das deutsch-tschechische E*forum konzentriert sich in seinem neuesten Beitrag auf die neue Publikation, die der Persönlichkeit des Romanciers Hans Natonek gewidmet ist, mit dem Titel „Ich träumte: ich saß in der Schule der Emigranten…“ Der jüdische Schriftsteller und Journalist Hans Natonek aus Prag der Autorinnen Viera Glosíková, Sina Meißgeier und Ilse Nagelschmidt. „Der Band ist zweckmäßig, wenn auch nicht ganz übersichtlich, in thematische Sektionen gegliedert, in denen stufenweise Natoneks Verortung in der literarischen Welt und die wichtigsten Lebensphasen (Prag als Geburtsort, Deutschland, Prag als Exilstätte, Amerika) behandelt werden. Danach werden die zentralen Themen/Motive/Konzepte/Aspekte des Romans (Fiktions- und Autorenkonzept, Autobiografie, Verrat, Schuld und Vergebung, Figurenanalyse, „Judesein“, Antisemitismus und Heimat) analysiert und mit der Wirklichkeit verglichen. Auf diese Weise versuchen die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht nur die fast vergessene Persönlichkeit Hans Natoneks der breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, sondern sie beabsichtigen auch, anhand des Romans Die Straße des Verrats eine eingehende Untersuchung und ein solides Porträt der Zwischenkriegsjahre zu leisten.“

Martin Hořák schreibt über die Rudolfinische Kunst (11. 4. 2018)

In dem neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums lässt uns Martin Hořák einen Blick in die Dissertationsarbeit von Evelyn Reitz Discordia concors: kulturelle Differenzerfahrung und ästhetische Einheitsbildung in der Prager Kunst um 1600 werfen, die den bedeutendsten Künstlern Prags unter Rudolf II. gewidmet ist. „Die Grundthese, mit der sie aufwartet – dem inneren Zusammenhang zwischen dem Exil niederländischer Künstler und den formalen und inhaltlichen Merkmalen Rudolfinischer Kunst –, wird in Fachkreisen sicher noch Stoff zur Diskussion geben. Auch Reitz selbst gibt zu, dass das Paradigma der „kulturellen Differenz“ nicht der einzige Schlüssel zur Interpretation Rudolfinischer Kunst sein muss. Ihr Versuch um eine ganzheitliche Erfassung dieses komplexen Phänomens verdient jedoch gewiss Aufmerksamkeit und seine Impulse werden noch durch die Tatsache gesteigert, dass er die zurzeit so aktuelle Frage der Migration berührt, ohne dass die Autorin hinsichtlich der Zeit der Entstehung ihrer Arbeit einer gezwungenen Aktualisierung verdächtigt werden soll.“

Luis Carlos Cuevas schreibt über Egon Erwin Kisch (30. 3. 2018)

Der letzte Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellt den Sammelband Im Einzelschicksal die Weltgeschichte: Egon Erwin Kisch und seine literarischen Reportagen vor, herausgegeben von Viera Glosíková, Sina Meißgeier und Ilse Nagelschmidt. „Das Werk des deutschsprachigen Prager Autors Egon Erwin Kisch (1885–1948) hat noch nicht den ihm gebührenden Platz in der Germanistik gefunden. Ein Grund dafür könnte die öffentlich vertretene kommunistische Ideologie des sogenannten ‚rasenden Reporters‘ sein. Sie verkomplizierte während des Kalten Krieges und auch darüber hinaus die Rezeption seiner Texte und prädisponierte den (potenziellen) Leser, Kischs literarische Reportagen als programmatisch zu etikettieren und diese so systematisch zu vernachlässigen. Da seine Texte in dieser Sicht ausschließlich zur Verbreitung einer politischen Gesinnung dienen sollten, wurden sie oft bloß gefeiert oder ignoriert, selten aber in ihren vielfältigen Dimensionen gelesen. Kischs belletristische Bestrebungen begannen jedoch nicht erst 1925 mit dem Eintritt in eine Partei, und das Politische ist keinesfalls die einzige interessante Dimension seines Werks.“

Radek Malý schreibt über Victor Hadwiger (15. 3. 2018)

In dem neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmet sich Radek Malý der Publikation Victor Hadwiger: Básně / Gedichte, die das Werk des Prager deutschen Dichters Victor Hadwiger im Original und in tschechischer Übersetzung vorstellt. „Der Franz-Kafka-Verlag hat sich zweifelsohne um ein bemerkenswertes Projekt verdient gemacht, das zum weiteren Verorten der deutsch-tschechischen literarischen Beziehungen und zur besseren Kenntnis der Prager deutschen Literatur beiträgt. Die (für einen Übersetzer nicht sehr angenehme) Wahl der zweisprachigen Gedichtausgabe ist klar gerechtfertigt, so ist es möglich, Hadwigers Werk auch im Original kennen zu lernen. Eines bleibt naiv zu wünschen: dass dieses Buch nicht nur zur Kenntnis der Gedichte Victor Hadwigers auf tschechischer Seite beiträgt, sondern auch zur Kultivierung des Vermächtnisses von dem multikulturellen Umfeld, das Prag einst war.“

Ladislav Futtera schreibt über Stefan Simoneks Buch (28. 2. 2018)

Der letzte Februar-Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellt den achtzehnten Band der Edition Wechselwirkungen Stefan Simoneks Von Lenau zu „Laibach“. Beiträge zu einer Kulturgeschichte Mitteleuropas vor. „Die sechzehn Studien aus den Jahren 2000–2013, die von ihrem Autor für die Buchausgabe überarbeitet wurden, befassen sich mit einer breiten Themenpalette, von der Rezeption Nikolaus Lenaus in den slawischen Literaturen bis hin zur Dekonstruktion von Nationalhymnen in den Texten der umstrittenen slowenischen Band Laibach. Im Mittelpunkt des Interesses steht jedoch die literarische Moderne der Jahrhundertwende im mitteleuropäischen Kontext, d. h. mehr oder weniger innerhalb der Grenzen Österreich-Ungarns (zu überdenken wäre hier die Eignung des historisch belasteten Terminus ‚Mitteleuropa‘ gegenüber dem Begriff ‚Zentraleuropa‘, wie er z. B. von Moritz Csáky verwendet wird), bzw. die Vermittlung zwischen der Wiener Moderne und den slawischen Literaturen Zentraleuropas.“

Ingeborg Fiala-Fürst schreibt über Franz Spunda (14. 2. 2018)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums befasst sich Ingeborg Fiala-Fürst mit der Publikation Franz Spunda (1890–1963), die die Beiträge des eintägigen im November 2015 in Wien abgehaltenen Kolloquiums zu dem Olmützer Schriftsteller Franz Spunda und seinem Werk zusammenfasst. „Der 1890 in Olmütz geborene Schriftsteller Franz Spunda wäre wahrscheinlich von der literarischen Nachwelt, der Leserschaft als auch der Germanistik gründlich vergessen worden, wenn es 1971 nicht den umfangreichen Aufsatz Wodurch hat Franz Spunda die deutschsprachige Literatur bereichert? gegeben hätte, den Ludvík Václavek in den Germanistica Olomucensia veröffentlichte (übrigens als den letzten Aufsatz, den er unter seinem eigenen Namen in der Zeit der Normalisierung veröffentlichen durfte). Auf Ludvík Václavek ist auch die derzeitige, man möchte fast sagen, ‚Spundasche Renaissance‘ zurückzuführen, die nun eine weitere Bereicherung der Diskussion um das vielverzweigte Werk des ‚magischen Dichters und Griechenlandpilgers‘ erfuhr.“

Otokar-Fischer-Preis, der zweite Jahrgang (5. 2. 2018)

Im Anschluss an den ersten Jahrgang ruft das Institut für Literaturforschung auch dieses Jahr den Otokar-Fischer-Preis aus, der die bedeutendsten, im vorangegangen Jahr 2017 erschienenen deutschen Anregungen zur Bohemistik und der tschechischen Kulturforschung hervorheben und zu deren größerer Sichtbarkeit verhelfen soll. Jede physische oder juristische Person kann einen Titel vorschlagen, mehr hier.

Aleš Urválek schreibt über den Ersten Weltkrieg (31. 1. 2018)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums ist dem Sammelband Der Erste Weltkrieg auf dem deutsch‑europäischen Literaturfeld von Bernd Neumann und Gernot Wimmer gewidmet, über das Aleš Urválek berichtet. „Dessen Anliegen bringt im einleitenden Essay B. Neumann zunächst allgemein auf den Punkt, indem er dem Ersten Weltkrieg insofern eine Exklusivität zuschreibt, als bis dahin noch nie ‚so viele Künstler und Wissenschaftler demonstrativ für eine Seite Partei wie zu Beginn des Großen Krieges‘ (S. 15) ergriffen, ja sich ‚die Künste noch nie derart einschneidend und radikal‘ (ibid.) wie eben durch diesen verwandelt hätten. Konturen bekommt das eigentliche Ziel der beiden Herausgeber allerdings erst, sobald die Frage der repräsentativen Stimmen gestellt wird, wobei sich zeigt, dass ‚Franz Kafka in die Riege der vom Weltkrieg beeindruckten Dichter gar nicht erst aufgenommen‘ (S. 17) worden sei.“

Václav Petrbok schreibt über Josef Führich (17. 1. 2018)

Im aktuellen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums befasst sich Václav Petrbok mit der Persönlichkeit des Malers und Graphikers Josef Führich und mit der ihm gewidmeten Publikation von Pavla Michalíková und Petr Tomášek Josef Führich (1800–1876): z Chrastavy do Vídně – Joseph Führich (1800–1876): von Kratzau nach Wien. „Die spannenden Ausführungen beider Autoren über Leben, Werk und Rezeption dieses wichtigen bildenden Künstlers der damaligen Zeit zeigen, dass sich Führich – sowie auch viele andere Akteure – vor allem an der ‚deutschen Kulturnation‘ orientierte. Seine Sympathien für die einflussreichen klassisch-romantischen Konzepte gehen nicht nur aus seinem künstlerischen Werk hervor, sondern tauchen auch in seinen Lektürenotizen oder in seinen Kommentaren zu damaligen Kunstdebatten auf.“

Jitka Ludvová schreibt über die Korrespondenz zwischen Friedrich Torberg und Hugo Haas (3. 1. 2018)

Das deutsch-tschechische E*forum bringt in seinem ersten Beitrag des Jahres 2018 die Rezension von Jitka Ludvová zu der Publikation „Milá Pampeliško“ – „Lieber Hugo“. Die Korrespondenz zwischen Hugo (sowie Bibi) Haas und Friedrich Torberg, herausgegeben von Katja Karnjak im Verlag der Palacký-Universität in Olmütz. „Die Briefe halten anschaulich fest, welchen Bogen die Leben beider Protagonisten in zwanzig Jahren umschrieben. Beide flüchteten ins Unbekannte, geplagt von den Sorgen um ihre Prager Familien, die fast alle in den Gaskammern umkamen.“ „Der größte Teil der Korrespondenz betrifft die aktuellen Ereignisse im professionellen Leben beider Akteure. Es mischen sich Nachrichten über bevorstehende Veranstaltungen, ein wenig Klatsch, Empfehlungen wichtiger Bezugspersonen, zahlreiche Berichte über Kontakte mit anderen Pragern in Amerika. All das kann helfen, einige Bücher und Filme zu datieren oder bestimmte Situationen zu erklären.“

Ludwig Winder schrieb Oesterreicheln (20. 12. 2017)

Im diesjährigen abschließenden Beitrag des deutsch-tschechischen E*forum widmet sich Michal Topor der Skizze Oesterreicheln, die Ludwig Winder im Jahre 1917 für die Deutsche Zeitung Bohemia schrieb. „Noch im August 1915 versuchte der Journalist und Prosaiker Ludwig Winder (geb. 1889 in Šafov/Schaffa) sich dem Militarismus der neuen Regierung mit einer Bemerkung zum guten alten Österreichbegriff entgegenzustellen. ‚Wir waren doch immer die geschmackvollen, wohlerzogenen Österreicher (so nannten uns die Brüder im Reich bewundernd, mit leisem Spott): wollen wir nicht lieber dabei bleiben? ‘, fragte er (Deutsche Zeitung Bohemia, 15. 8. 1915); zit. nach Kurt Krolop: Ludwig Winder. Sein Leben und sein erzählerisches Frühwerk (/1967/, hg. von Jörg Krappmann u. Jaromír Czmero, Olomouc, 2015, S. 54). Ende des Jahres 1917 verwendete er den Österreichbegriff anders, mit einer deutlichen (ironischen) Aversion gegenüber der Charakterisierung, wie sie sich im preußischen Diskurs etabliert hatte. In seiner Reflexion mit dem Titel Oesterreicheln (DZB 90, 1917, Nr. 352, 25. 12., S. 5), die wir hier anführen, rief er zu einer neuen, stärker in der Realität des Kriegsleids verankerten Inkarnation des Begriffs auf.“

Olga Kovaříková schreibt über Friedrich Feigl (6. 12. 2017)

Im neuen Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums stellt Olga Kovaříková eine Publikation zur Persönlichkeit des Malers und Graphikers Friedrich Feigl vor, die von dem amerikanischen Kunsthistoriker Nicolas Sawicki herausgegeben wurde. „Der Wert dieser Monografie besteht vor allem darin, dass sie vier verschiedene, resümierende Sichtweisen auf einen Künstler und Weltenbummler von deutsch-tschechisch-jüdischer Herkunft und großem Organisationstalent bietet, der sich durch eine faszinierende Persönlichkeit und bewunderungswürdige Anpassungsfähigkeit an sein Umfeld auszeichnete, gleichzeitig jedoch sonderbar resistent war gegen die Wandlungen seiner Zeit (und dies nicht nur in künstlerischer Hinsicht).“

Steffen Höhne schreibt über den Prager Kreis (22. 11. 2017)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmet sich der literaturwissenschaftlichen Dissertation Operation Literatur. Zur Interdependenz von literarischem Diskurs und Schmerzdiskurs im ‚Prager Kreis‘ im Kontext der Moderne. Sandy Scheffler ist die Autorin der Veröffentlichung aus dem Jahre 2016, deren Gegenstand die Funktion von Schmerz in Beziehung zur Literatur ist. „Es geht der Verfasserin dabei, wie es in der Einleitung heißt, um die Essenz des Schmerzes im literarischen Text (S. 11), also um eine Analyse von Charakteristika des Schmerzes bzw. eine Rekonstruktion des den literarischen Text beeinflussenden Schmerz-Diskurses und dessen (intendierte) Wirkung auf die Rezipienten (S. 10). Schmerz und die Auseinandersetzung mit ihm sind dabei kulturhistorisch und kontextuell determiniert (S. 12) bzw. nur im Kontext von Kultur und Zeit erfahrbar (S. 28), was insbesondere eine literaturwissenschaftliche Analyse als schlüssig erscheinen lässt, der es um die jeweiligen den Schmerz repräsentierenden Erzählstrategien, um die Funktionen des Schmerzes und um das Wissen und die Bedeutung von Schmerz in den Texten geht (S. 16).“

Petr Brod schreibt über Das deutschsprachige Prag (8. 11. 2017)

Der neue Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums befasst sich mit dem Band Das deutschsprachige Prag (DP), der Ende letzten Jahres vom Adalbert Stifter Verein herausgegeben wurde, im Kontext mit der tschechischen Publikation von 2014 Německy mluvící Praha. Galerie osobností (NMP). [Das deutschsprachige Prag. Eine Galerie der Persönlichkeiten.] „Das NMP ist ein kollektives Werk von etwa fünfzig Schülerinnen und Schülern des Prager Gymnasiums Na Zatlance, die sich unter Anleitung ihres Lehrers Radek Aubrecht längere Zeit mit der Rolle der Deutschen in der tschechischen Gesellschaft ab dem 18. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges beschäftigt haben. Aus den gewonnenen Erkenntnissen erarbeiteten sie Texte, die sie in der zweigeteilten Publikation zusammenfassten: zum einen in einem dreißigseitigen narrativen Einleitungskapitel über Das Leben der deutschen Gemeinschaft, zum anderen im 220-seitigen Biografischen Lexikon. Herausgegeben wurde der Band vom Gymnasium selbst, in Kooperation mit dem Prager Franz-Kafka-Verlag [Nakladatelství Franze Kafky] und mit finanzieller Unterstützung einiger Geldgeber, unter anderem des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds.“

Michal Topor schreibt über zwei Bücher zu Robert Musil (25. 10. 2017)

Der aktuelle Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums soll „auf zwei 2014 vom Kitab-Verlag Klagenfurt-Wien herausgegebene Bücher aufmerksam machen: zwei Untersuchungen, welche die bisher weniger reflektierten Hintergründe sowie die Residuen von Musils Schaffensbahn aufdecken, dazu noch – vor allem im ersten Fall – mit einem böhmischen, bzw. mährischen Schwerpunkt.“ Es handelt sich um Karl Corino: Begegnung dreier Berggipfel. Alfred, Alois a Robert Musil und Regina Schaunig: Der Dichter im Dienst des Generals. Robert Musils Propagandaschriften im Ersten Weltkrieg.

Michal Topor zum neuen Direktor des IPSL ernannt (17. 10. 2017)

Neuer Leiter des Instituts für Literaturforschung ist seit kurzem der Literaturhistoriker und Herausgeber Michal Topor. Mit dem Institut arbeitet er schon seit seinen Anfängen zusammen, er bereitete in seinem Rahmen die Monografie Berlínské epizody (Berliner Episoden, 2015) und die Anthologie Čtení o Jaroslavu Vrchlickém (Lesung über Jaroslav Vrchlický, 2014) vor, z. Z. beendet er eine Monografie über Arne Laurin. Als Direktor des IPSL löst er Eva Jelínková ab, die das Institut seit seiner Gründung im Jahre 2010 führte. Der Verwaltungsrat des IPSL nahm den Rücktritt der bisherigen Direktorin an und ernannte Michal Topor am 2. Oktober 2017, seinem Versammlungstag, zum neuen Direktor.

Martina Niedhammer schreibt über Leopold Kompert und seine „Ghettogeschichten“ (11. 10. 2017)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums widmet sich Martina Niedhammer der Dissertation von Ingrid Steiger-Schumann Jüdisch‑christliche Liebesbeziehungen im Werk Leopold Komperts. Zu einem Zentralmotiv des böhmisch‑jüdischen Schriftstellers (1822–1886). „Steiger-Schumanns Ansatz, Komperts Umgang mit interreligiöser Partnerwahl und Ehe und damit Fragen nach dem Wandel jüdischen Selbstverständnisses in das Zentrum ihrer Studie zu rücken, war Anfang der 1980er Jahre äußerst innovativ. Die Notwendigkeit dieser und ähnlicher Forschungsfragen unterstreicht nicht zuletzt ein Brief Gershom Sholems an Steiger-Schumann vom Oktober 1981. Darin erteilt er einer positiven Deutung des Kompertschen Lebensmodells, wie es Ingrid Steiger-Schumann aus dessen Texten heraus entwickelt – eine Annäherung an die nichtjüdische Umgebung bei gleichzeitigem Fortbestehen einer jüdischen Bindung –, aus der Perspektive der Shoah freilich eine Absage.“

Symposium zu Arnošt Kraus (5. 10. 2017)

In der Zeit vom 5. bis 6. Oktober findet in den Räumlichkeiten der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität Prag unter Mitwirkung von Herder Forschung Marburg, dem Institut für Germanische Studien der Karlsuniversität Prag, dem Institut für Musikwissenschaft Weimar–Jena sowie dem Institut für tschechische Literatur AV ČR ein dem Leben und Werk des Literaturhistorikers, Kritikers und Übersetzers Arnošt Kraus gewidmetes Symposium statt. Die einführenden Vorträge bestreiten Steffen Höhne, Václav Smyčka und Ludger Udolph, während des Symposiums werden u. a. auch Lucie Merhautová, Václav Petrbok und Michal Topor mit Beiträgen vertreten sein. Mehr hier.

Jana Dušek Pražáková: Die Kurorte als ein Theater, in dem jeder gleichzeitig Schauspieler und Zuschauer ist (4. 10. 2017)

Das deutsch-tschechische E*forum konzentriert sich in seinem dieswöchigen Beitrag auf das Buch Literarischer Reiseführer Böhmisches Bäderdreieck. Karlsbad, Marienbad, Franzensbad (2016) der Autoren Roswitha Schieb und Václav Petrbok. „Aus dem Text wird deutlich, warum Karlsbad, Marienbad und Franzensbad zum Magnet auch für einen bestimmten Teil der intellektuellen Elite wurden. Das Buch ist nämlich konzipiert als multiperspektivische Darstellung des Genius loci einer der bemerkenswertesten Regionen Europas der damaligen Zeit, einer Region, in der alle zusammenkamen, die hier einerseits ihre körperlichen Leiden heilen, andererseits das Geheimnis der Orte ein wenig lüften wollten, über die man überall so viel redete.“

Der Ackermann und der Tod in Prag (25. 9. 2017)

Am Samstag, den 14. 10 2017 wird ab 20 Uhr in der Prager St.-Antonius-Kirche die Vorstellung Der Ackermann und der Tod von Johannes von Tepl zu sehen sein. Dieses mittelalterliche Streitgespräch wird in Form einer szenischen Lesung mit Orgelmusik von Dr. Wolfgang Schwarz, Kulturreferent für die böhmischen Länder im Adalbert Stifter Verein, in Zusammenarbeit mit der Repräsentanz des Freistaats Bayern in der Tschechischen Republik veranstaltet. Die Vorführung findet in deutscher Sprache statt; mehr hier.

Václav Šmidrkal schreibt über zwei Publikationen zu Edvard Beneš (20. 9. 2017)

Im neuesten Beitrag des deutsch-tschechischen E*forums präsentiert Václav Šmidrkal zwei Forschungsergebnisse des Masaryk-Instituts der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, zum einen die von Ota Konrád und René Küpper herausgegebene, auf Deutsch verfasste Monografie Edvard Beneš. Vorbild und Feindbild (Göttingen, 2013) als Sammelband zu einer internationalen Konferenz, zum anderen eine dreiteilige Ausgabe von Dokumenten zur Persönlichkeit E. Beneš in fünf Bänden: Edvard Beneš, die Deutschen und Deutschland. „Für das Verständnis von Beneš‘ Politik, seinem politischen Denken und Stil in der nationalen Frage sowie den deutsch-tschechischen Beziehungen versammelt diese Quellenedition zweifelsohne an einer Stelle die bislang größte Menge an Schlüsseltexten zu der Zeit, die den radikalen Entscheidungen der 1940er Jahre voranging. Ich bin davon überzeugt, dass die Quellen dieses Forschungsprojekts langfristig die Erforschung der Person Beneš, seiner Politik und im weiteren Kontext auch der politischen Geschichte Mitteleuropas zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beeinflussen werden.“

J. L. Fischer schrieb über T. G. Masaryk die Glosse Der einsame Findling (13. 9. 2017)

In dem außerordentlichen Beitrag des neuen deutsch-tschechischen E*forum widmen sich Luboš Merhaut und Lucie Merhautová der Glosse Der einsame Findling, die J. L. Fischer über T. G. Masaryk schrieb, und die Teil des Buches Čtení o T. G. Masarykovi [Lektüre über T. G. Masaryk] mit dem Untertitel Literatura – člověk – svět (1910–1938) [Literatur – Mensch – Welt (1910–1938)] ist, welches das IPSL als zehnten Band der Edition Antologie gerade herausgegeben hat. „Zum achtzigsten Geburtstag Tomáš Garrigue Masaryks (7. 3. 1850 – 14. 9. 1937) veröffentlichte der Philosoph und Soziologe, Analytiker und Kultursynthetiker Josef Ludvík Fischer (1894–1973) die metaphorische Glosse Der einsame Findling (Čin 1, 1929/30, Nr. 19, 6. 3. 1930, S. 448–449), in der er betonte, dass Masaryks Einzigartigkeit eine Schwierigkeit für seine Nachfolger sei.“

Otokar Fischer und Pavel Eisner schrieben über die Zukunft der tschechischen Germanistik (30. 8. 2017)

In dem neuen deutsch-tschechischen E*forum bringt Štěpán Zbytovský zwei Antworten auf die Frage „Was soll mit der tschechischen Germanistik geschehen?“, der sich zwei bedeutende Persönlichkeiten der tschechischen Literatur und Übersetzungswissenschaft widmeten, und zwar Otokar Fischer („[Německá literatura] Dramaturgické problémy“ [(Deutsche Literatur) Dramaturgische Probleme], 1919) und Pavel Eisner (K nové české germanistice [Zur neuen tschechischen Germanistik], 1946). „Die Antworten beider Akteure auf die Frage „Was soll mit der tschechischen Germanistik geschehen?“ gehen schließlich über den üblichen Rahmen der deutsch-tschechischen Beziehungen hinaus und zeigen, dass Fischer und Eisner die Germanistik gerade in diesen Momenten u.a. auch als Mittlerin der Reflexion über die tschechische Kulturgeschichte und über die Rolle der tschechischen Wissenschaft weltweit verstanden haben. Dies scheint besonders bedeutsam angesichts der „Pflege“ eines negativen Bildes von Deutschland und der Geschichte der deutschen Kultur in den Böhmischen Ländern durch manche tschechische Politiker – sowie angesichts der tschechischen Germanistik, die in ihrer Tätigkeit Eisners Wunsch immer noch nur aspektweise erfüllen konnte.“

Lena Dorn schreibt über Übersetzungsprozesse in Kakanien (16. 8. 2017)

Diesmal widmet sich das E*forum der Arbeit Die vielsprachige Seele Kakaniens: Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848–1918 (Wien: Böhlau, 2012), in der Michaela Wolf versucht, durch die Analyse von Übersetzungsprozessen gesellschaftliche Machtverhältnisse in der Habsburger Monarchie im Laufe der letzten 70 Jahren ihrer Existenz sichtbar werden zu lassen. „Wolf interessiert sich […] für das Übersetzen ins Deutsche, aus prinzipiell allen anderen Sprachen. Das Konzept des Buches stellt Übersetzungen aus dem Italienischen ins Zentrum der Aufmerksamkeit, zugleich ist es aber ein Anspruch der Arbeit, Aspekte der Übersetzungskultur herauszuarbeiten, die den gesamten habsburgischen Raum betreffen und ihn dadurch auch charakterisieren können. Es geht also für Michaela Wolf immer wieder um die Frage: Wie hängen Übersetzungstätigkeiten und die Identifikation von Kulturen zusammen?“

Ingeborg Fiala-Fürst über Gertrude Urzidil (2. 8. 2017)

Der neue Beitrag zum deutsch-tschechischen E*forum stellt eine Biografie Gertrude Urzidils aus der Feder von Christiana Puschak und Jürgen Krämer vor – das Buch, das an die kleinen Bildmonografien aus dem Rowohlt-Verlag erinnert, erschien unter dem Titel „Ein Herzstück blieb in Prag zurück. In Amerika leb ich auf Reisen“ – Ein Lebensbild der Dichterin Gertrude Urzidil (1898–1977) zwischen Prag und New York (Wien: Praesens Verlag, 2016). „Dem eingangs formulierten Versprechen, ‚den Menschen in seinen Zeitverhältnissen dar[zu]stellen‘, tragen Puschak und Krämer Rechnung, indem sie sowohl die Kulisse des deutsch-jüdisch-tschechischen Prags, als auch des multinationalen New York skizzieren und darüber hinaus immer wieder kurze Medaillons der nächsten Weggefährten der Urzidils einschalten (Friedrich Thieberger, Friedrich Adler, Robert Weltsch, Hedda Sauer, Ernst Sommer, Ludwig Winder, Winifred Ellerman-Bryher, Mimi Grossberg, Hertha Pauli u. a. m.), so dass ein wertvoller und darüber hinaus amüsant zu lesender, kleiner Beitrag zur Geschichte der Prager deutschen und der österreichischen Exil-Literatur entstand.“

Kristýna Solomon über tschechische Übersetzungen des deutschen Prosaromans (19. 7. 2017)

Der heutige E*forums-Beitrag beschäftigt sich mit Jan K. Hons Monografie Übersetzung und Poetik. Der deutsche Prosaroman im Spiegel tschechischer Übersetzungen der Frühen Neuzeit (Heidelberg: Winter, 2016). Das Buch widmet sich der Poetik eines Genres, das im Deutschland des 15. und 16. Jahrhunderts florierte, und versucht sich ihr mithilfe der Analyse tschechischer Übersetzungen deutscher Vorlagen anzunehmen – die Monografie positioniert sich also an der Grenze zwischen tschechischer und deutscher Mediävistik. „Vor dem Hintergrund moderner narratologischer Theorien (Bachtin, Lugowski, Stierle) fragt der Autor nach der Rolle der Übersetzungen der deutschen Romane im Verhältnis zur Poetik der Zielform, der Gattung Prosaroman. Zu den Merkmalen des modernen Romans gehört die Emanzipation des Erzählers (und die damit verbundene Unterscheidung zwischen der auktorialen Stimme und der Erzählerstimme), eine klare Trennung zwischen der Ebene des Textes (deixis) von der der Paratexte sowie eine offene Semantik, welche die Lesenden zu einer eigenständigen Interpretation des Textes auffordert. Der Vergleich zwischen den Vorlagen und den Übersetzungen bringt Hon zu einer interessanten Feststellung: Am wenigsten hätten die Übersetzer in Texte eingegriffen, die im höchsten Maße die erwähnten Merkmale aufwiesen und sich somit auf dem Weg zum modernen Roman am progressivsten bewegten. [...] Und eben im innovativen Zugang zur Poetik der Übersetzung liegt der größte Beitrag dieser Studie: Die Übersetzungen als tendenzielle Randphänomene haben eine wichtige Aussagekraft in Bezug auf das Verständnis des Kerns, also der Ausgangstexte und ihrer Poetik. Sie haben das Potenzial, die Gattung zu (de)stabilisieren, die Norm zu verankern (oder entankern) oder eben die Gattung mehr in Richtung der Zielform zu bewegen (oder sie daran zu hindern).“

Tilman Kasten und Václav Petrbok zum Otokar-Fischer-Preis (12. 7. 2017)

Im heutigen E*forum stellen wir die Reden vor, die Tilman Kasten und Václav Petrbok bei der feierlichen Vergabe des Otokar-Fischer-Preises am 29. Juni 2017 im Kampa-Museum Prag hielten. Der deutsche Literatur- und Kulturwissenschaftler Tilman Kasten wurde für sein Buch Historismuskritik versus Heilsgeschichte – Die Wallensteinromane von Alfred Döblin und Jaroslav Durych (Böhlau 2016) mit dem Otokar-Fischer-Preis ausgezeichnet. Wir veröffentlichen die Rede des Autors mit kurzen Ausschnitten aus seinem Buch sowie die Laudatio von Václav Petrbok. Weitere Informationen zum Otokar-Fischer-Preis und der ausgezeichneten Arbeit finden Sie unter www.ipsl.cz/ofp.

Der Sieger des Otokar-Fischer-Preises in der Rezension (28. 6. 2017)

Tilman Kastens Historismuskritik versus Heilsgeschichte (Böhlau 2016) ist eine komparatistische Arbeit von einer Art, von der man sich im tschechisch-deutschen Kontext noch viele weitere wünschen würde“, schreibt Kathrin Janka im E*forum über das Buch, für das Kasten den Otokar-Fischer-Preis erhält. Der Autor stellt seine Monografie, in welcher er zwei monumentale historische Romanwerke vergleicht – Alfred Döblins Wallenstein (1920, tschechisch 1931) und Jaroslav Durychs Bloudění (1929, deutsch unter dem Titel Friedland 1933) –, heute im Prager Goethe-Institut vor; die feierliche Verleihung des Otokar-Fischer-Preises findet morgen im Kampa-Museum statt (weitere Informationen hier).

Der Gratias-Agit-Preis für Jürgen Serke (21. 6. 2017)

Der deutsche Schriftsteller und Publizist Jürgen Serke (geb. 1938) befasst sich in seinem gesamten Werk mit verfolgten und lange Zeit übergangenen Künstlern. Moderne tschechische Autoren (im Buch Die verbannten Dichter, 1982) wie auch deutschsprachige Schriftsteller aus den böhmischen Ländern (Böhmische Dörfer, 1987, tschechisch 2001) nehmen hierbei einen wichtigen Platz ein. Jürgen Serke wird am Freitag, dem 23. Juni 2017, mit dem Gratias-Agit-Preis zur Förderung des Ansehens der Tschechischen Republik im Ausland geehrt. Serkes Bücher und Artikel haben vielen Menschen den Weg zu wichtigen literarischen wie auch persönlichen Begegnungen und Entdeckungen eröffnet. Von einer solchen Begegnung erzählt der von Serke für das E*forum verfasste Text über den Schriftsteller und Ivan-Blatný-Übersetzer Frank-Wolf Matthies, den wir an dieser Stelle veröffentlichen.

Verkündung des F. X. Šalda-Preises und des Otokar-Fischer-Preises (20. 6. 2017)

Die feierliche Verleihung des F. X. Šalda-Preises sowie des Otokar-Fischer-Preises 2016, ausgerichtet vom Stiftungsfonds der F. X. Šalda-Gesellschaft bzw. dem Institut für Literaturforschung IPSL, findet am Donnerstag, dem 29. Juni 2017, um 17h im Kampa-Museum, U Sovových mlýnů 2, Prag 1, statt (eine Einladung finden Sie hier; wir bitten um eine Teilnahmebestätigung an fischer@ipsl.cz). Am Vortag, dem 28. Juni 2017 um 18h, werden Kateřina Svatoňová (F. X. Šalda-Preis: Mezi-obrazy. Mediální praktiky kameramana Jaroslava Kučery [Zwischen-Bilder. Die medialen Praktiken des Kameramanns Jaroslav Kučera]) und Tilman Kasten (Otokar-Fischer-Preis: Historismuskritik versus Heilsgeschichte – Die Wallensteinromane von Alfred Döblin und Jaroslav Durych) ihre preisgekrönten Bücher im Goethe-Institut Prag vorstellen. Weitere Informationen über die Monografie Tilman Kastens finden Sie hier, das Programm des Abends hier

Der F. X. Šalda- und der Otokar-Fischer-Preis 2017 (7. 6. 2017)

Gemeinsam mit dem F. X. Šalda-Preis wird erstmals auch feierlich der Otokar-Fischer-Preis für deutsche BohemistInnen vergeben, der einen ähnlichen Wert auf „einen durchdringend tiefen Blick, auf Bewertungsgabe, die Fähigkeit ein Problem zu sehen und zu stellen, das Umschmelzen der Imagination, die Erhebung und Vergegenständlichung einer Stimmung“ legt (Otokar Fischer in Na rozhraní [Am Scheidepunkt], 1914). Im E*forum stellen wir heute die FinalistInnen beider Preise vor: Für den F. X. Šalda-Preis wurden Monografien von Ivan Klimeš, Lucie Merhautová und Kateřina Svatoňová vorgeschlagen, in der engeren Auswahl für den Otokar-Fischer-Preis sind Bücher von Urs Heftrich, Tilman Kasten und Evelyn Reitz.

Václav Smyčka über eine Arnošt Kraus-Auswahl (24. 5. 2017)

Im E*forum widmen wir uns heute einer unlängst erschienenen Edition mit Texten von Arnošt Kraus, dem ersten germanistischen Literaturwissenschaftler an der Prager tschechischen Universität; unter dem Titel Arnošt Vilém Kraus (1859–1943) a počátky české germanobohemistiky [Arnošt Vilém Kraus (1859–1943) und die Anfänge der tschechischen Germanobohemistik] wurde sie von Václav Petrbok für den Academia Verlag besorgt. Die umfangreiche Anthologie umfasst Kraus‘ frühe Texte zu Werken mittelalterlicher Dichter an den böhmischen Fürsten- und Königshöfen, spätere Artikel zur Literatur an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert sowie Kraus‘ literaturhistorische Synthesen, welche seine Studien zur deutschen Literatur auf dem Boden der Tschechoslowakischen Republik bis 1848 [Německá literatura na půdě Československé republiky do roku 1848] dominieren, welche in der Reihe Československá vlastivěda [Tschechoslowakische Heimatkunde] noch in der Ersten Republik erschienen (1933). Václav Smyčka entwirft anhand von Kraus‘ Texten eine Reihe von Fragen, zum Beispiel, „ob er für das heldenhafte Bemühen, die nationalen Konflikte und mit ihnen das tschechische wie auch das deutsche romantische Modell von Literaturgeschichte zu überwinden, nicht einen zu großen Preis bezahlte, indem er kein eigenes, konzeptuell wirklich innovatives Modell von der Koexistenz der tschechischen und deutschen Literatur in den böhmischen Ländern entwickelte. Wie hätte Kraus’ ahistorisch veranlagter und gegenüber der Literatur oberflächlich gebliebener Tschechoslowakismus die Basis für eine Literaturgeschichte bieten können, die auch für die Deutschböhmen attraktiv gewesen wäre und einem Fachpublikum die Entwicklung ästhetischer Werte in der Zeit aufgezeigt hätte?“

Arnošt Kraus über die Erforschung tschechischer Literatur (10. 5. 2017)

Im E*forum veröffentlichen wir heute Auszüge aus dem ausgedehnten wissenschaftlichen und kritischen Werk der Gründerfigur der tschechischen Germanobohemistik Arnošt Kraus (1859–1943). Sie belegen sein Interesse an einem gründlichen Studium der deutsch-tschechischen Literatur- und Kulturbeziehungen am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert. Schon seit den Anfängen der tschechischen Germanistik ist diese komparatistische Dimension praktisch bei allen Forscherinnen und Forschern omnipräsent und hängt zweifellos mit dem unmittelbaren Erleben und der kritischen Bewertung der deutsch-tschechischen „Konfliktgemeinschaft“ (Jan Křen) und Nachbarschaft zusammen. 1888 schrieb Kraus: „Solange die Geschichte unseres Geisteslebens bei der Erforschung tschechisch geschriebener Werke endet, wird es unmöglich sein, sich ein befriedigendes Bild über das Erwachen der tschechischen Literatur am Beginn unseres Jahrhunderts zu machen. Zur tschechischen Literatur gehört mit Sicherheit auch die vorangehende deutsche, besonders insoweit sie die provinzielle Richtung beschreitet, die ein Vorläufer der nationalen Richtung bei uns wie anderswo ist. Diese Literatur ist unsere Literatur; die spätere deutsche Literatur in Böhmen ist bloß eine von zwei Strömungen, in welche sich die frühere patriotische Literatur aufgeteilt hat. Zu dieser Zeit der Vorbereitung, für uns mindestens so wichtig wie die in lateinischer Sprache verfasste Literatur, ist nur allzu wenig gearbeitet worden, und es ist Aufgabe dieser Arbeit, die Aufmerksamkeit unserer Literaturgeschichtsschreiber auf diese Quellen unserer neuen nationalen Literatur zu lenken.“

Murray G. Hall über Schriftsteller im Dienste der Ersten Weltkriegs-Propaganda (26. 4. 2017)

Im E*forum kehren wir heute zurück zu jenen Veröffentlichungen, die anlässlich des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erschienen sind; besprochen wird das Buch Des Kaisers Literaten von Elisabeth Buxbaum über diejenigen Institutionen und Schriftsteller, die in den Jahren 1914–1918 kriegspropagandistisch in Erscheinung getreten sind (Wien: Edition Steinbauer, 2014). „Sie hat immer eine oberste moralische Instanz dabei, nämlich Karl Kraus, der die einzelnen Kriegspropagandisten gehörig kritisiert hat“, so der Autor des Beitrags, der weiter die Ausführungen zu den „Kriegsliteraten Franz Karl Ginzkey und Stefan Zweig (den die Autorin als ‚Drückeberger‘ beschreibt)“ hervorhebt. „Über Rudolf Hans Bartsch ist bislang vielleicht weniger bekannt gewesen. Seine Kriegsromane und seine Neigung zum Staackmann Verlag lassen Schlüsse über seine Weltanschauung zu. Alfred Polgar wiederum wird als ein Typ beschrieben, der am liebsten gar nichts mit der Kriegspropaganda zu tun haben wollte. Ganz anders der ‚Vielschreiber‘ und Kriegsfanatiker Felix Salten, der ebenfalls unter den KPQ-Literaten war und von dem es heißt: ‚Er produzierte patriotisch-nationalistische Texte am laufenden Band‘.“

Lucie Antošíková über die Kulturpolitik der Nazis im Protektorat (12. 4. 2017)

Der neue Beitrag zum E*forum widmet sich der umfangreichen Studie, die Volker Mohn unter dem Titel NS-Kulturpolitik im Protektorat Böhmen und Mähren, Konzepte, Praktiken, Reaktionen (Essen: Klartext, 2014) vorgelegt hat. Der Autor beschreibt „die einzelnen Akteure, d. h. die deutschen und tschechischen Behörden und Institutionen mit der Kulturabteilung im Amt des Reichsprotektors an der Spitze, die ihnen zum Erreichen ihrer Ziele verfügbaren Mittel wie auch die entstehenden paradoxen Situationen und Hürden, welche die Besatzer in ihrem Streben nach Beherrschung des tschechischen Gebiets überwinden mussten. Die Mehrzahl dieser Hürden entsprang jedoch einem zugrundeliegenden politischen Interesse: Den Okkupanten war in erster Linie daran gelegen, dass im Protektorat Ruhe herrschte und die hiesige Produktion (insbesondere die Waffenindustrie) reibungslos weiterlief. Daher nahmen sie eine scheinbar autonome Verwaltung unter Führung einer tschechischen Regierung in Kauf und steckten so das Kräftefeld ab, in dem sich das Alltagsleben, einschließlich sämtlicher kultureller Ereignisse, abspielte.“ Das Buch gehört zu den Titeln, die für den Otokar-Fischer Preis 2017 nominiert wurden.

Bremer Professur für tschechoslowakische Kulturgeschichte bedroht (6. 4. 2017)

Die Universität Bremen plant die Streichung einer erst unlängst eingerichteten Professur zur „Kulturgeschichte Ostmitteleuropas mit Schwerpunkt Geschichte der ČSSR“, der einzigen derart spezialisierten Arbeitsstelle in der Bundesrepublik Deutschland – mit dem Hinweis darauf, dass sie viel zu wenig zur Profilierung der Universität beitrage. Wir sind der Meinung, dass die Universität Bremen durch die Einrichtung der Professur für eine ganze Region zu einem Ort mit einem klaren Profil geworden ist, welches den Mut der Universitätsleitung bezeugte, den für kleine geisteswissenschaftliche Fächer unheilvollen Tendenzen des Wissenschaftsmanagement eben durch eine durchaus unselbstverständliche, umso wertvollere Exzellenz-Professur mit eindeutiger Ausrichtung die Stirn zu bieten. Durch die Streichung der Professur könnte die Universität  genau das Gegenteil von dem erzielen, was sie wünscht: Sie verlöre ihr unverwechselbares Profil. Das IPSL hat in diesem Sinne einen offenen Brief an die Universitätsleitung gerichtet; die Aufrechterhaltung der mit Prof. Martina Winkler besetzten Professur kann in einer auf Change.org zugänglichen Petition unterstützt werden. Das IPSL kooperiert mit Prof. Winkler im Rahmen des Otokar-Fischer-Preises.

Libuše Heczková über Lucie Merhautovás Buch zu deutsch-tschechischen „Parallelen und Überschneidungen“ (5. 4. 2017)

Der neue E*forums-Beitrag beschäftigt sich mit der Monografie Lucie Merhautovás Paralely a průniky. Česká literatura v časopisech německé moderny (1880–1910), die „Parallelen und Überschneidungen“ im deutsch-tschechischen Literaturtransfer untersucht (Prag: Masarykův ústav a Archiv AV ČR, 2016). Das Buch beobachtet von Beginn der 1880-er Jahre bis zum Vorkriegsjahrzehnt fünf deutsche Zeitschriften, ebenso deren Herausgeber und Vermittler, die über tschechische Literatur schrieben, ihre Übersetzer und Übersetzerinnen. Die historische Interpretation wird um eine Anthologie von Artikeln zur tschechischen Literatur aus diesen Zeitschriften ergänzt, selbstverständlich fehlt auch nicht eine detaillierte Bibliografie sowie die umfangreiche Auflistung von Quellen und verwendeter Literatur. Lucie Merhautová konzentriert sich auf „ein mehrschichtiges Problem der Vermittlung, nämlich um den Transfer zwischen Sprachen, die zu einem bestimmten historischen Moment (aus damaliger Sicht) nicht gleichwertig sind, topografisch aber nebeneinander existieren, wobei gleichzeitig die eine vielfach über ihren Platz hinausgreift, die andere wiederum mit dem Raum dieses historischen Gebiets auf fatale Weise verbunden ist.“ Es gelingt der Autorin, „die Lage der in sprachlicher Hinsicht tschechischen Kultur innerhalb der deutschen zu erklären, ebenso die Wege der Überwindung dieser Marginalität; auf der anderen Seite beleuchtet sie die Entstehung einer neuen deutschen Kultur, der so genannten Heimatkultur, in der auch die Zugehörigkeit zur böhmischen Region weitaus stärker akzentuiert wurde“.

Nominierungen für den Otokar-Fischer-Preis 2017 (30. 3. 2017)

Der Otokar-Fischer-Preis für deutsche Bohemistinnen und Bohemisten, vom Institut für Literaturforschung (IPSL) seit 2017 ausgelobt, hat seine Finalisten. Eine deutsch-tschechische Jury bestimmte in der ersten Runde für dieses erste Jahr eine engere Auswahl. Unter den sechs auf Deutsch verfassten Büchern, die in den Jahren 2014–2016 veröffentlicht wurden, befinden sich Arbeiten zur Geschichte der tschechischen wie der deutschsprachigen Literatur, zur Kunst- und Kulturgeschichte. Informationen darüber sind auf der Webseite des Preises zugänglich. Der Autor / die Autorin des Siegertitels wird diesen am 28. Juni 2017 im Prager Goethe-Institut vorstellen, am Tag darauf erfolgt die feierliche Preisverleihung im Kampa-Museum.

Jakub Raška über eine kurze Biografie Alfred Meißners (29. 3. 2017)

Der neue deutsch-tschechische E*forums-Beitrag widmet sich der allerersten Monografie über den deutsch schreibenden Schriftsteller Alfred Meißner (1822–1885), gebürtig aus Teplice / Teplitz; sie stammt aus der Feder des amerikanischen Germanisten Jeffrey L. Sammons. Nach Urteil des Rezensenten gibt der Autor eher eine kommentierte Werkübersicht, während er grundlegenden Forschungsfragen zu Meißner größtenteils ausweicht: „Mit nur einem Satz tut er Meißners Auseinandersetzung mit der Beziehung der Deutschen und Tschechen ab, oder dessen erfolglosen Versuch, eine gemeinsame Koalition beider Ethnien während der Revolution 1848 zu bilden, der jedoch von den tschechischen Nationalliberalen mit František Palacký an der Spitze abgelehnt wurde. Dabei war Meißner kurz vor seiner Emigration nach Leipzig einer der Stammautoren der Prager Zeitschrift Ost und West, die sich außer den unbestrittenen intellektuellen Qualitäten gerade um die Brückenbildung zwischen dem deutschen und tschechischen Ethnikum in Böhmen bemühte. Meißners Einstellung zum aufkommenden Nationalismus der Mitte des 19. Jahrhunderts verdiente eine eigene Analyse.“

Martin Hořák über die Deutschböhmische Ausstellung in Liberec 1906 und 2016 (15. 3. 2017)

Die sogenannte Deutschböhmische Ausstellung, die im Jahre 1906 in Liberec / Reichenberg stattfand, sollte „den Beweiß liefern, daß gerade das deutsche Volk Böhmens der vornehmste Träger der wirtschaftlichen Wohlfahrt des Reiches ist“ und dadurch „die Berechtigung der darauf fußenden politischen und nationalen Forderungen unseres deutschböhmischen Volkes erhärtern“. Der neue deutsch-tschechische Beitrag zum E*Forum behandelt zwei 2016 veranstaltete Reichenberger Ausstellungen und insbesondere die Publikation Německočeská výstava Liberec 1906 / Deutschböhmische Ausstellung Reichenberg 1906 (Hg. Anna Habánová), die diesem Ereignis gewidmet waren. Laut des Autors der Rezension kann man in der Ausstellung 1906 „eine repräsentative und authentische Darstellung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Situation sehen, in der ein wichtiger Teil der deutschsprachigen Bevölkerung Böhmens in der letzten Dekade vor dem Ersten Weltkrieg lebte. Bei der aktuellen Auseinandersetzung mit der damaligen Ausstellung ist aus fachlicher Perspektive besonders der Erkenntnisgewinn über die deutschböhmische Kunstszene an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert bis hin zur Zwischenkriegszeit hervorzuheben. Zur Erforschung dieser Szene haben in den letzten Jahren vor allem die Kunsthistoriker Anna Habánová und Ivo Habán beigetragen, deren erster Beitrag die Ausstellung ‚Junge Löwen im Käfig‘ / ‚Mladí lvi v kleci‘ im Jahre 2013 war.“

Alfred Endler über Paul Leppin (1. 3. 2017)

Mit einem kurzen Artikel aus dem Jahre 1921 stellen wir heute im E*forum den aus Liberec / Reichenberg stammenden Alfred Endler (1897 – ?) vor. Als Schriftsteller von Prosa und Dramen trugt er mit literarischen Ausschnitten und Kritiken zur Prager Presse, dem Prager Tagblatt und der Halbmonatsschrift Wahrheit bei, arbeitete höchstwahrscheinlich jedoch auch für den Berliner Börsen-Courier. Leppins Werk stelle, so Endler, eine Übergangsform dar, nämlich „zwischen Décadence und Expressionismus. Wenn der Décadent ‚sehr‘ vor das Adjektiv setzt, so ist dies weder Kalligraphie, noch Pose. Es ist einfache, sachliche Feststellung seines Gefühlsbetonungs-Grades, seiner Wahrnehmungs-Intensität. Er schreibt ‚sehr‘, weil er sehr sieht, hört oder entzückt wird, oder verletzt. Dies ist die Definition des Décadent: ein Maximum an Senkung der Reizschwelle. Er sieht dort noch, wo andere nichts mehr sehen. Er wird dort betäubt, geblendet und übererregt, wo andere ‚normal‘ wahrnehmen und gleichgültig bleiben. [...] Bis endlich die Wende eintritt vom Décadent zum expressionistischen Menschen, von der Willensschwäche zum Reizhunger, vom ‚Gartenglück‘ zur Unterdrückung, aber dadurch Rettung des Herzens im Exzeß.“

Der Otokar-Fischer-Preis für deutsche BohemistInnen (24. 2. 2017)

Das Institut für Literaturforschung vergibt ab diesem Jahr einen Preis für eine in außergewöhnlichem Maße einträgliche deutsche Arbeit zur Geschichte der tschechischen Literatur, Sprache und Kultur. Das Ziel des Preises, der sich an Deutsch schreibende BohemistInnen richtet, ist es, die bedeutendsten deutschsprachigen und in Deutschland herausgegebenen Facharbeiten mit tschechischer Thematik auszuzeichnen und sichtbar zu machen. Der Preis, der nach dem bedeutenden Bohemisten, Germanisten und Förderer der sogenannten „Germanoslavica“ Otokar Fischer benannt ist, wird in Anwesenheit des Preisträgers / der Preisträgerin im Juni 2017 im Prager Kampa-Museum feierlich überreicht werden, gemeinsam mit dem renommierten F. X. Šalda-Preis für Kunstkritik. Mehr Informationen unter www.ipsl.cz/ofp, eine Pressemitteilung finden Sie hier.

Neuerscheinungen: Echa 2016 und Echos 2016 (16. 2. 2017)

Das IPSL bringt soeben den 6. Jahrgang der Echa und den 3. Jahrgang der Echos als e-Bücher heraus. Beide Sammlungen von Original-Artikeln bieten kritische Reflexionen der aktuellen Literaturwissenschaft und Rezensionen von Fachpublikationen, und zwar mit Ausrichtung auf Bohemistik (Echa) und Germanobohemistik (Echos). Mit Jahresbeginn 2017 hat das literaturwissenschaftliche E*Forum für (Germano)Bohemistik online die beiden bislang getrennten Reihen der Echa und der Echos miteinander verknüpft. Das E*forum ist auf eine territorial verstandene Bohemistik ausgerichtet und berücksichtigt stärker auch die ältere Literatur. Die Jahrbücher Echa und Echos 2016 umfassen außer den eigentlichen Texten der beiden Rubriken „Es schreiben“ und „Es schrieben“ kurze Biografien der AutorInnen und RedakteurInnen, ein Verzeichnis der rezensierten Bücher sowie ein Namensregister. – Echa 2016 sowie Echos 2016 sind kostenlos erhältlich auf der IPSL-Webseite sowie bei den tschechischen Distributoren.

Nikola Mizerová über experimentelle Lyrik (15. 2. 2017)

Der neue deutsch-tschechische Beitrag zum E*forum nähert sich dem Sammelband Experimentelle Poesie in Mitteleuropa (Hg. Klaus Schenk, Anne Hultsch, Alice Stašková; Göttingen: V&R, 2016). „Der große Gewinn des Bandes ist die im Vorwort erwähnte Eröffnung  einer mitteleuropäischen Perspektive. Diese ist in dem Fall schon deshalb relevant, weil die mitteleuropäischen Länder, in denen das literarische Experiment in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch das kommunistische Regime aus politischen Gründen unterdrückt wurde, Anregungen gerade aus dem deutschsprachigen Umfeld schöpften, wodurch es zu einer engen Verbindung zwischen den Ländern des Ostblocks auf der einen und der BRD und Österreich auf der anderen Seite kam.“ Laut Rezensentin eine Entdeckung für die Bohemistik ist insbesondere der Beitrag Alice Staškovás, der sich mit der umfangreichen Korrespondenz der tschechischen Pioniere des Experiments Bohumila Grögerová und Josef Hiršal mit Helmut Heißenbüttel, Reinhard Döhl und Friederike Mayröcker beschäftigt.

Václav Smyčka über die Aufklärung und das deutsche 18. Jahrhundert (1. 2. 2017)

Der neue deutsch-tschechische e*Beitrag beschäftigt sich mit der umfangreichen, wenngleich gut lesbaren Monografie Steffen Martus‘ über die deutsche Aufklärung: seine Arbeit Aufklärung, das deutsche 18. Jahrhundert – ein Epochenbild (Berlin: Rowohlt, 2015) komponierte er „keineswegs nur als einen weiteren theoretischen Beitrag zum Thema, sondern als literarisch gelungene, fesselnde Schilderung einer Epoche. Er zeigt die Aufklärung anhand vieler kleiner Geschichten, die ineinander verflochten sind und sich wie in einem gut geschriebenen Roman ergänzen. [...] Betrachtet man das Durcheinander der kleinen Geschichten, bemerkt man im Hintergrund eine relativ klare große Geschichte der Abkehr von der Tradition, die sich jedoch im Laufe des 18. Jahrhunderts immer mehr in eine Skepsis gegenüber menschlichen Fähigkeiten und der Möglichkeit, jene versprochene Befreiung erreichen zu können, verwandelte. Alle Bemühungen, den Menschen von seinen sozialen, religiösen und kulturellen Bedingungen zu emanzipieren, münden laut Martus im 18. Jahrhundert in die Enthüllung seiner noch größeren Abhängigkeit von der Tradition und seiner Unfähigkeit, mit ihr zu brechen.“

Ladislav Futtera über die Polzenblumen (18. 1. 2017)

Der heutige deutsch-tschechische Beitrag im E*Forum behandelt die neueste zweisprachige Anthologie deutschsprachiger Schriftsteller aus dem Gebiet der heutigen Verwaltungsregion Liberec: Der Band Ploučnické květy / Polzenblumen wurde Ende 2015 von Marek Sekyra, Otokar Simm und Tomáš Cidlina in der Regionalen wissenschaftlichen Bibliothek (Krajská vědecká knihovna) Liberec herausgegeben. Es handelt sich bereits um den vierten Band einer Reihe, in der zuvor die Jeschken-, Iser- und Friedländer Blumen erschienen. „Ein so umfassender Überblick über deutschsprachige Schriftsteller aus einer konkreten Region Böhmens ist wirklich einzigartig. […] Durch sämtliche Bände defiliert eine bunte Mischung aus äußerst produktiven Schriftstellern und längst vergessenen sporadischen Verseschmieden. So begegnen sich allein in den Polzenblumen der berühmte Dichter Hugo Salus, der Drehbuchautor Ludwig Nerz, der Liberecer Bürgermeister und Gelegenheitsdramatiker Karl Kostka, die Gräfin Christiane Thun-Hohenstein (deren Erzählungen um die Wende zum 20. Jh. auch ins Tschechische übersetzt wurden) und der umfangreiche Autorenkreis der Heimatkundezeitschrift Mitteilungen des Nordböhmischen Excursions-Clubs aus Česká Lípa.“  

IPSL eröffnet das E*Forum (4. 1. 2017)

Das literaturwissenschaftliche Online-Forum IPSL ändert ab dem neuen Jahr seine Gestalt und seinen Namen: die Beiträge, die bislang nach Themen geordnet in zwei unterschiedlichen Rubriken der Echa und Echos erschienen sind (geleitet von eigenständigen Redaktionsteams), werden ab Januar 2017 unter gemeinsamer redaktioneller Leitung an einem Ort veröffentlicht. Unter der Adresse des E*forums versammelt werden sämtliche Beiträge zur Bohemistik, welche in einem breiteren, territorialen Sinn verstanden wird: Neben Artikeln zu den Forschungsergebnissen zur modernen, auf Tschechisch verfassten Literatur wird das Forum einen stärkeren Fokus auf die oft übergangene ältere Literatur und vor allem auch auf die deutschsprachige Literatur der böhmischen Länder legen, bzw. auf die deutsch-tschechischen Literatur- und Kulturkontakte. – Mit der Frage, wie die literaturwissenschaftliche Bohemistik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem fremdsprachigen bohemikalen Schrifttum umging, beschäftigt sich der Aufsatz Jakub Sicháleks, den wir als ersten diesjährigen e*Beitrag bereitstellen.

Joseph Roth zum Tod Karel Čapeks (27. 12. 2016)

Als letztes deutsch-tschechisches Echo im Jahre 2016 veröffentlichen wir den Nachruf auf Karel Čapek, den Joseph Roth in der Zeitung der deutschen Emigranten, der Pariser Tageszeitung, am 27. Dezember 1938 veröffentlichte, an eben dem Tag, an dem auch in der tschechischen Presse die ersten Nekrologe erschienen. Das elegische Ausklingen des Nachrufs und sein zorniger Pathos sind unvermeidlich mit den fatalen Ereignissen des Jahres 1938 verbunden, vor allem mit dem „Anschluss“ Österreichs im März und dem Münchner Abkommen der vier Großmächte über die Abtretung der tschechoslowakischen Grenzgebiete an den „preußischen Stiefel“. Roth schreibt: „Wir beklagen die edlen Opfer einer Pest, die offenbar nicht allein durch die Bazillen tötet, aus denen sie besteht, sondern auch noch mittelbar durch Schmach und Schande. Treubruch-Wortbruch-Verrat-Erzeugung. Die Scham über eine träge Welt, die ihren Untergang durch Ehrlosigkeit beschleunigt, unter dem Vorwand, ihn aufzuhalten, ist zu groß, als daß sie diesen Edlen nur die Röte ins Gesicht triebe: Sie treibt ihnen vielmehr den Tod in die Brust.“

Stefan Michael Newerkla über eine Analyse von Kafkas Literatursprache (12. 12. 2016)

Mit Boris Blahaks Monografie über Franz Kafkas Literatursprache. Deutsch im Kontext des Prager Multilingualismus (Köln – Weimar – Wien, Böhlau 2015) liegt eine Arbeit vor, die – so das neue deutsch-tschechische Echo – „bisherige, vielfach vorgefasste und oft jahrzehntelang tradierte Ansichten zur Literatursprache Kafkas, zu dessen ‚allerpersönlichstem Hochdeutsch‘ in Frage stellt, relativiert und teilweise sogar revidiert“. Das Buch gewährt „nicht nur einen Überblick über den sprachsoziologischen Kontext, den Einfluss des Schreibprozesses auf die verwendete Sprache sowie die Textgestalt und Kafkas individuelle sowie zeit- und raumgebundene Einstellung zu den Komplexen ‚Standard‘ bzw. ‚Schriftsprache‘ und ‚Substandard‘ bzw. Dialekt. Blahak bringt vor allem auch eine äußerst detaillierte, korpusbasierte Analyse der Regionalismen in Kafkas literarischem Deutsch, gleichsam eine ‚Fehlergrammatik‘ seiner Literatursprache auf phonetischer und morphosyntaktischer Ebene.“

Bernd Hamacher über den Briefwechsel Scherers mit Sauer, Seuffert und Werner (28. 11. 2016)

Die kommentierte Edition des Briefwechsel Wilhelm Scherers mit August Sauer, Bernhard Seuffert und Richard Maria Werner aus den Jahren 1876 bis 1886 kann – so das neue deutsch-tschechische Echo – für die Wissenschaftsgeschichte der Germanistik Modellcharakter beanspruchen. Der Band mit dem Titel Disziplinentwicklung als community of practice, herausgegeben von Hans-Harald Müller und Mirko Nottscheid (Stuttgart: Hirzel 2016), belegt, dass die Neuere deutsche Literaturgeschichte sich als Fach deutlicher konstituierte erst im Rahmen der Scherer-Schule, und zwar  in der „community of practice“  der Seminare Scherers und des Netzwerks seiner Schüler. „Eine genuine Leistung des Bandes – und damit auch die Berechtigung, mit Scherers Tod eine Grenze zu ziehen – liegt darin, dass sich in dem knappen Jahrzehnt zwischen 1876 und 1886 ‚wesentliche Konturen eines »typischen« Profils der Literaturhistoriker aus Scherers Schule heraus[bildeten]‘, die auch über die wissenschaftlichen Biographien der drei behandelten Persönlichkeiten hinaus von Bedeutung sind. Hierzu gehört u. a. die der akademischen Etablierung folgende ‚Suche nach einem »Lebensdichter«‘“.

Hans-Harald Müller über eine Monografie zu Franz Janowitz (14. 11. 2016)

Der ersten Fachbiografie zum kurzen Leben und zum nur in Teilen erhaltenen Werk von Franz Janowitz (1892–1917) soll das neue deutsch-tschechische Echo gewidmet sein. Jaromír Czmero gab seinem Buch den vielsagenden Titel Der bekannteste Unbekannte der Prager deutschen Literatur: Janowitz „gehört nicht zu den ‚mit Unrecht vergessenen‘, sondern zur Klasse der – im 20. Jahrhundert nicht seltenen – halb bekannten, beinahe kanonisierten Autoren, die einen sicheren, fest umrissenen Platz in der Literaturgeschichte (noch) nicht gefunden haben. Unbekannt konnte Janowitz nicht bleiben, weil er schon zu Lebzeiten zu den peer-groups des Prager und Wiener Literaturlebens – u. a. mit Max Brod, Franz Werfel, Willy Haas, Karl Kraus – in Beziehungen stand. Einen Platz in der Literaturgeschichte konnte Janowitz unter anderem deshalb (noch) nicht finden, weil der Nachlass des Dichters verloren ging und seine überlieferten Texte lange Zeit nicht zugänglich waren.“

Václav Maidl über L. Futteras deutsches Libusse-Lied (31. 10. 2016)

Das neue deutsch-tschechische Echo widmet sich der Publikation einer unserer Beiträger, die 2015 unter dem Titel Německá píseň o Libuši. Obraz českého dávnověku v české a německé literatuře 19. století (Das deutsche Lied von Libussa. Das Bild der frühen böhmischen Geschichte in der tschechischen und deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts) bei Pistorius & Olšanská in Příbram erschienen ist. „Der Autor sammelte im komparativen Rahmen bekannte und weniger bekannte Texte mit der Figur der Libuše, die er analysiert und miteinander vergleicht; er kann sie aus dem Entstehungskontext heraus erklären und auch mit anderen Kontexten verbinden, was einen gewissen Aspekt der Entwicklung in seine Forschung bringt. [...] Künstlerische Werke, die das genannte Thema auf Seiten der tschechischen Sprache artikulieren, bleiben im Hintergrund, wie das, was allgemein als bekannt vorausgesetzt wird (Die Kosmas- und die Hájek-Chronik, die Königinhofer und Grünberger Handschrift, Smetanas Libuše, Zeyers Vyšehrad, die Symbolik der Malereien im Nationaltheater), und den Schwerpunkt seiner Arbeit legt er auf literarische Werke mit Libuše-Thematik in deutscher Sprache.“

Lucie Merhautová über eine Monografie zu Sacher-Masoch (17. 10. 2016)

Thematisch angebunden an den letzten deutsch-tschechischen Beitrag in der Rubrik „Es schrieben“ veröffentlichen wir ein neues Echo zur Biografie Sacher-Masoch (18361895) des französischen Historikers für Mitteleuropäische Geschichte Bernard Michel (Praha, Dybbuk 2015). Die tschechische Übersetzung erschien über 25 Jahre nach dem französischen Original – nicht einmal ins Deutsche ist sie bislang übertragen worden. Auf Deutsch existiert freilich im Gegensatz zum tschechischen Umfeld eine Reihe von Fachmonografien und Studien. „Bei Zitaten aus Sacher-Masochs Werken bedient sich Michel sowohl des deutschen Originals wie auch der dreibändigen französischen Prosaausgabe, diese und andere Editionen verwendete dann auch Gilles Deleuze für seine berühmte Studie Présentation de Sacher-Masoch. Le froid et le cruel. Deleuzes sado-masochistische Lesart beeinflusste eine ganze Reihe anderer Interpretationen. Doch Michel versucht sich davon zu emanzipieren und betont die historische Perspektive: ‚Um ihn verstehen zu können, muss man vor allem die Habsburger Monarchie des 19. Jahrhunderts sehr gut kennen, nicht nur die deutsche Welt, sondern auch die slawische: die ukrainische, polnische und tschechische, inklusive ihrer Sprachen, Bräuche und Gesellschaftsrituale‘“.

Leopold von Sacher Masoch schrieb an Svatopluk Čech (3. 10. 2016)

Das neue deutsch-tschechische Echo berichtet über die Aktivitäten Leopold von Sacher Masochs im Zusammenhang mit der Leipziger Zeitschrift Auf der Höhe (1881–1885), dem seinerzeit einzigen Periodikum in Deutschland, welches das zeitgenössische Geschehen in der tschechischen Literatur gezielt vermittelte. Dessen Herausgeber Sacher Masoch wandte sich damals wegen tschechischer Beiträge an den angesehenen Schriftsteller Svatopluk Čech mit einem Brief, der hier veröffentlicht wird. Die in Kürze geschilderte Geschichte einer der Zeitschriften, denen das neue Buch Lucie Merhautovás Paralely a průniky (Parallelen und Überschneidungen, MÚA AV ČR 2016) gewidmet ist, zeigt die Bedingungen für ein erfolgreiches Vermitteln tschechischer Literatur in deutschen Zeitschriften auf – Bedingungen, „die Auf der Höhe allesamt erfüllte: ein internationales, nicht nur an großen Literaturen ausgerichtetes Zeitschriftenprogramm, das Interesse der Redaktion an kleineren slawischen Literaturen, Kontakte zu entsprechenden Literaturmittlern mit gutem Überblick über die aktuelle tschechische Literatur, die außerdem bereit wären, auf Deutsch zu referieren oder ins Deutsche zu übersetzen – am besten beides und regelmäßig“.

Jakub Sichálek über die Reflexion alter Literatur aus den böhmischen Ländern (19. 9. 2016)

Das neue deutsch-tschechische Echo handelt von den Veränderungen und den Problematiken der literaturhistorischen Reflexion über die deutschsprachige Literatur, die im Mittelalter in den böhmischen Ländern entstand, bzw. von der Reflexion dieser deutsch-tschechischen Literaturkontakte im 20. Jahrhundert. Das Ende jener bedeutenden Zeit der 1920er und 30er Jahre, für die in Hinblick auf die Geschichte der böhmischen Literatur des Mittelalters die Eingliederung des kirchenslawischen, lateinischen und des deutsch-bohemikalen Schrifttums in die Geschichte der tschechischen Literaturgeschichte charakteristisch war, „markierten am Vorabend des Zweiten Weltkriegs Konrad Bittner und dessen markantester Opponent Roman Jakobson mit ihren Standpunkten bezüglich der deutsch-tschechischen Kontakte: Der Deutschmähre Bittner, einer der führenden Slawisten der Prager deutschen Universität, [...] sah eine Abhängigkeit der tschechischen Literatur von der deutschen sowie deutsche literarische Einflüsse auch da, wo sie nicht waren. Der russische Slawist Jakobson hingegen wollte sie – in Reaktion auf Bittner und auf die Kriegsereignisse – selbst dort nicht sehen, wo es sie tatsächlich gab.“ Fortgesetzt wird dieses Echo im kommenden Jahrgang.

Václav Smyčka über die Geschichte Tschechiens von J. Bahlcke (5. 9. 2016)

„Das Verfassen einer mehrbändigen Gesamtdarstellung zur Geschichte eines Landes ist für einen Historiker eine der größten intellektuellen Herausforderungen. Das Verfassen eines Geschichtswerks für fachunkundige Leser und auf dem begrenzten Raum eines einzigen schmalen Bandes scheint mir jedoch ein noch gewagteres Unterfangen. Ein Versuch einer solch konzentrierten Gesamtdarstellung der tschechischen Geschichte auf minimalem Raum ist das in der Edition Wissen des Münchener Verlags Beck (2014) erschienene Buch Geschichte Tschechiens, dessen Verfasser Joachim Bahlcke als Professor für Geschichte der frühen Neuzeit an der Universität Stuttgart tätig ist. Wie im Untertitel des Buches angekündigt, hat sich der Autor zum Ziel gesetzt, dem Leser auf bloßen hundertzwanzig ca. oktavheftgroßen Seiten die tschechische Geschichte ‚vom Mittelalter bis zur Gegenwart‘ darzustellen.“ Wie J. Bahlcke die Klippen eines solchen Vorhabens umschifft, davon handelt das neue deutsch-tschechische Echo.

Štěpán Zbytovský über das Groteske in der Literatur (22. 8. 2016)

Das neue deutsch-tschechische Echo widmet sich der Dissertation Nikola Mizerovás Das Groteske in der deutschen Literatur aus den böhmischen Ländern 1900–1930 (Arco 2014), welche die in der Literatur zum Gegenstand häufig wiederholte These überprüft, nach der insbesondere die Prager deutsche Literatur auf spezifische Weise mit der Kategorie des Grotesken verbunden sei. „Mizerová zeigt an einem umfassenden Textkorpus von Autoren aus Prag, dem böhmischen Grenzland und Mähren sowie an der Geschichte der Gattungsbezeichnung ‚Groteske‘, wie sie Karl Hans Strobl als einer der ersten verwendete, dass die Popularität des grotesken Stils wie auch der Gattung Groteske in den ersten drei Dekaden des 20. Jahrhunderts in keiner Weise von den Tendenzen im gesamten mitteleuropäischen Kontext abweicht, sondern vielmehr von einer engen Vernetzung der hiesigen Literatur mit diesem breiteren Kontext zeugt.“

Jan Budňák über das Bild der Provinz in der tschechisch- und deutschsprachigen Literatur (8. 8. 2016)

Das neue deutsch-tschechische Echo analysiert das auf Tschechisch erschienene Buch Der tschechische und der deutsche Bauer im Spiegel der Belletristik 1848–1948. Ein Diskurs zwischen Historiographie und Literaturwissenschaft zum Thema des Bauern- und Grenzlandromans (hg. von Eduard Kubů, Jiří Šouša und Aleš Zářický; Dokořán und Universität Ostrava 2014, 745 S.). Der Rezensent drückt seine Zweifel gegenüber der vorgebrachten Meinung aus, nach der „die tschechische Literatur bloß einige wenige kämpferische Grenzlandtexte abseits des ‚Hauptstromes der Nationalliteratur‘ hervorgebracht habe, wo das ländliche Milieu sonst mehr oder weniger ästhetisch wertvoll und ideologisch gemäßigt geschildert wird, während in der ‚sudetendeutschen‘ ruralen Prosa der aggressive Grenzlandfokus überwiege.“ Er fügt hinzu, „dass hier Ungleiches verglichen wird. Die Dorfprosa, so wie sie von Stašek oder Rais gepflegt wurde, entspricht typologisch viel eher den Texten von Ebner-Eschenbach, J. J. David, G. Leutelt oder etwa Fritz Jurditsch (Ein Dorfbürgermeister, 1927) als den auf nationalen Konfrontationskurs gehenden Grenzlandtexten.“

Leopold Silberstein über T. G. Masaryk (25. 7. 2016)

Der deutsche Philosoph, Soziologe und Literaturwissenschaftler jüdischer Herkunft Leopold Silberstein (1900 in Berlin – 1941 in Tartu) „gehörte zu den zahlreichen deutschen Intellektuellen im Exil, die nach 1933 in der Tschechoslowakei unter äußerst schwierigen legislativen und materiellen Bedingungen eine umfangreiche publizistische und fachliche Tätigkeit entfalteten und somit die intellektuelle und kulturelle Basis des tschechoslowakischen Umfelds erweiterten.“ Das neue deutsch-tschechische Echo ist dieser heute fast unbekannten Persönlichkeit gewidmet, deren Leben und Werk sich dank der systematischen Forschungen des Berliners Konrad Herrmann gut rekonstruieren lassen; in der Rubrik „Es schrieben“ stellen wir einen Ausschnitt aus einer Vorlesung über T. G. Masaryk vor, die Silberstein im Jahre 1936 auf einer Vortragsreise durchs Baltikum und Finnland hielt, die vom tschechoslowakischen Staat finanziert wurde.

Lenka Penkalová über Milena Jesenská-Biografien (11. 7. 2016)

Das neue deutsch-tschechische Echo begutachtet zwei Herangehensweisen an eine mögliche Biografie Milena Jesenskás; beide erschienen 2015 in revidierten Ausgaben: Alena Wagnerovás Milena Jesenská im Prager Verlag Argo sowie Jaroslava Vondráčkovás Kolem Mileny Jesenské (Um Milena Jesenská) bei Torst. „Beide Bücher bearbeiten das gleiche Thema auf ganz unterschiedliche Weise, ohne miteinander zu konkurrieren, eher ergänzen sie sich. Die eine Autorin wählt einen persönlichen Ton, der auf eigenen Erinnerungen und Gesprächen mit Zeitzeugen basiert, die andere bemüht sich um einen objektiven Blick, wenn auch das Ergebnis eine sehr spezifische psychologisierende Interpretation der Persönlichkeit Milena Jesenskás ist, ein Roman, in dem der Journalistin die Rolle der Heldin zuteilwird.“ Lenka Penkalovás Analyse zeigt, „dass es selbst auch bei solch berühmten Persönlichkeiten wie Milena Jesenská immer noch etwas zu entdecken gibt“.

Michal Topor über eine Eduard Albert-Monografie (27. 6. 2016)

Das neue deutsch-tschechische Echo beschäftigt sich mit der Monografie Eduard Albert (1841–1900). Český intelektuál ve Vídni [Ein tschechischer Intellektueller in Wien] von Helena Kokešová, die 2014 im Prager Verlag Academia erschienen ist. Der prominente Chirurg, der zunächst in Innsbruck, dann in Wien tätig war, außerdem Hofrat, Mitglied des Herrenhauses und Vermittler der tschechischen Literatur im deutschsprachigen Umfeld, bleibt für die Autorin „‚ein tschechischer Intellektueller in Wien‘. […] Mit einigen weiteren Zeugnissen (inklusive einiger Selbstcharakterisierungen des Hauptakteurs) untermauert die Autorin zwar weiterhin das Bild eines listigen Wiener Taktikers, der nach außen hin wie ein ‚Österreicher‘ auftrat, sprich: neutral und solide, der sich (auch sprachlich) etablierte und dann, ausgehend von dieser Grundlage, wo nur möglich und dennoch unauffällig, die ‚tschechische Sache‘ unterstützte. Doch in weiteren Teilen der Darstellung bricht sie zum Glück selbst mit diesem Bild [...].“

Zuzana Jürgens über K. Kovačkovás „Figuren der Anderen“ (13. 6. 2016)

Das neue deutsch-tschechische Echo behandelt Kateřina Kovačkovás Dissertation, die den auf Deutsch verfassten Romanen Josef Holubs, Gerold Tietz' und Johannes Urzidils gewidmet ist. Unter dem Titel Figuren der Anderen in der deutschböhmischen Exilliteratur erschien sie 2015 im Münchner Rogeon-Verlag. Laut Zuzana Jürgens war „der Ausgangspunkt der ganzen Dissertation die Begegnung mit [Tietz'] literarischem Werk“, welches die Autorin „bezaubert hat und das sie sehr hoch schätzt. […] Man kann nur vermuten, warum sie – anstatt sich nur ihm zu widmen – sich entschied, ihr Forschungsgebiet zu erweitern. Das Ergebnis ist leider ein Schweifen von einem Thema zum anderen, dem auch durchaus anregende Beobachtungen zum Opfer fallen.“

Ladislav Futtera über Kurt Krolops Ludwig Winder (30. 5. 2016)

Das heutige deutsch-tschechische Echo analysiert eine Monografie über das Frühwerk Ludwig Winders: Kurt Krolops 1967 im ostdeutschen Halle verteidigte Dissertation erschien im vorigen Jahr in Olmütz und wurde zum letzten Werk, das zu Lebzeiten des Autors (1930–2016) publiziert wurde. Die Ausgabe des Buches Ludwig Winder. Sein Leben und sein erzählerisches Frühwerk. Ein Beitrag zur Geschichte der Prager deutschen Literatur (Univerzita Palackého v Olomouci, 2015) wurde von Jörg Krappmann und Jaromír Czmero anlässlich des 85. Geburtstags Krolops vorbereitet. Bei der Herausgabe der mehrere Duzend Jahre alten Arbeit handelt es sich, so der Verfasser des Echos, „weniger um einen Akt des Respekts gegenüber dem Autor als um die begrüßenswerte Bereitstellung eines sonst schwer zugänglichen Textes für Interessenten der deutschböhmischen Literatur. Zu bedauern ist lediglich, dass das Buch nicht für die übliche Distribution freigegeben wurde und dem Leser nur in einigen wenigen wissenschaftlichen Bibliotheken zur Verfügung steht. Schade umso mehr, da Krolop sich hier als äußerst bewanderter Fachmann erweist, der den Leser souverän durch die verwinkelten Pfade von Winders Leben und Werk geleitet, ohne dazu ein Opus von mehreren Hundert Seiten zu füllen“.

K. Krolop über K. Čapek, E. Jelínková über K. Krolop (16. 5. 2016)

In der Rubrik „Es schrieben“ stellen wir heute einen frühen Artikel Kurt Krolops (1930–1916) vor, in dem er seine Aufmerksamkeit erstmals einem tschechischen Autoren widmete. Die Hymne „Solche Erfolche erreichen nur deutsche Molche“ aus Čapeks Roman Der Krieg mit den Molchen weist Krolop als Beleg einer produktiven Rezeption von Karl Kraus und dessen satirischen Zitiermethode aus. – Mit den (germano)bohemistischen Themen in den Arbeiten Kurt Krolops und einigen Aspekten seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt sich das begleitende Echo Eva Jelínkovás. „Krolops Kenntnis der zeitgenössischen Prager, Wiener und Berliner Literaturlandschaft, verbunden mit seiner Bereitschaft, unermüdlich eine Reihe scheinbar marginaler Daten und Phänomene zu notieren, zeigt nicht selten die Lücken in den Resultaten langjähriger literaturgeschichtlicher Forschungen und kollektiver Editionsprojekte auf, die unter ganz anderen institutionellen Bedingungen entstanden als jenen, unter denen er selbst arbeitete. Krolop war notgedrungen ein Einzelgänger, rückblickend wohl aber auch aus Veranlagung. Seine ruhige Konzentration auf das Detail offenbart nicht nur die prinzipielle Unabgeschlossenheit – und damit auch Hinterfragbarkeit – der Quellenbasis als großes Forschungsrisiko, sondern zeugt auch von den unendlichen Möglichkeiten des Fragens und des Suchens nach Antworten.“

Jahrbücher Echa 2015 und Echos 2015 (10. 5. 2016)

Eben erschienen sind zwei Jahrbücher des IPSL: der 5. Jahrgang der bohemistischen Reihe Echa und der 2. Jahrgang der germanobohemistischen Echos, beide als E-Books. Beide Jahrbücher umfassen außer den veröffentlichten Beiträgen kurze Biografien der Echo-AutorInnen und -RedakteurInnen, ein Verzeichnis der rezensierten Bücher sowie ein Namensregister. Die tschechischen Echa 2015 sowie die deutsch-tschechischen Echos 2015 sind kostenlos auf den Seiten des IPSL sowie bei den tschechischen Distributoren (z. B. Kosmas) erhältlich.

Václav Maidl über Kurt Krolop (2. 5. 2016)

Drei aufeinanderfolgende deutsch-tschechische Echos werden sich dem deutschböhmischen Germanisten Kurt Krolop (25. 5. 1930 Kravaře/Graber – 22. 3. 2016 Praha) widmen. Als erstes veröffentlichen wir eine Erinnerung von Echos-Redaktionsmitglied Václav Maidl, der seit den 1990er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit Kurt Krolop in Kontakt war. „Einmal fuhren wir mit KK in seine Heimat, er wollte uns zeigen, woher er stammte. Wir gingen durch Litoměřice (Leitmeritz), wo er das Gymnasium besucht hatte, fuhren in seinen Geburtsort Kravaře (Graber) und gelangten mit unseren Autos in das Dorf, wo noch das Schulzenhaus aus dem 17. Jahrhundert stand, mit Gewölben, die von einem einzigen Pfeiler getragen wurden – der einstige Sitz des Schulzen Krolop. Stolz zeigte er es uns (die neuen Eigentümer gewährten uns den Einlass), und man sah sofort: Er war stolz auf das Haus ebenso wie auf seinen Vorfahren, den Schulzen. Das hat er nie in Worten ausgedrückt, aber es war klar, dass er ein Lokal- und allen historischen Hindernissen zum Trotz auch ein Landespatriot war. Kurz ein Deutschböhme.“

Manfred Weinberg schreibt über Reiner Stachs Kafka (18. 4. 2016)

Das neue deutsch-tschechische Echo stellt Reiner Stachs Kafka. Die frühen Jahre vor, den ersten Band einer dreiteiligen Kafka-Monografie, der als abschließender Teil 2014 im Fischer-Verlag erschienen ist. „Eine besondere Qualität ist, dass Stach ganz anders als die zwischenzeitlich erfolgreichere Biographie von Peter-André Alt Franz Kafka. Der ewige Sohn nicht einem monokausalen Erklärungsmuster folgt: Für Alt leitet sich alles im Leben (und Werk) Kafkas aus dem Verhältnis zu seinem Vater ab, was zuletzt nicht überzeugt. Eine weitere Qualität resultiert aus der mangelnden Quellenlage [zur frühen Phase von Kafkas Leben], die Stach durch eine gründliche Auseinandersetzung mit den soziokulturellen Verhältnissen des damaligen Prag kompensiert, welche in anderen Kafka-Biographien regelmäßig zu kurz kam. Stach schreibt zurecht: ‚Keine intellektuelle Biographie, die sich vor den Kulissen der böhmischen Metropole entfaltet, ist verständlich ohne die Geschichte dieser Stadt und ihrer Region‘. [...] Leider verliert er diesen Punkt in seinen Annäherungen an Kafkas Texte wieder aus den Augen. Sein Prag-Bild ist zudem stellenweise zu einfach geraten, weil er ganz dem Erklärungsmodell eines bloßen Gegeneinanders von Tschechen und Deutschen folgt.“

Ingeborg Fiala-Fürst über L. A. Frankl (4. 4. 2016)

Das neue tschechisch-deutsche Echo beschäftigt sich mit einem Band mit Artikeln über Ludwig August Frankl (1810–1894), der als als zehnter Band der Reihe „Intellektuelles Prag im 19. und 20. Jahrhunderts“ im Verlag Böhlau erscheint. L. A. Frankl war eine „polyphone“ Persönlichkeit „zwischen Okzident und Orient“, so die Autorin des Echos mit Verweis auf den Untertitel des von Louise Hecht herausgegebenen Buchs, „Jude zwischen Orthodoxie und Assimilation, Dichter deutscher Zunge und österreichischer Patriot zwischen Deutschen und Tschechen, Journalist und Herausgeber zwischen Revolution und konservativer Restauration, Historiker zwischen Dichtung und Wahrheit, eine Gestalt, an deren breitgefächerten Aktivitäten und reichem Schrifttum fiktiver sowie non-fiktiver Art fast die gesamte Problematik des 19. Jahrhunderts abzulesen ist.“

Kurt Krolop verstorben (24. 3. 2016)

Am Dienstag, den 22. März, ist der deutschböhmische Germanist Kurt Krolop gestorben. Der im nordböhmischen Kravaře (Graber) geborene deutschsprachige Literaturhistoriker und Herausgeber verband seine wissenschaftliche Laufbahn vor allem mit der sog. Prager deutschen Literatur und dem Werk Karl Kraus‘. Krolop zählt seit den frühen 1960er Jahren zu den ersten und weiterhin bedeutendsten Forschern, die sich in Prag auf den breiteren Bereich der deutschsprachigen Literatur aus den böhmischen Ländern konzentriert haben. In Karl Kraus, so Jiří Stromšík in seinem Festvortrag anlässlich des 85. Geburtstags des Forschers, habe Krolop „die überzeugendste Verkörperung kritischen Denkens“ gefunden – „eines Denkens, das sich von keinen Klischees oder Stereotypen täuschen, aber auch von keinen Glaubenssätzen oder Ideologien verführen läßt, sondern stets bemüht ist, unter die Oberfläche des Textes vorzudringen, um dort eine neue, von anderen bisher unerkannte Wahrheit zu finden. Etwas unterscheidet allerdings Krolop von Kraus wesentlich: Der Kritizismus des Ersteren ist nicht von Angriffslust, um nicht zu sagen Aggressivität des Letzteren getragen (und schon gar nicht von dessen richtendem, ekstatischem Moralismus) – Krolops Kritizismus will den Gegenstand der Kritik nicht ‚demolieren‘, sondern besser verstehen.“ Für das tschechische Publikum wird derzeit unter der Leitung Jiří Stromšíks eine umfangreiche Auswahl von Krolops wissenschaftlichen Arbeiten vorbereitet (im Prager Verlag Triáda; vgl. auch das Echo zur Publikation O pražské německé literatuře). In den germanobohemistischen Echos kommen wir zu der Persönlichkeit Kurt Krolops bald wieder zurück, u. a. mit einer Besprechung seiner neulich erschienenen Arbeit über Ludwig Winder.

Hana Šmahelová über die Große Geschichte Böhmens (21. 3. 2016)

Das neue deutsch-tschechische Echo erforscht die Auffassung der tschechischen Nationalen Wiedergeburt im Rahmen der mehrbändigen Velké dějiny zemí koruny české [Große Geschichte der böhmischen Kronländer] (Bd. XIa und XIb). Die Autorin kritisiert die mangelnde Reflexion der Schlüsselbegriffe und das nahezu konsequente Ausblenden des kulturellen und insbesondere des literarischen Charakters der National- bzw. Emanzipationsbewegung, wobei ihr gemeinsames Konzept gerade „in der intellektuellen Sphäre“ entstand, „in der Welt der Wissenschaft (der Geschichtsschreibung, der Philologie) und insbesondere der Literatur, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts stets offen für die europäische Kultur, inklusive der deutschen, war. Dieses Milieu formulierte nicht nur die ideelle Grundlage der tschechischen Nationalbewegung, es lieferte ihr auch die Mittel, die eine Kommunikation innerhalb der Gesellschaft ermöglichten.“ Der Ansatz der tschechischen HistorikerInnen verhindert es in der Folge, ein zusammenhängendes und inhaltlich kohärentes Bild dieser Bewegung zu entwerfen: „Die Darstellung der Nationalbewegung basiert [...] hauptsächlich auf einer Beschreibung von Einzelheiten, die mit einer bestimmten allgemeinen Vorstellung über die verschiedenen patriotisch motivierten Aktivitäten zur Rettung (‚Auferstehung‘) der tschechischen Literatur, zur Anstachelung eines tschechisch-deutschen Antagonismus und zur Betonung alles Tschechischen korrespondieren.“

Ladislav Drůbek über deutsche Literaten in der ČSR (7. 3. 2016)

Als neues deutsch-tschechisches Echo veröffentlichen wir den Artikel Wer ist führender Dichter der tschechoslowakischen Deutschen?, den Ladislav Drůbek (1883–1968) im Jahre 1926 verfasste. Der heute ziemlich unbekannte Publizist, Übersetzer aus dem Deutschen und Gymnasiallehrer war zunächst in Prag, später in Liberec (Reichenberg) tätig. Drůbeks Artikel, ursprünglich auf Tschechisch in der Zeitung Lidové noviny erschienen, umreißt die damals vorherrschende Spannung zwischen der kosmopolitisch denkenden Enklave der Prager deutschen Literaten und ihren national orientierten „Landsleuten aus den deutsch besiedelten Grenzregionen“: „Es mangelt nicht an Belegen zur Bestätigung der Tatsache, dass zwischen Prag, wo sich insbesondere im Umfeld der Hochschulen die Elite des deutschsprachigen Kulturlebens konzentriert, und der deutsch besiedelten Provinz, welche gern stärker ihr sudetendeutsches Nationalbewusstsein und ihre Kompromisslosigkeit betont, nicht nur eine Entfremdung, sondern oftmals eine regelrechte Feindschaft herrscht, die – wie immer – mit völliger gegenseitiger Unkenntnis und einem systematischen gegenseitigen Totschweigen verbunden ist. Der deutsche Provinzjournalismus ignoriert systematisch die Produktion der Prager Literaten, auch wenn sie keine Semiten sind, wie z. B. der hervorragende Lyriker R. Maria Rilke, der dieses Jahr unlängst anstelle einer Feier zu seinem 50. Geburtstag feierlich aus dem deutschen Volk ausgeschlossen wurde, weil er einige französische Gedichte verfasst hatte.“

Lukáš Pěchula über die „Heimkehr“ Joseph Wechsberg (22. 2. 2016)

Das neue deutsch-tschechische Echo stellt den gebürtigen Ostrauer Joseph Wechsberg (1907–1983) und seinen auf Englisch verfassten Roman Homecoming vor, der neu ins Deutsche übertragen wurde (Heimkehr, Wien, Arco 2015). Laut Rezensent handelt es sich bei der Hauptfigur nicht um einen „typischen Heimkehrer“, er passe nicht zu den Prototypen der damaligen Literatur, die, unfähig, erneut ein Zuhause und ihren Platz in der Welt zu finden, aus dem Krieg heimgekehrt waren: Wechsbergs Heimkehr trage „eine völlig andere Botschaft, nämlich die des Zur-Ruhe-Kommens, der Versöhnung und Heimatfindung. Das ganze Werk ist durchdrungen von einer Poetik der Entfremdung, welche die Atmosphäre der Leere und Nichtzugehörigkeit noch verstärkt. […] Dies ermöglicht den Prozess des Loslassens, denn nur ein freier Held kann verstehen, wo sich seine wahre Heimat befindet: Die physische Realität der unmittelbaren Nachkriegszeit in Ostrava bedeutet dem Protagonisten des Buches nicht mehr viel, sein genius loci ist verloren gegangen, die Orte in seiner Geburtsstadt sind ihm keine Heimat mehr, sondern nur eine Ruine der Vergangenheit, in der der Mensch nicht leben kann, sonst vergäße er, überhaupt zu leben.“

Marek Fapšo über eine Anthologie Eva Hahnovás (8. 2. 2016)

Das neue tschechisch-deutsche Echo analysiert die Veröffentlichung Od Palackého k Benešovi [Von Palacký zu Beneš], für welche Eva Hahnová eine Vielzahl deutschsprachiger Texte über Tschechen und Deutsche ausgewählt und kommentiert hat und die sie einem tschechischen Publikum in der Übersetzung vorlegt (Praha, Academia 2014). Laut Autor der Rezension „hinkt“ die Anthologie in erster Linie auf methodologischer Ebene: „Hahnovás Buch enthält eine Vielzahl bemerkenswerter Texte. Es spielt jedoch mit dem Leser kein faires Spiel. Auf den ersten Blick erweckt es den Eindruck einer authentischen Darbietung von Texten, welche scheinbar augenfällig eine – von der Autorin letztendlich nicht angezweifelte – ‚Richtung‘ in der Geschichte aufzeigen. Tatsächlich wird der Leser jedoch durch die einzelnen Kommentare und Kapitelüberschriften in diese Richtung gelenkt.“

Marie Rakušanová über ein leuchtendes München der (25. 1. 2016)

In Zusammenhang mit der gelungenen Ausstellung im Rahmen des Projekts Pilsen – Kulturhauptstadt Europas vom vergangenen Jahr behandelt das neue deutsch-tschechische Echo die zweisprachige begleitende Publikation München. Leuchtende Kunstmetropole 1870–1918 (Hg. Aleš Filip und Roman Musil, Plzeň – Lomnice nad Popelkou 2015). Sie stellt die Frage auf, warum sich das München des 19. Jahrhunderts die Bezeichnung Kreuzung der Europäischen Kultur verdient hat, tschechische wie deutsche KunsthistorikerInnen tragen Antworten dazu bei. „Der heutige Besucher der reservierten bayerischen Metropole würde es kaum vermuten“, so Marie Rakušanová, „doch an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert handelte es sich um ein kosmopolitisches, vor Leben brodelndes Zentrum der Kultur. KünstlerInnen aus Böhmen, Polen, Russland, der Slowakei, Ungarn, Slowenien und vielen anderen Ländern kamen unter anderem deshalb nach München, weil die liberale Politik der Wittelsbacher hier günstige Bedingungen für ein Aufblühen der internationalen Kulturszene schuf . […] Die Münchener Schule, ob auf der Kunstakademie oder einer der privaten Schulen, übertraf in ihrer Attraktivität Berlin, Dresden und Wien. Die Künstler Mitteleuropas sahen in München eine ebenbürtige Alternative zum Studium in Paris oder verstanden Münchener Erfahrungen mindestens als natürliche Vorstufe zur Destination Paris.“ Das Buch richtet sich im Besonderen auch auf das kulturelle Klima Münchens und den Status des Künstlers im täglichen Kultur- wie Stadtbetrieb aus und überwindet laut Autorin „Gedanken einer hegemonialen Kunstgeschichte, die den von den Zentren zur Peripherie ausgehenden Einflüssen nachspürte“.

Jitka Ludvová über die Kritiken Oskar Baums (11. 1. 2016)

„Obgleich Oskar Baum dem ‚engeren Prager Kreis‘ um Max Brod zugerechnet wird und ihn eine lebenslange Freundschaft mit Franz Kafka verband, gehört er – anders als die beiden Genannten und einige weitere Prager deutsche Autoren der Zwischenkriegszeit – zu jenen Persönlichkeiten, die heute einer expliziten Vorstellung bedürfen“ – so schreibt die Autorin des neuen deutsch-tschechischen Echos über den blinden Romanschriftsteller und Musikkritiker. Eine Auswahl aus Baums kritischen Texten zur Musik und Literatur aus den Jahren 1922–1938 versammelt der 2014 erschienene Band Oskar Baum. Der Blinde als Kritiker (Hg. von Wolfgang Jacobsen und Wolfgang Pardey, München, Richard Boorberg Verlag). Dass bislang unzugängliche Texte erschlossen werden, begrüßt Jitka Ludvová, wundert sich jedoch über die mangelnde Annäherung an die Kontexte ihrer Entstehung und über die dürftigen, ja unbefriedigenden Anmerkungen zu konkreten Realien, die in den Kritiken aufscheinen. Die Musikkritiken, welche die Anthologie versammelt, ermöglichen es freilich,„das ‚ästhetische Profil‘ Oskar Baums als Musiker [zu] rekonstruieren“, außerdem bemerkt Ludvová: „Mit Neid sieht der heutige Leser, wie viel Raum die Tagespresse der Zwischenkriegszeit der ‚Hochkultur‘ einräumte.“

Bernd Hamacher über ein Buch Jindřich Manns (28. 12. 2015)

„Begrüßen Sie sich doch in Prag! […] Schreiben Sie einen Brief. Heißen Sie sich darin in Prag herzlich willkommen,“ rät ein Münchner Hotelportier dem mit einer Rückkehr in die besetzte Tschechoslowakei im Jahre 1968 hadernder Erzähler. Jindřich Manns Prag, poste restante (in der tschechischen Ausgabe von 2012 nur Poste restante) erschien 2007 bei Rowohlt mit dem präzisierenden Untertitel Eine unbekannte Geschichte der Familie Mann. „Doch die Familiengeschichte des Heinrich-Mann-Enkels“, so der Autor des letzten deutsch-tschechischen Echos in diesem Jahr, „ist nur eine Ebene des Buches, das durchaus als Roman bezeichnet werden kann und als solcher dem in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur populären Genre der Autofiktion angehört. […] Jindřich Mann verarbeitet in seinem Buch nicht nur faktuale Erinnerungen und Familiendokumente, sondern komponiert diese um Träume und kontrafaktische Imaginationen herum, die meist von Prag ausgehen, und zwar von bestimmten Gebäuden und der Topographie der Stadt. […] Das Adjektiv ‚unbekannt‘ im Untertitel der Familiengeschichte bedeutet also nicht nur, dass bislang unbekannte Fakten aufgrund neuer Dokumente und Archivfunde präsentiert würden. Mindestens so wichtig ist der Aspekt, dass das Unbekannte an der Geschichte auch ihre Fiktionalität ist. So entsteht Literatur als ambivalente Struktur von Stein und Seele, Wirklichkeit und Traum, Normalität und Phantastik, Ordnung und Anarchie.“

Jan Mareš über Waic (21. 12. 2015)

Das neue deutsch-tschechische Echo stellt Marek Waic' Arbeit Tělovýchova a sport ve službách české národní emancipace (Sport und Sporterziehung im Dienste der tschechischen nationalen Emanzipation, Praha, Karolinum 2013) vor, die sich mit dem tschechischen Sportverein Sokol und den tschechischen Sportaktivitäten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auseinandersetzt. Das Thema mit seinem bedeutenden Potential, Erkenntnisse über die Herausbildung nationaler Stereotypen zu gewinnen, bleibt dabei laut Autor der Rezension unausgeschöpft: „Der Studie mangelt es an der reflexiven oder dialogischen Dimension, die für eine wissenschaftliche Arbeit unentbehrlich ist. Die Deskription überwiegt die Interpretation, oft wird diese sogar von jener komplett überlagert. […]Es entsteht also der Eindruck, als wäre schon alles gesagt (und beschrieben) worden und es bestehe keine Notwendigkeit, das komplizierte Verhältnis zwischen nationaler Emanzipation und Sport zusammenzufassen oder zumindest mögliche Fragestellungen für weitere Forschung zu skizzieren. […] Hätte Waic […] die Entstehung nationalistischer Argumentationen und ihrer (Nicht)Erfüllung in der konkreten Politik verfolgt – oder die Presseplattformen systematisch vorgestellt, die die Sporterziehung, den Sport, aber auch die nationale bzw. Sportöffentlichkeit beeinflusst haben, wäre die Studie zweifellos ein gewichtiger Beitrag zur (tschechischen) Geschichtswissenschaft geworden. Stattdessen hat er jedoch eine Abhandlung über die Sportgeschichte in Zeiten des Nationalismus vorgelegt, die aus den verwendeten Quellen die nationalistische Betrachtungsweise übernommen hat, ohne sie einer kritischen Reflexion zu unterziehen.“

M. Špirit über den deutsch-tschechischen J. Čapek (9. 12. 2015)

Das neueste – rein tschechische – Echo stellt eine deutsch-tschechische Auswahl der Lyrik Josef Čapeks vor. Die Texte, die der Autor für seine Mitgefangenen im KZ Sachsenhausen zwischen Juni 1942 und Februar 1945 verfasste, haben sich erhalten (J. Čapek verstarb wahrscheinlich in Bergen-Belsen im April 1945) und wurden 1946 herausgegeben. Die Auswahl Gedichte aus dem KZ besorgten nun Jiří Opelík, der auch das Vorwort schrieb, und der Übersetzer Urs Heftrich; der Verlag Arco gibt sie mit der Jahresangabe 2016 als 10. Nummer seiner Reihe Bibliothek der Böhmischen Länder heraus. „Die Publikation ist in mehrererlei Hinsicht außerordentlich. Nach den Zwischenkriegsübersetzungen von Povídání o pejskovi a kočičce (Geschichte vom Hündchen und vom Kätzchen, veröffentlicht unter dem Titel „Schrupp und Schlipp“, 1933) und Stín kapradiny (Schatten der Farne, 1936) ist dies die erste eigenständige Buchveröffentlichung Josef Čapeks auf Deutsch. Es handelt sich um eine zweisprachige Ausgabe, die bahnbrechend für die deutsche wie die tschechische Öffentlichkeit ist. … Die Auswahl nahmen Opelík und Heftrich in Hinblick auf ein deutsches Publikum vor, sie kann jedoch auch für ein tschechisches Publikum reizvoll sein. … Die Originale der Blätter mit Čapeks Gedichten werden als farbige Faksimiles abgebildet. Die Handschrift ist gut leserlich und die Bedeutungen der unter wachsender Lebensbedrohung verfassten Verse werden so verstärkt durch die physische Gestalt der Schrift, die nicht nur dem Muttersprachler gut zugänglich ist, sondern durch ihre Sparsamkeit, ihre klaren Züge und ihr Streben nach der bestmöglichen Platzierung einiger Ausdrücke auch dem verständlich, der kein Tschechisch spricht.“

Paul Leppin über die Prager Bohème (7. 12. 2015)

Mit seiner 1921 in der Prager Presse abgedruckten Erinnerung an die Prager Bohème erinnern wir in einem neuen Echo an den Prager deutschsprachigen Schriftsteller Paul Leppin (1878–1945). Der Prosaschriftsteller und Lyriker „suchte Zeit seines Lebens Kontakt zu tschechischsprachigen Kollegen, schon in jungen Jahren hatte er begonnen, für deutsche Blätter tschechische Literatur zu rezensieren, wagte selbst Übersetzungen (z. B. ein Gedicht von Otokar Březina) und war u. a. Mitarbeiter der Moderní revue. Es widerstrebte ihm, dass ‚sich die deutsche Schriftstellerkolonie auf dem feindlichen Boden der slawischen Stadt in spleeniger Eigenbrötelei [begrub]‘.“ Über die – nicht ausschließlich deutschsprachige –Prager Bohème  schreibt er: „Es war eine rauhbeinige Gesellschaft, die damals in den Kneipen und Weinschänken Altprags die Nächte vergeudete. Ohne die Zusammenhänge starker Prinzipien, ohne Zugehörigkeit, ohne gemeinsames Kunstmaß fanden sich alle in einer Art ekstatischer Lebensbejahung, die ihre unbürgerlichste Tugend war. Der Humor, der zum guten Teile in der Frechheit der Jugend wurzelte, lieh den Zusammenkünften Folie und Programm, der Dalles, ihr unentrinnbarer Begleiter, hielt abenteuerliche Radaulust auf einer erträglichen Linie.“

Tilman Kasten über Adler, Canetti und Steiner (23. 11. 2015)

Das neue deutsch-tschechische Echo stellt den Sammelband Literatur und Anthropologie vor, der sich der Londoner Zeit und den Beziehungen zwischen H. G. Adler, Elias Canetti und Franz Baermann Steiner widmet (Hsg. Jeremy Adler u. Gesa Dane, Göttingen: Wallstein Verlag, 2014). Den engeren historischen Kontext der Sozialanthropologie und der Ethnologie berücksichtigt dabei laut Rezensent nur eine Reihe von Studien. Der Sammelband wird beschlossen durch zwei Artikel, die sich mit der Prager Welt befassen: „Hans Dieter Zimmermann rekapituliert Aspekte der Sozialgeschichte des Milieus der Prager deutschsprachigen jüdischen Literatur und vertritt [...] die These, dass ein „anthropologische[r] Blick“ (S. 256) erst in der Prager Generation von H. G. Adler und Steiner [...] zu erkennen sei; Vertreter der älteren Generationen seien hingegen ästhetischen, philosophischen, theologischen und politischen Überlegungen nachgegangen.“ T. Kasten fordert zu einer systematischeren und tieferen Reflexion dieser Fragen auf: „Berührt etwa Max Brods und Felix Weltsch’ Anschauung und Begriff nicht auch anthropologische Aspekte im weitesten Sinne? Ließen sich nicht gerade in Kafkas Werken anthropologische Interessen als zentrales Moment ausmachen?“

Jan Budňák über eine deutsch-mährische Anthologie (9. 11. 2015)

Jan Budňák stellt im neuen deutsch-tschechischen Echo zur Anthologie der deutschmährischen Literatur (Hg. Lukáš Motyčka u. Barbora Veselá, UP Olomouc 2014) die Frage auf, „ob Anthologien gänzlich an kanonischen Texten vorbei konzipiert werden können“, und nähert sich den Strategien des vorgestellten Bandes an: „Durchaus, lautet die hier vorgelegte Antwort, nämlich als Anthologien ‚unter dem Kanon‘, als Archäologie neuer Namen, und zugleich ‚über dem Kanon‘, als Freilegung neuer, vielleicht ästhetisch gehaltvoller Dimensionen bekannter Namen.“ Die zweisprachige Ausgabe, die an der Arbeitsstelle für deutschmährische Literatur in Olomouc entstand, umfasst kürzere Prosatexte von fast dreißig AutorInnen, unter ihnen etablierte Namen wie Robert Musil, aber beispielsweise auch den fast unbekannten Eduard Kulke. – Der Autor des Echos Jan Budňák hält morgen, am 10. 11., einen Vortrag über die „Brünner Romane der ‚mährischen Moderne‘“ im Österreichischen Kulturforum Prag.

Ladislav Futtera über böhmische Bibliografie (26. 10. 2015)

Das neue germanobohemistische Echo erfasst das Potenzial der umfangreichen kommentierte Bibliografie mit dem Titel Die böhmischen Länder in den Wiener Zeitschriften und Almanachen des Vormärz (bisher 3 Bde., Wien, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2011–2014), die von Gertraud Marinelli-König vorbereitet wurde. „Die Arbeit gibt unter einem bislang kaum beachteten Aspekt Einblick in die Zeit der Verfeinerung und allmählichen Emanzipation der einzelnen Nationalkulturen, die jedoch im Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie bis dahin nicht abgegrenzt nebeneinanderstanden, sondern durchlässig füreinander waren. Aus den Quellen wird deutlich, dass es zwischen Wien und den böhmischen Ländern rege kulturelle Kontakte gab: Die Wiener Zeitschriften nahmen unter anderem regelmäßig Notiz vom Programm der Prager Theater und veröffentlichten auch Rezensionen zu tschechischsprachigen Aufführungen. Gleiches gilt in Bezug auf die kulturelle Durchdringung der beiden in Böhmen beheimateten Landessprachen.“

Michal Topor über Studien zu Sprache und Nation (12. 10. 2015)

Das neue deutsch-tschechische Echo stellt den Sammelband Sprache, Gesellschaft und Nation in Ostmitteleuropa vor (Hg. Klaas-Hinrich Ehlers, Marek Nekula, Martina Niedhammer und Hermann Scheuringer, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 2014). „Dem allgemeinen, im Titel nur geographisch auf das Gebiet des östlichen Teils Mitteleuropas abgegrenzten Thema wird die tragende Dialektik durch den Untertitel (Institutionalisierung und Alltagspraxis) gegeben: Die Sprache, bzw. Sprachsituation und -praxis, werden beobachtet als Gegenstand ideell und politisch motivierter amtlicher oder anderer Pläne und Interventionen, mutmaßlich optimierender, kultivierender oder standardisierender Reglementierungen.“

Fritz Mauthner über Berlin (29. 9. 2015)

Das neue deutsch-tschechische Echo stellt einen der „Berliner Briefe“ vor, mit denen Fritz Mauthner (1849–1923) nach seiner Übersiedelung von Prag nach Berlin zur Prager Tageszeitung „Bohemia“ beitrug. Obgleich die Tatsache von Mauthners damaligem Ortswechsel bekannt ist und oft erinnert wird, blieb der Kontakt mit Böhmen, den der Schriftsteller und Philosoph aus dem ostböhmischen Hořice (Horschitz) mithilfe dieser „Briefe“ noch anderthalb Jahre (bis Anfang 1878) aufrecht erhielt, auf wundersame Weise bislang unbeachtet. Teil des Echos, das wir kurz vor der Ausrichtung des Symposiums Fritz Mauthner im deutsch-tschechischen Kontext (Ústí nad Labem, 16.–17. 10. 2015) veröffentlichen, ist die bibliographische Zusammenstellung jener Artikel.

Manfred Weinberg über Johannes Urzidil (14. 9. 2015)

In der renommierten Reihe Intellektuelles Prag im 19. und 20. Jahrhundert, die der Böhlau-Verlag herausgibt, erschien mit dem Untertitel Ein „hinternationaler“ Schriftsteller zwischen Böhmen und New York ein Johannes Urzidil gewidmeter Band (Hg. Steffen Höhne, Klaus Johann und Mirek Němec, 2013). „Urzidil war mit Max Brod und schließlich Lenka Reinerová ein spät Zeugnis ablegender Zeitgenosse der ‚Prager deutschen Literatur‘, und er hat so deren Bild mitgeprägt. In Zeiten, in denen sich die Forschung um eine neue Profilierung dieser Literatur bemüht, wäre es somit entscheidend, diese Rolle Urzidils noch einmal zu befragen“, schreibt der Autor des neuen deutsch-tschechischen Echos, und konstatiert jedoch: „Es ist schon bemerkenswert, dass die klarsten Worte, die sich im Band dazu finden, Zitate von Peter Demetz aus dem Jahr 1999 (!) sind.“

Martin Vavroušek über die Prager jüdische Moderne (31. 8. 2015)

Das neueste deutsch-tschechische Echo informiert über einen Workshop zu den Prager Figurationen jüdischer Moderne, der im Februar diesen Jahres in Tübingen abgehalten wurde. Das Treffen, das vom Slavischen Seminar der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Germanische Studien der Prager Karlsuniversität ausgerichtet wurde, widmete sich einigen Aspekten der jüdischen Moderne in Prag, der Verknüpfung und Beeinflussung der tschechischen Literatur durch den deutschen kulturellen Kontext in Böhmen um 1900 herum ebenso wie der Analyse und dem Transfer charakteristischer Stoffe und Motive in den tschechoslowakischen Underground und die tschechische Gegenwartsliteratur. In der Diskussion klang an, „dass der Einfluss des technischen, wirtschaftlichen und ökonomischen Aufschwungs in der damaligen Tschechoslowakei auf die tschechische und die jüdisch-deutsche Kultur in Böhmen in der Forschung oft unterschlagen wird. Erst eine möglichst vollständige Rekonstruktion des zeitspezifischen Kontextes, in dem die Akteure agierten, ermögliche es, die Spuren der Denkfiguren, wie auch die Stellungen der Juden zwischen der deutschen und der tschechischen Kultur angemessen beurteilen zu können“.

Marie Rakušanová über Sawickis „Osma“-Monografie (17. 8. 2015)

Das neue germanobohemistische Echo widmet sich den deutsch-tschechischen Aspekten des Buches Na cestě k modernosti (Auf dem Weg zur Moderne, Prag, FF UK 2014), in dem sich der US-amerikanische Historiker und Kunsttheoretiker Nicolas Sawicki mit der Künstlervereinigung Osma auseinandersetzt, die im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts moderne europäische Strömungen ins tschechische Umfeld einführte. „Am spannendsten sind die Passagen“, so Rakušanová, „in denen Sawicki mit der Wissbegier eines Ausländers historische Zusammenhänge des kulturellen Lebens in Prag und den böhmischen Ländern jener Zeit offenlegt, als die Künstler der Gruppe Osma die Szene betraten. Seine ausführlichen Analysen der kulturellen Beziehungen zwischen Tschechen, Deutschen und Juden schildern detailliert ein Milieu, zu dem das Neuerertum von Osma in scharfem Kontrast stand. Die tschechische Kunstgeschichtsforschung nimmt die Ergebnisse ähnlicher Analysen als etwas Selbstverständliches hin, Sawicki zeigt jedoch, dass es Sinn macht, herkömmliche Vorstellungen zu überprüfen. […] Sawicki führt [...] anhand eingehender Analysen künstlerischer Werke wie auch zeitgenössischer Rezensionen und Polemiken anschaulich vor Augen, wie wenig selbstverständlich die deutsch-tschechisch-jüdische Gemeinschaft von Osma in der Prager Kulturszene des beginnenden 20. Jahrhunderts war.

Václav Maidl über Skripte zur deutschen Literatur (3. 8. 2015)

„Was ist besser? Eine nur einem Teil entsprechende Information, oder gar keine Information?“ fragt sich angesichts von Jaroslav Kovářs Hochschulskripten zuAutoren und Werken der Deutschsprachigen Literatur seit 1933 bis zur Gegenwart (2014) der Verfasser des neuen deutsch-tschechischen Echos. Die für HörerInnen der Brünner Germanistik gedachte Abhandlung versucht auf 70 Seiten, „in kurzen übersichtlichen Kapiteln den Studenten die jeweiligen für bestimmte Zeitabschnitte charakteristischen Strömungen der deutschsprachigen Literatur“ näherzubringen („z. B. für die Zeit 1933–45 Entartete Kunst – Blut-und-Boden-Literatur – ‚innere‘ Emigration – Exilliteratur“), und bemüht sich hierbei, „die Unterschiede in der Literatur der einzelnen Länder herauszuarbeiten (Deutschland, Österreich, Schweiz, die Literatur der DDR)“. Ein eigenes Kapitel ist den auf Deutsch schreibenden Autoren der böhmischen Länder gewidmet. Die notgedrungen selektive und lückenhafte Auslegung hat laut V. Maidl seine Berechtigung, da „tschechische Studierende mit Beginn ihres Germanistikstudiums eigentlich erstmals mit deutschsprachiger Literatur in Berührung kommen. Der Autor will mit seinem Skript ein allererstes Grundraster bilden, erste Ecksteine abstecken auf dem unübersichtlichen, bzw. für Studenten bislang unbekannten Feld.“

Hans Natonek über das Gespenstische Prag (20. 7. 2015)

Eine Serie von deutsch-tschechischen Echos über Hans Natonek wird abgeschlossen durch den Essay Gespenstisches Prag, den der Prager deutsche Autor Anfang Mai 1939 in dem in Paris erscheinenden Exilblatt Österreichische Post publizierte. Julia Hadwiger weist in ihrer Einleitung auf die zahlreichen Abweichungen im Wortlaut des Textes hin, wie er in der Auswahl aus Natoneks Publizistik Letzter Tag in Europa enthalten ist. Natonek erinnert in seinem Text an die Atmosphäre Prags mit seiner tschechisch-deutsch-jüdischen Literatur und erhellt die weitreichende Veränderung dieser Atmosphäre mit der Besetzung der Tschechoslowakei durch die deutsche Armee: „Der 15. März 1939 war der Todestag dieser Literatur; buchstäblich. Von Angst gejagt, stürzten sich Tausende: Antiquare, Buchhändler, Sammler und Leser in ein freiwilliges Autodafé dieser und aller »suspekten« Literatur. Kein Goebbels brauchte zu kommen, um Bücher zu verbrennen. Sie brannten von selbst. Tausende Oefen qualmten zur gleichen Morgenstunde; die Kessel der Zentralheizungen bekamen literarische Nahrung. Tausende Klosetts waren von zerrissener Literatur verstopft. Es stank zum Himmel, es war der 15. März ... Mit dem Einmarsch öffnete sich die Kloake, und die Panikbesessenen schütteten ihre Vergangenheit, ihr Selbst in die Abort-Schüssel. Nachher hatten die Installateure zu tun. So sieht der Schrecken aus, der diesen Eroberern vorangeht.“

Jiří Stromšík über Kurt Krolop (6. 7. 2015)

Als neuestes deutsch-tschechisches Echo erscheint der Festvortrag, den Jiří Stromšík bei der Eröffnung der Kurt Krolop Forschungsstelle für deutsch-böhmische Literatur anlässlich Krolops 85. Geburtstag hielt. Der deutschböhmische Germanist, zu dessen Ehren das neue Zentrum benannt ist, das sich für die die Forschung zur Prager deutschen Literatur bzw. der deutschsprachigen Literatur aus Böhmen im Kontext der mitteleuropäischen Kulturgeschichte einsetzt, beteiligte sich in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts an der Einrichtung einer systematischen Erforschung der deutschsprachigen Literatur der böhmischen Länder. Daneben widmete sich Kurt Krolop ein Leben lang dem Werk von Karl Kraus – Jiří Stromšík schreibt: „Karl Kraus stellte und stellt für Kurt Krolop offensichtlich die überzeugendste Verkörperung kritischen Denkens dar – eines Denkens, das sich von keinen Klischees oder Stereotypen täuschen, aber auch von keinen Glaubenssätzen oder Ideologien verführen läßt, sondern stets bemüht ist, unter die Oberfläche des Textes vorzudringen, um dort eine neue, von anderen bisher unerkannte Wahrheit zu finden. Etwas unterscheidet allerdings Krolop von Kraus wesentlich: Der Kritizismus des Ersteren ist nicht von Angriffslust, um nicht zu sagen Aggressivität des Letzteren getragen (und schon gar nicht von dessen richtendem, ekstatischem Moralismus) – Krolops Kritizismus will den Gegenstand der Kritik nicht ‚demolieren‘, sondern besser verstehen.“

Tilman Kasten schreibt über das Buch von K. Lahl (22. 6. 2015)

Zu der Debatte um die Aufweichung der Dichotomie von einer Prager und einer regionalen, „sudetendeutschen“ Provinzliteratur zugunsten einer einzigen deutschsprachigen Literatur Böhmens und Mährens bietet Kristina Lahls Dissertation Das Individuum im transkulturellen Raum einen neuen Beitrag; sie ist mit dem Untertitel Identitätsentwürfe in der deutschsprachigen Literatur Böhmens und Mährens 1918–1938 im Bielefelder Verlag Transcript erschienen (2014). Tilman Kasten argumentiert in seinem deutsch-tschechischen Echo: „Die angestrebte Betrachtung der Prager sowie der ‚sudetendeutschen‘ Literatur im Kontext einesterritorialen literaturgeschichtlichen Zugriffs erscheint prinzipiell sinnvoll, doch die Art und Weise, wie Lahl die Zugehörigkeit der Texte zu jenem Raum (und so die Kongruenz der zu einer Literaturlandschaft gehörenden Texte) begründet, ist weniger überzeugend“. Bei sehr verschiedenen Texten von AutorInnen mit verschiedenem Bezug zum Raum der böhmischen Länder gelinge es Lahl nur mit Mühe, „allein anhand des abstrakten inhaltlichen Aspekts der Individualitätsproblematik und unabhängig vom Auftreten böhmischer oder mährischer Realien“ das postulierte Spezifikum des Raums zu erhellen. 

Štěpán Zbytovský schreibt über Kafkas Rätsel (8. 6. 2015)

Das neue deutsch-tschechische Echo analysiert Gerhard Riecks Buch Kafkas Rätsel (Würzburg, Königshausen & Neumann 2014), das laut Untertitel zu Leben, Werk und seiner Interpretation nicht nur Fragen, sondern zugleich auch Antworten anbietet. Die Publikation des österreichischen Publizisten und freien Kafkologen neigt mit der Ambition einer komplexen und ganz originären Leistung „zum Konstrukt der Schriftsteller-Psyche als zentraler Bezugsgröße“ der Auslegung: Kafkas angebliches „Trauma der Entfremdung gegenüber den Eltern, das Trauma der Sexualität [...] und die daraus hervorgehenden Spannungen zwischen Über-Ich und Ich sowie die sadomasochistische Dialektik von Kafkas Neigungen“ bringen in die Texte mittels „therapeutischer Sublimierung praktisch alle denkbaren Konstellationen und Charaktere der Figuren [ein]: Asketismus, Inzest, homoerotische Andeutungen, und K. wird zur Chiffre für Christus und zum Ventilder traumatischen Beziehung zu den eigenen jüdischen Wurzeln.“ Abschließend bemerkt Štěpán Zbytovský: „Dass ein Verlag, der als kompetent im Bereich der Geisteswissenschaften gilt, dieses Buch in sein Programm aufgenommen hat, lässt sich als eine sichtbare Folge der massiven Reduktion von Lektoratsarbeit bei vielen Verlagen erklären.“

I. Fiala-Fürst schreibt über Prag und Provinz (25. 5. 2015)

In den Beiträgen des Sammelbands Prag – Provinz , der die Relevanz der tradierten Grenzen zwischen dem Prager Zentrum und den böhmisch-mährischen Provinzgebieten auf den Prüfstand stellt, findet die Autorin des neuen deutsch-tschechischen Echos wertvolle Ansätze einer ‚Neubestimmung‘der deutschböhmischen Literatur (die Prager deutsche inbegriffen) als Forschungsgegenstand“. Ingeborg Fiala-Fürst sieht den Band, der Beiträge einer 2011 in Liberec ausgerichteten Konferenz versammelt (Arco Verlag, 2014), als Teil einer Diskussion, in der sich in den letzten Jahren die „Verlegung, Aufweichung oder gar Beseitigung der Grenzen zwischen ‚der‘ Prager deutschen und der umliegenden ‚provinz-deutschen‘ Literatur der böhmischen Länder“ realisiere; zugleich belegt sie anhand des Bands die „Bereicherung der Forschungsmethoden um kulturgeschichtliche, literatursoziologische, rezeptionsästhetische, medienspezifische Fragestellungen“ und die „maßgebliche Erweiterung des Korpus‘ der behandelten Texte.“

J. Budňák schreibt über die Tschechen und Die Zeit (11. 5. 2015)

Das neue germanobohemistische Echo nähert sich zwei komplementär gefassten Publikationen, die sich den Beziehungen zwischen der Wiener modernistischen Zeitschrift Die Zeit und der tschechischen bzw. mitteleuropäischen Moderne annähern: Als HauptautorInnen und -herausgeberInnen verantwortlich für die Bücher von 2011 und 2013, die den ersten Teil des Titels Die Wiener Wochenschrift Die Zeit (1894–1904) gemein haben, zeichnen Lucie Merhautová und Kurt Ifkovits. „Die Frage des Transfers, um die es hier geht“, so Budňák in seinem Echo, „verstehen die Herausgeber nicht nur als ein literarisches Problem, sondern im breiten, auch politischen und weltanschaulichen Sinne, als ein kulturelles Problem. […] Merhautová und Ifkovits erliegen aber nicht der idealisierten Vorstellung von reibungsloser Übertragung von Kulturgut zwischen Zentren und Provinzen, zwischen verschiedenen Nationalkulturen oder zwischen dominierenden und progressiven Diskursen. […] Missverständnisse, unterschiedliche Erwartungen und daraus resultierende Enttäuschungen, das Auseinandergehen und Zurückkehren wie auch das gegenseitige bewusste Ausnützen und das Finden eigener Strategien sind für den Vermittlungsprozess oft symptomatischer als der Wille zur Annäherung im Sinne des Pathos der Vermittlung.“

Die germanobohemistischen Echos als Buch (28. 4. 2015)

Als E-Book erschienen sind die Echos 2014: Das Buch bündelt den ersten Jahrgang der Rezensionsbeiträge und Artikel zu den deutsch-tschechischen Literatur- und Kulturbeziehungen. Das Institut für Literaturforschung arbeitet bei der Herausgabe der Echos mit dem Institut für germanische Studien der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität Prag sowie mit dem Österreichischen Kulturforum Prag zusammen. Die germanobohemistischen Beiträge, die im Verlauf des vergangenen Jahres auf Tschechisch und Deutsch auf den Seiten des Instituts für Literaturforschung erschienen sind, widmen sich vornehmlich den wissenschaftlichen Anstößen zur Problematik der deutschsprachigen Literatur der böhmischen Länder. – Das Buch ist kostenlos auf den Seiten des IPSL sowie bei den tschechischen Distributoren (z. B. Kosmas) erhältlich.

Lucie Merhautová schreibt über Rilke und Vrchlický (27. 4. 2015)

Explizite Belege für das Verhältnis R. M. Rilkes zu Jaroslav Vrchlický gab es bisher nur zwei: ein Gedicht, das den Dichternamen im Titel trug und in der Sammlung Larenopfer (1895) erschien sowie ein Brief Rilkes vom Januar 1896. Lucie Merhautová legt im neuen germanobohemistischen Echo aus der Reihe Es schrieben einen dritten vor, ein Sonett Rilkes nämlich, das in der Gesamtausgabe fehlt und bisher in der Sekundärliteratur vermutlich unberücksichtigt blieb –  es war als Widmung in das Exemplar der Larenopfer eingetragen, das Rilke an Vrchlický zusammen mit einem Brief schickte. In einem eigenständigen Echo stellt Merhautová die positive Rückmeldung auf Vrchlickýs Lyrik von Seiten deutschsprachiger AutorInnen und KritikerInnen und die wachsende Distanzierung der tschechischen Kritik einander gegenüber: „Rilkes Stilisierung als dankbarer Lehrling verfehlte gänzlich die Haltung der Vertreter der tschechischen literarischen Moderne gegenüber Vrchlický. […] Im gleichen Jahr, in dem Rilke Vrchlický ein Exemplar seiner Larenopfer schenkte, lehnte etwa F. X. Šalda [...] den Vergleich mit Goethe ab […] Šaldas Kritik hatte weitreichende Folgen, sie stand in direktem Widerspruch zu Alberts Bemühungen, das hohe Niveau tschechischer Literatur bzw. Kultur einem deutschsprachigen Publikum gegenüber unter Beweis zu stellen. Vrchlickýs Eklektizismus lehnte Šalda ab, nicht nur als ein ästhetisches, sondern hauptsächlich als ein moralisches Problem (als ‚geistige Prinzipienlosigkeit‘), das die ganze tschechische Gesellschaft betreffe.“

Jahresbericht des IPSL für 2014 (24. 4. 2015)

Die Tätigkeit des Instituts für Literaturforschung im vergangenen Jahr fasst der soeben veröffentlichte Jahresbericht zusammen. Das IPSL schloss 2014 erfolgreich ein Forschungsprojekt ab, das zu Jahresbeginn in die Publikation der Monografie Berliner Episoden mündete; seine Reihe literaturwissenschaftlicher Anthologien wuchs im vergangenen Jahr um zwei neue Bände zu Jaroslav Hašek und Jaroslav Seifert. Neben dem bereits traditionellen bohemistischen Forum Echa, dessen Beiträge weiterhin auf der Internetseite des IPSL in wöchentlichem Turnus veröffentlicht werden, erschienen die ersten drei Jahrgänge der Beiträge bereits in Gestalt von E-Books. Hinzu kamen die eigenständigen germanobohemistischen Echos, die auf Deutsch und Tschechisch herausgegeben werden und sich an der Problematik der deutschsprachigen Literatur in den böhmischen Ländern orientieren.

Julia Hadwiger noch einmal über Hans Natonek (13. 4. 2015)

In einem weiteren Hans Natonek gewidmeten Echo nähert sich Julia Hadwiger einer Auswahl an publizistischen Schriften des Autors aus den Jahren 1933 bis 1963, nach einem seiner bekanntesten Essays Letzter Tag in Europa (Leipzig, Lehmstedt 2013) betitelt. Die von der Herausgeberin nach streitbaren Kriterien erfolgte Auswahl bevorzugt Texte zur damaligen Politik, Texte zur Literatur hingegen nur selektiv. In beiden Abteilungen ist (insbesondere in den Jahren 1933–1938) oft von der böhmischen Heimat bzw. Prag die Rede: „Natonek setzt sich darin außer mit der politischen Lage und den Eigenheiten der Stadt auch mit der Auswanderungsproblematik auseinander: ‚Viel hat die Republik verloren, aber im Kern ist sie intakt geblieben. Die Deutschen, die zu ihrer unteilbaren böhmischen Heimat standen, haben dagegen alles verloren; das letzte, was ein Mensch verlieren kann: die Heimat. Sie können jetzt das Lied singen, das erschütterndste, das je aus dem Herzen eines vielgeprüften Volkes kam: Kde domov můj? Wo ist meine Heimat?‘“

Der zweite Band mit Studien O. Fischers erschienen (7. 4. 2015)

Im Verlag der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität Prag erscheint der zweite Band ausgewählter Studien Otokar Fischers. Der Band Literární studie a stati II (Literarische Studien und Aufsätze II) umfasst germanistische (Goethe, Nietzsche, Wedekind u. a.) und komparatistische Arbeiten, Aufsätze zu Übersetzungen sowie Artikel über andere Literaturen (z. B. Shakespeare, romanische und nordische Literaturen), des weiteren Studien zu Fragen der literarischen Form und persönlicher aufgeladene Artikel und Erinnerungen. Für die Bearbeitung der Übersetzungen von Fischers Texten, die ursprünglich auf Deutsch und Französisch verfasst wurden, zeichnete das IPSL verantwortlich. Der Inhalt der Bände kann hier bzw. hier abgerufen werden.

Veronika Tuckerová über Kafka-Übersetzungen (30. 3. 2015)

Im Fokus des neuen deutsch-tschechischen Echos stehen ältere und neuere Übersetzungen Franz Kafkas von Milena Jesenská, Willa Muir, Mark Harman und Michael Hofmann, über welche die Anglistin Michelle Woods in ihrer Veröffentlichung Kafka Translated (New York, Bloomsbury, 2014) schreibt. Dabei verhandelt sie weniger das Gelingen dieser Übersetzungen oder die Berechtigung konkreter übersetzerischer Vorgänge, sondern gibt ihren Autoren „Raum, macht sie sichtbar und lässt sie über ihre übersetzerischen Herangehensweisen und Entscheidungen berichten“. U. a. versucht Woods, die allerersten Übersetzungen Kafkas in eine andere Sprache aus der Feder Milena Jesenskás mit Verweis auf ihre „Offenheit gegenüber dem literarischen Experiment und stilistischer ‚Transgression‘“ zu rehabilitieren. Laut V. Tuckerová lässt Woods jedoch „die lange Tradition der Übersetzung aus dem Deutschen ins Tschechische außer Acht, mitsamt ihrer spezifischen stilistischen und syntaktischen Problemen, und mit klarer Sympathie für Jesenská bewertet sie ihre Übersetzung mit heutigen Maßstäben, die Genauigkeit fordern“.

Olga Zitová über T. Pavlíčková (16. 3. 2015)

Im neuen deutsch-tschechischen Echo stellt Olga Zitová eine Veröffentlichung zur Entwicklung des Nationalitätenkonflikts in der Znaimer deutschen Presse 1850–1938 vor. Dabei weiche die Monographie Tereza Pavlíčkovás über die regionalen Periodika während eines verhältnismäßig langen Zeitraums oftmals von ihrem eigenen Thema ab: In ausführlichen Teilen konzentriere sie sich auch auf Bereiche, „die ursprünglich von der Forschung ausgeblendet (die tschechische Presse) oder als marginal bezeichnet (Volkskalender, Vereinspresse) wurden. […] Raum und interpretatorische Anstrengungen, die Pavlíčková für die genannten Bereiche aufbringt, hätten besser in das abschließende Kapitel Eingang finden können, das sie den Jahren der Ersten tschechoslowakischen Republik widmet. […] Die Untersuchungen konzentrieren sich im Unterschied zu den Jahren 1850 bis 1919 nur noch auf ein Periodikum […].“

Arne Novák als Student der deutschen Philologie (2. 3. 2015)

Das neue germanobohemistische Echo erinnert an den Literaturhistoriker und -kritiker Arne Novák, dessen Geburtstag sich heute zum 135. Mal jährt. Der spätere Professor für tschechische Literatur in Brünn (2. 3. 1880 – 26. 11. 1939) richtete sein Prager und Berliner Hochschulstudium in erster Linie auf die „germanische“ Philologie aus (wenngleich er bereits damals Vorlesungen zur tschechischen Literatur besuchte und in Rezensionen die tschechischsprachige Literaturproduktion kommentierte); aufgeschlossen gegenüber dem deutschen Schrifttum (auch böhmischer und mährischer Provenienz) sowie germanobohemistischen Zusammenhängen blieb er auch in den darauffolgenden Jahrzehnten. In der Rubrik „Es schrieben“ veröffentlichen wir einen Brief, den Novák als 20jähriger Student aus Berlin der Schriftstellerin Růžena Svobodová schickte, der Lebenspartnerin F. X. Šaldas. Voller Bewunderung für „Wachstum und Entwicklung der deutschen Philologie“ schreibt er: „Und genau dies fehlt uns in Böhmen: Uns fehlt eine Wissenschaft, welche die tschechische Kultur als solche erfasst und reproduziert, welche einheitlich und im Ganzen ein Bild unseres geistigen Lebens vermittelt, welche die große Persönlichkeit der Nation hinter allem sieht, als mächtiges Movens.“

Neuerscheinung mit Arbeiten Otokar Fischers (19. 2. 2015)

Nach Jahrzehnten verschwindend geringer wissenschaftlicher Rezeption sowie überraschender editorischer Untätigkeit ist auf Tschechisch kürzlich im Verlag der Philosophischen Fakultät der Prager Karlsuniversität der erste von zwei Bänden mit Literarischen Studien und Aufsätzen Otokar Fischers (1883–1938) erschienen. Vom Institut für Literaturforschung (IPSL), das 2013 eine internationale Konferenz zu Fischers Vermächtnis mit ausrichtete, wurden für die Edition Übersetzungen von Texten in Auftrag gegeben, die Fischer ursprünglich auf Deutsch oder Französisch verfasst hatte. Der Band Literarische Studien und Aufsätze I umfasst neben Studien zu allgemein literaturwissenschaftlichen Fragen Fischers bohemistische Arbeiten und Studien mit tschechisch-deutscher Thematik; man findet hier beispielsweise auch Fischers Aufsätze Vom Unsagbaren, Die Geschichte des Doppelgängers oder Die Träume des Grünen Heinrich.

Michal Topor über ausgewählte Werke M. Brods (16. 2. 2015)

Im Zentrum des neuesten Echos steht Max Brod, dessen Ausgewählte Werke der Wallstein Verlag seit 2013 sukzessive herausgibt. Im letzten Jahr neu erschienen sind u. a. Über die Schönheit häßlicher Bilder. Essays zu Kunst und Ästhetik sowie der Roman Stefan Rott oder Das Jahr der Entscheidung. Brod, so die These in Lothar Müllers Vorwort, habe gerade durch seine Zeitungsprosa, die der erste Band in einer Auswahl zeigt, zwischen Scharfblick und lockerer Schreibhand einen neuen Typus des (großstädtischen) Schriftstellers mit etabliert. Topor deutet hier auf eine Lücke in der Aufarbeitung von Brods Einfluss gerade in der Prager sprachübergreifenden Kultur vor dem Ersten Weltkrieg hin und findet Ungereimtheiten in der Frage, ob Brod tatsächlich eine „gesamte deutschsprachige Öffentlichkeit“ mit seinem Schreiben im Sinn gehabt habe, wie Müller es nahelegt. Trotz der begrüßenswerten Neuerscheinung bleibt das Bedauern über die Zufälligkeit der Auswahl und ihre mangelnde wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit.

Neuerscheinung des IPSL (3. 2. 2015)

Soeben auf Tschechisch erschienen ist Michal Topors Buch „Berlínské epizody“ (Berliner Episoden). Die Monografie mit dem Untertitel „Ein Beitrag zur Philologiegeschichte in Böhmen und Mähren 1878–1914“ skizziert anhand von originalem und bislang weitgehend unveröffentlichtem Archivmaterial (Universitätsregister, Korrespondenzen, Aufzeichnungen o. ä.) die Berlinreisen und -aufenthalte tschechisch- wie deutschsprachiger Studenten und Wissenschaftler aus Böhmen und Mähren. Angehörige beider Gruppen konnten in Berlin Karl Müllenhoff, Wilhelm Scherer, Erich Schmidt, Karl Weinhold, Gustav Roethe und anderen begegnen. Überaus attraktiv für Philologen waren in Berlin auch die universitäre Lehre und die Wirkstätten der Orientalistik und der klassischen Philologie, verkörpert durch namhafte Gelehrte wie Hugo Winckler, Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff oder Friedrich Delitzsch. Gerade dank der Zeugnisse tschechischer Studenten und Wissenschaftler liefert das Buch einen grundlegenden Beitrag zur Erkenntnis über die Anfänge der philologischen Fächer in den böhmischen Ländern wie auch im universitären Milieu Berlins, und das zur Zeit ihrer wesentlichen Umwandlung, ihres Suchens und Findens moderner methodologischer Ansätze.

Julia Hadwiger über Hans Natonek (2. 2. 2015)

Das neue deutsch-tschechische Echo erinnert an Hans Natonek (1892 in Prag – 1963 in Tucson, Arizona), der das Schicksal vieler im Dritten Reich exilierter Autoren teilt, in der Nachkriegszeit nicht neu verlegt worden und in Folge in Vergessenheit geraten zu sein. Der Leipziger Lehmstedt-Verlag macht sich um die Wiederentdeckung dieses jüdischen Schriftstellers verdient, und Steffi Böttger, Autorin der Biografie Für immer fremd (2013), gelingt laut Julia Hadwiger ein spannender, frischer Blick auf Natoneks Leben. Zu bemängeln sei jedoch manche Ungenauigkeit, beispielsweise blieben Lücken „in Bezug auf den familiären Hintergrund in der Biographie [...]. Diese Fehlstelle hätte sich durch Recherchen in tschechischen Archiven vermutlich leicht schließen lassen, wie z. B. durch die Konskriptionslisten der Prager Polizeidirektion, die im Nationalarchiv in Prag aufbewahrt werden und mittlerweile digitalisiert und online zugänglich sind“.